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Pat war einst ein bekannter Friseur und die Galionsfigur der Homosexuellen in Sandusky. Jetzt lebt er in einem Pflegeheim. Als eine seiner ehemaligen Kundinnen stirbt und er sie für die Beerdigung ein letztes Mal frisieren soll, bietet sich ihm die Gelegenheit, an die alten Zeiten anzuknüpfen. Dieser schillernden Figur widmet Todd Stephens seine Tragikomödie mit Udo Kier in einer der besten Rollen seiner Karriere.

Swan Song (2021)

Eine Filmkritik von Teresa Vena

Abgang in Würde

Pats (Udo Kier) Welt ist grau: Die Wände und Gänge des Altenheims, in dem er wohnt, seine Haare und die aller anderer Bewohner und auch sein Trainingsanzug. Seine Zeit verbringt er mit dem Falten von Servietten oder langweilt sich vor dem Fernseher. Ab und zu richtet er einer Zimmernachbarin das Haar zu einer Hochfrisur, dann blüht er etwas auf. Was sonst an sein altes Leben als berühmt-berüchtigter Friseur und Travestiekünstler erinnert, ist ein einziger Schuhkarton, in dem ein paar wenige Arbeitsgeräte verstaut sind. Dass er diese noch einmal brauchen würde, hätte Pat nicht gedacht. 

Doch bekommt er eines Tages Besuch von einem Anwalt (Tom Bloom). Dessen Mandantin, Rita Parker Sloane (Linda Evans), ist gestorben und hat verfügt, dass Pat sie für die Beerdigung schminken und frisieren solle. Pat denkt nicht daran, diesem Wunsch nachzukommen, denn gegen seine ehemals beste Kundin hegt er einen tiefen Groll. Es ist schließlich die versprochene Gage von 25.000 Dollar, die Pat zum Umdenken bringt. Er steckt sich seine pompösen Ringe an die Finger und schleicht sich im schlabbrigen Freizeitanzug in die Innenstadt von Sandusky. Als Erstes muss würdigere Kleidung für ihn beschafft werden, die er in einem Trödelladen auch findet. Schwieriger wird es, ohne Geld die Kosmetikprodukte zu besorgen, die er braucht, um den Auftrag auszufüllen. 

Pat Pitsenbarger, den Udo Kier in der Tragikomödie des US-amerikanischen Regisseurs Todd Stephens wie sein zweites Ich spielt, hat es in Sandusky, einer Kleinstadt in Ohio, wirklich gegeben. Stephens kannte die inzwischen verstorbene Lokalberühmtheit persönlich, ihm widmet er seinen Film. Swan Song ist nicht nur ein einfühlsames Porträt dieser schillernder Figur, sondern erzählt auch von dem Einfluss, den Pitsenbarger auf eine ganze Generation Homosexueller hatte. Der „Liberace von Sandusky“, wie ihn im Film eine Einwohnerin des Ortes nennt, ebnete ihnen den Weg zu einer gesellschaftlichen Emanzipation. 

Doch das sind längst vergangene Zeiten. Von Pats extravaganter Art oder seinen pastellfarbenen und auffälligen Anzügen lässt sich keiner mehr provozieren. Dass er mit seinem „ausgeliehenen“ elektrischen Rollstuhl den Verkehr aufhält, sorgt nur kurzzeitig für Abwechslung. Selbst seine ehemalige Lehrtochter Dee Dee (Jennifer Coolidge), mit der er sich einst zerstritten hatte, nachdem sie einen eigenen Salon eröffnet und ihm die Kundschaft abspenstig gemacht hatte, hat nur noch ein Gefühl des Mitleids für ihn übrig. 

In jeder Geste drückt Kier diese Mischung von Melancholie und Tragik aus, die seiner Figur anhaftet. Sein Pat ist verloren in einer Welt, die ihm nicht mehr gehört, was ihm durch den Tod seiner ehemaligen Kundin endgültig bewusst wird. An „Mister Pat“, wie er sich als Drag-Performer in der, in der Realität existierenden, Schwulenbar „The Universal Fruit and Nut Company“ einst nannte, wird sich kaum mehr jemand erinnern – das macht ihm der selbstbewusste junge Mann am Tresen auf nicht gerade subtile Weise klar. 

Ein „Schwanengesang“ ist ein Abgesang, eine letzte Hymne auf jemanden oder etwas, das dem Niedergang geweiht ist. Der Film begleitet einen Mann auf seiner letzten Reise, die es ihm erlaubt, sein altes Selbstbewusstsein wieder zu finden und wortwörtlich Frieden zu finden, bevor alles vorbei ist. Der Regisseur erweist Pat die letzte Ehre und hat sich selbst in der Figur des Enkels der toten Kundin ein Alter ego geschaffen. 

In Zügen hat das Drehbuch einen leicht kitschigen, rührseligen Einschlag, doch insgesamt zeichnet sich der Film durch eine liebevolle Ironie und einen feinen Humor aus. Kier kommt im Alter zu einer neuen Hauptrolle, die ihn nochmal gebührend zur Geltung bringt. Perfekt sind dafür sein deutscher Akzent im Englischen und die natürliche würdevolle Ausstrahlung. Ein wenig erinnert die Rolle in Swan Song an Kiers Auftritt als Puffmutter in Jean-Claude Schlims House of Boys – man könnte sie fast als Weiterführung davon betrachten.

Hätte Stephens auf die verschiedenen Rückblenden, die keinen besonderen Mehrwert für die Geschichte bieten, verzichtet, hätte das den Film an den richtigen Stellen gekürzt und insgesamt noch eindrücklicher gemacht. Doch der mit wenigen, reduzierten Mitteln produzierte Swan Song überzeugt durch authentisch wirkende Dialoge, eine unauffällige, aber angemessene Bildsprache und sorgfältige Pflege der Einzelheiten.

Swan Song (2021)

Ein alternder Friseur flieht aus seiner Pflegeeinrichtung und begibt sich auf eine Reise durch seine heimatliche Kleinstadt, in deren Verlauf er unter anderem einer Verstorbenen das Haar für ihre Beisetzung richtet. es ist eine Reise, die ihm neuen Lebensmut gibt. 

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