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Kammerspiel in den Weiten des Weltraums: Joe Pennas zweite Langfilmarbeit erzählt von einer Marsmission, die durch einen blinden Passagier an Bord zu einem Ringen ums Überleben wird. Geht dem minimalistisch-bedächtigen Science-Fiction-Beitrag irgendwann die Luft aus?

Stowaway - Blinder Passagier (2021)

Eine Filmkritik von Christopher Diekhaus

Wirklich entbehrlich?

Auf den Überlebenskampf in der Eiswüste folgt der Überlebenskampf im Weltraum. Nachdem der gebürtige Brasilianer Joe Penna in „Arctic“, seinem Spielfilmdebüt als Regisseur, einen von Mads Mikkelsen verkörperten Piloten in ein unwirtliches Setting schleuderte, bringt er nun vier Menschen auf einer laut Plan zweijährigen Marsmission in eine höchst prekäre Lage. Bereits Ende April 2021 erschien seine zweite Arbeit „Stowaway – Blinder Passagier“ weltweit beim Streaming-Dienst Netflix. Im deutschsprachigen Raum ist dem in Kölner und Münchener Studios gedrehten, prominent besetzen Science-Fiction-Kammerspiel dagegen ein Kinostart vergönnt. 

Dass Penna und sein schon an Arctic beteiligter Koautor Ryan Morrison kein Interesse an einem knalligen Spektakel, sondern an einer eher intimen Geschichte haben, wird nach wenigen Minuten deutlich. Unvermittelt werden wir in das Geschehen hineingeworfen und erleben aus dem Inneren des Cockpits den Start des Raumschiffs, dessen dreiköpfige Besatzung die Kolonisierung des roten Planeten vorbereiten soll. Aus nächster Nähe blickt die Kamera auf die erfahrene Kommandantin Marina Barnett (Toni Collette), die junge Ärztin Zoe Levenson (Anna Kendrick) und den Biologen David Kim (Daniel Dae Kim) und fängt jede noch so kleine Regung ein. Bei Zoe und David ist die Anspannung mit Händen zu greifen. Erst recht als ihr Gefährt heftig durchgeschüttelt wird. Anders als in vielen Science-Fiction-Filmen verläuft der Aufbruch hier wenig geschmeidig – und damit realistischer. 

Auch wenn wir nach dem Einstieg den restlichen Teil des Raumschiffes kennenlernen, verstärkt sich das Gefühl, nicht in einem typischen Hochglanzstreifen gelandet zu sein. Das Innere des Flugobjektes erstrahlt keineswegs in einem cleanen, Apple-artigen Design, sondern zeichnet sich durch dunklere Töne und weniger elegante Apparaturen aus. Penna legt Wert auf einen bodenständigen Look, verlangt dem Publikum allerdings noch im ersten Akt die Bereitschaft ab, über einen zentralen, wohl nicht ganz glaubwürdigen inhaltlichen Punkt hinwegzusehen. 

Wie Marina nämlich einige Stunden nach dem erfolgreichen Start entgeistert feststellen muss, befindet sich ein vierter Passagier an Bord. Der Techniker Michael Adams (Shamier Anderson) scheint bei vorbereitenden Arbeiten das Bewusstsein verloren zu haben und kracht nun mit einer Deckenverkleidung zu Boden. Schlimmer noch: Nur wenig später kommt heraus, dass das Versorgungssystem des Shuttles irreparabel beschädigt ist. In der Konsequenz reicht der Sauerstoff auf der Reise zum Mars lediglich für drei Personen. Da eine Rückkehr zur Erde nicht im Bereich des Möglichen liegt, muss die Crew einen anderen Ausweg aus ihrem existenziellen Dilemma finden.

Kann man ausblenden, dass Michaels Anwesenheit vor dem Aufbruch eigentlich irgendjemandem aufgefallen sein müsste, entwickelt Stowaway – Blinder Passagier einen langsamen, aber anregenden Sog. Pausenlose Wendungen und eine rasche Zuspitzung der Ausnahmesituation darf man nicht erwarten. Statt die Thriller-Elemente seiner Handlung voll auszuspielen, konzentriert sich der Regisseur auf die fieberhaften Überlegungen und Diskussionen, die Michaels Auftauchen auslöst. Welchen Preis ist die Besatzung bereit zu zahlen, um auch ihn zu retten? Oder soll man ihn als schwächstes, nicht zur Mission gehörendes Glied opfern, damit die anderen überleben können? Mit diesen schwerwiegenden Fragen konfrontiert der Film seine Figuren und auch das Publikum. 

Ausgerechnet Zoe, die eingangs noch einen etwas überdrehten Eindruck macht, ist sichtlich darum bemüht, bei aller Unsicherheit Ruhe zu bewahren und jede noch so kleine Option in Betracht zu ziehen. Dass auch Marina und David trotz größerer Vorbehalte nicht als skrupellose Egoisten gezeichnet werden, muss man dem Drehbuch hoch anrechnen. Angesichts der Prämisse wäre es schließlich ein Leichtes gewesen, zumindest eine Person in eine grausam-eigensüchtige Richtung zu drängen. Führt die Angst um das eigene Leben irgendwann doch zu einer denkwürdigen Handlung, geschieht dies nicht auf rabiate Weise. Die tiefsitzende Verzweiflung und das Gefühl der Schuld schwingen deutlich mit.

Das lange Zeit auf den begrenzten Raum des Shuttles beschränkte, eine klaustrophobische Stimmung erzeugende Ringen um eine Lösung verlagert sich – das darf man verraten – ab einem gewissen Moment auch nach draußen. Penna zeigt dabei, wie einsam die Protagonist*innen in ihrer Notlage sind und holt aus den optisch ansehnlich umgesetzten Außenbordpassagen einiges an klassischem Nervenkitzel heraus. Weil die Darsteller*innen ihre Rollen mit Leben füllen, drückt man den Crewmitgliedern fleißig die Daumen. Einen Wermutstropfen muss man dennoch verkraften: Das Ende kommt etwas abrupt daher und kann seine intendierte Wucht dadurch nicht ganz entfalten.

Stowaway - Blinder Passagier (2021)

„Stowaway“ handelt von einer zweijährigen Marsmission. Unterwegs stellen die drei Besatzungsmitglieder fest, dass ein blinder Passagier an Bord ist, der beim Start eingeklemmt wurde und sich dabei verletzt hat. Unbeabsichtigt fügt er dem Versorgungssystem des Schiffes einen schweren Schaden zu. Damit nimmt die Mission eine dramatische Wende, denn das Raumschiff verliert nach dem Unfall beständig Sauerstoff. Es ist aber schon zu weit von der Erde entfernt, um zurückkehren zu können. Der Versorgungsengpass führt zu einer Auseinandersetzung zwischen der Bordmedizinerin, dem Biologen und der Space Ship-Kommandeurin. Während die Medizinerin eine waghalsige Rettungsaktion vorschlägt, lassen sich die beiden anderen Besatzungsmitglieder von einer tödlichen Logik leiten. (Quelle: Augenschein Filmproduktion)

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