Sue – Eine Frau in New York

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Donnerstag, 21. Oktober 2010, 3sat, 22:55 Uhr

Dass er ein sensibles, treffsicheres Gespür für die Abgründe exzentrischer Frauenfiguren hat, hat der israelische Autor und Regisseur Amos Kollek bereits einige Male unter Beweis gestellt. Sue – Eine Frau in New York aus dem Jahre 1997 bildete seinerzeit den Auftakt zu einer Reihe von Filmen mit der US-amerikanischen Schauspielerin Anna Thomson alias Anna Levine, die allesamt im urbanen Raum von Amos Kolleks temporärer Wahlheimat New York verortet sind und sich mit Fiona (1998), Fast Food, Fast Woman (2000) und Bridget (2002) fortsetzten. Diese Geschichten zwischen kruder bis warmherziger Komik, Melancholie und schwelender Tragik vor dem Szenario der rastlosen Metropole spiegeln die Vereinzelung und Verlorenheit einer Generation erwachsener Frauen wider, die ihren widrigen sozialen Lebensumständen ohne Sicherheitsnetz ausgeliefert sind.
Einst verließ sie voller Ambitionen ihre kleinstädtische Heimat, um im verheißungsvollen New York ein neues, aufregendes Leben zu beginnen: Die aparte Sue (Anna Thomson) ist Ende dreißig und eine charmante, agile Persönlichkeit mit vielfältigen Talenten. Doch nun ist sie bereits eine Weile ohne Job, kann kaum mehr ihre kleine Wohnung in Manhattan finanzieren und vagabundiert mit der Sehnsucht nach Rettung und menschlicher Wärme durch die Territorien der Stadt, auf denen sich die Unsteten und Einsamen tummeln. In einschlägigen Bars, Cafés, Waschsalons, Parks und Straßen begegnet Sue vor allem auch Männern, mit denen sie sich für die flüchtige Illusion von Nähe nahezu wahllos verlustiert. Als sie ihre Wohnung räumen muss und sich in einer billigen Absteige einmietet, ist ihr sozialer Abstieg besiegelt, doch durch die Bekanntschaft mit dem Journalisten Ben (Matthew Powers) eröffnet sich eine Perspektive der Hoffnung für Sue – bis dieser für eine Weile beruflich ins Ausland geht …

Es ist zuvorderst das eindrucksvolle, geradezu hemmungslos engagierte Spiel von Anna Thomson, das diesen Film zu einem ebenso intensiven wie tiefgründigen Stück über eine im Grunde starke Frauenpersönlichkeit geraten lässt, die ihrer materiellen Verarmung und sozialen Isolation mit der verschwenderischen Veräußerung ihres attraktiven Körpers als scheinbar letztem verbleibenden Wert ihrer desolaten Existenz begegnet. Sue – Eine Frau in New York wurde im Rahmen der Internationalen Filmfestspiele Berlin 1998 in der Sektion Panorama gezeigt und dort mit dem FIPRESCI Preis sowie mit jenem der Ökumenischen Jury ausgezeichnet. Es ist eine hervorragende Qualität dieses tragischen Stoffes, dass die überwiegend leise, mitunter aber durchaus verstörende Inszenierung zwar keineswegs auf heitere Untertöne verzichtet, wohl aber auf ein gefälliges, harmonisierendes Ende, auch wenn der verzweifelten, nichtsdestotrotz rührend bezaubernden Sue ein solches zweifellos gegönnt gewesen wäre.

Sue – Eine Frau in New York

Dass er ein sensibles, treffsicheres Gespür für die Abgründe exzentrischer Frauenfiguren hat, hat der israelische Autor und Regisseur Amos Kollek bereits einige Male unter Beweis gestellt.
  • Trailer
  • Bilder

Meinungen

Schröder · 20.10.2011

Das ist ein ansehenswerter Film.