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Göran Hugo Olsson entwickelt aus gefundenen Filmrollen einen Dokumentarfilm über Nostalgie und die Zuneigung zu Exzentrikern.

That Summer (2017)

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Zurück in Grey Gardens

Berühmt geworden sind sie durch ihre Verwandtschaft – und die Filme über sie: Edith Bouvier Beale und Edith Ewing Bouvier Beale, die Tante bzw. Kusine von Jacqueline Kennedy Onassis, ein exzentrisches Mutter-Tochter-Gespann, besser bekannt als Big Edie und Little Edie, das in den East Hampton lebte.

Durch den 1975 entstandenen Dokumentarfilm Grey Gardens wurden sie bekannt. Er erzählt davon, dass die Behörden sie zum Auszug aus ihrem verfallenen Anwesen „Greys Gardens“ in East Hampton zwingen wollten, es aber durch die Hilfe von Jacqueline Kennedy Onassis verhindert werden konnte.

Doch diese filmische Annäherung durch Albert und David Maysles war nur der Anfang: Mittlerweile gibt es u.a. einen HBO-Film mit Jessica Lange und Drew Barrymore als Big bzw. Little Edie und ein Musical, das mit drei Tony Awards ausgezeichnet wurde.

Die Bekanntheit dieser Frauen setzt Göran Hugo Olsson bei seinem Film That Summer voraus. Mit dem titelgebenden Sommer ist der des Jahres 1972 gemeint, in dem der Fotograf Peter Beard und seine Freundin Lee Radziwill, die jüngere Schwester von Jacqueline Kennedy Onassis, mit den Arbeiten zu einem Film begonnen haben, der von der Kindheit der Bouvier-Schwestern in den Hamptons und den dort stattfindenden Veränderungen handeln sollte. Mit ihren Kameramännern Albert und David Maysles suchten sie Lee Radziwills exzentrische Kusine und Tante auf, schon bald zeigten die Maysles Interesse daran, die Beales zum Mittelpunkt des Filmes zu machen, woraufhin Radziwill das Projekt zurückzog. Aber bekanntermaßen kamen die Maysles wenig später zurück und drehten Grey Gardens

Seit diesem Sommer 1972 galt das Material, das damals gedreht wurde, als verschollen. Nun sind vier Filmrollen wiederaufgetaucht und fungieren als Grundlage für That Summer. Die Aufnahmen, die hauptsächlich von Beard gemacht wurden, wurden von Olsson mit zeitgenössischen Aufnahmen von Andy Warhol, Jonas Mekas und Vincent Fremont verbunden und eingerahmt von gegenwärtigen Aufnahmen von Peter Beard. Außerdem hat Radziwill eingewilligt, dass Olsson Aufnahmen ihres Interviews mit Sofia Coppola aus dem Jahr 2013 verwendet. 

In der Montage des gefundenen Bild- und Tonmaterial zeigt sich zum einen eine Nostalgie an eine Zeit, die längst vergangen ist. Damals waren die Hamptons nicht Rückzugsort reicher Familien, sondern eine Zuflucht für Künstler und Exzentriker, die Ruhe suchten. Zugleich aber spiegelt sich in den Bildern auch die Zuneigung wider, die Beard und Radziwill füreinander sowie für die Beards empfanden. 

Dabei erweist sich Radziwill als emphatische Zuhörerin und gute Vermittlerin. Sie spricht mit den Handwerkern, die das Haus wiederherrichten sollen, damit die Beards dort wohnen bleiben können. Sie verhandelt mit den Vertretern offizieller Stellen, hat einen Anwalt mitgebracht. Sicherlich schätzen die Beales, was für sie getan wird, zugleich zeigt sich aber immer wieder auch ihre Verunsicherung und Traumatisierung aufgrund der vorhergehenden Ereignisse, in denen Feuerwehrleute ihr Haus unter Wasser gesetzt haben.

Vor allem aber ist auf dem Filmmaterial viel von den Beales zu sehen: Little Edie auf einem Gartenstuhl, auf der Suche nach Make-up, sich versteckend im Bett, laut lachend. Big Edie, die dramatisch auf einem Stuhl sitzt, die singt, sich inszeniert. Und doch steckt unter all den Selbstinszenierungen und der Exzentrik zumeist eine Tragik – und es gibt verstreut Hinweise auf vergangene Traumatisierungen. 

Dennoch bleibt bei dem Film eine große Leerstelle zurück. Hier fehlt, was Hugo Göran Olsson in seinen vorherigen Filmen The Black Power Mixtape 1967-1975 und Concerning Violence so meisterhaft gelungen ist: Er hat gefundenes, altes und neues Material mit seiner Montage zu kraftvollen Dokumentarfilmen verbunden, die gleichermaßen ein Zeugnis ihrer Zeit ablegen als auch weit darüber hinaus verweisen. In That Summer aber bleiben die vier gefundenen Filmrollen so sehr im Mittelpunkt und wird auf einordnende Kommentare oder Bilder fast vollständig verzichtet, so dass jemand, der die Beales nicht vorher kennt oder von ihnen gleichermaßen fasziniert ist, von Anfang an verloren ist. Und damit ist dieser Film eher ein Familienfilm für die Beales, Kennedys und Onassis‘ dieser Welt.

That Summer (2017)

Sommer 1972: Lee Radziwill, Schwester von Jacqueline Kennedy Onassis, will mit dem Fotografen Peter Beard einen Film über ihre Kindheit auf Long Island drehen. Als sich Albert und David Maysles dem Team anschließen, richtet sich die Aufmerksamkeit jedoch bald auf Radziwills Cousine Edith Bouvier Beale und deren Mutter Edith Ewing Bouvier: Die exzentrischen Grandes Dames bewohnen in Verwahrlosung ein Anwesen in East Hampton und es droht die Zwangsräumung durch die Behörden.

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