Still Life

Eine Filmkritik von Katrin Knauth

Eine eindrückliche Schilderung des ländlichen Chinas

Wenn ein Film Still Life heißt, dann ist es kein Wunder, wenn die Kamera in langen, statischen Einstellungen verharrt und die Bilder wie kunstvoll arrangierte Stillleben wirken. Der chinesische Regisseur Jia Zhang-Ke wurde für sein meditatives Werk sogar mit dem Goldenen Löwen bei den 63. Filmfestspielen in Venedig 2006 ausgezeichnet. Sein Film vermittelt einen lebendigen Eindruck vom Provinzalltag Chinas und vom Denken und Handeln der Chinesen fernab vom großstädtischen Glamour.
Es beginnt auf einem Dampfer. Der Bergmann San-ming Han (San-ming Han) reist in die Stadt Fengjie am Drei-Schluchten-Staudamm des Flusses Yangtze. Große Teile der Stadt Fengjie wurden durch die aufgestauten Wassermassen bereits überflutet. Bald soll der Wasserstandspegel weiter erhöht werden und alle Gebäude unterhalb der neuen Wasserstandsmarke abgetragen werden. San-ming Han ist auf der Suche nach seiner Frau, die ihm mit seiner Tochter vor 16 Jahren weggelaufen ist. Doch die Straße, in der sie wohnte, ist längst im Wasser untergegangen. Da er vorerst keine Auskunft über den neuen Aufenthaltsort seiner Frau bekommt, beschließt er in der Stadt zu bleiben und als Abrißarbeiter seine Zeit zu vertreiben. Zufällig gelangt er an seinen Schwager, der ihm unwillig mitteilt, dass sich seine Frau irgendwann in den nächsten Monaten mal wieder in Fengjie blicken ließe.

Zur gleichen Zeit kommt die Krankenschwester Shen-hong Guo (Tao Zha) in die Stadt, ebenfalls auf der Suche nach ihrem Ehemann, der sich vor zwei Jahren für einen Job als Verkaufsleiter nach Fengjie begeben und nie wieder bei ihr gemeldet hat. Zunächst sucht sie den Industriebetrieb ihres Mannes auf, doch der ist längst stillgelegt. Dann wendet sie sich an einen alten Kumpel ihres Mannes, der als Archäologe arbeitet. Von ihm erfährt sie, dass ihr Mann inzwischen in leitender Stellung für die Abriss-Behörde arbeitet. Als sie schließlich ihren Gatten wiedertrifft, könnte die Begegnung fremder nicht sein. Shen-hong Guo läuft weg und reicht die Scheidung ein.

Still Life / Sanxia Haoren erzählt am Beispiel zweier Menschen, welche Folgen das umstrittene Drei-Schluchten-Staudamm-Projekt für die dort lebenden Bewohner hat. Der Eingriff in die Natur ist eng verwoben mit dem Schicksal einzelner Personen, ihren Empfindungen und Veränderungen. Der Film ist ein ebenso kritisches wie poetisches Kinoerlebnis. Visuell berückt Still Life / Sanxia Haoren durch die von dem Hongkonger Kameramann Lik-wai Yu kunstvoll kadrierte, malerische Bildgestaltung. Totalen von Industrie-Ruinen, Natur- und Trümmerlandschaften wechseln mit stimmungsvollen Nahaufnahmen von Menschen beim Gespräch, bei der Arbeit oder in der Freizeit.

Der chinesische Regisseur Jia Zhang-Ke war mit seinen bisherigen Werken auf vielen wichtigen Filmfestivals der Welt vertreten und wurde bereits mehrfach ausgezeichnet. Still Life / Sanxia Haoren ist der erste Film von ihm, der in die deutschen Kinos gebracht wird. Jia Zhang-Ke entwickelt seine Geschichten aus dem Alltag seiner Landsleute. „Ich schildere die Probleme der einfachen Leute in China“, beschreibt er seine Regiearbeit. „Ich will ihnen eine Stimme verleihen, und auch weiterhin solche Filme machen.“ In Unknown Pleasures (2002) porträtierte er hoffnungslose Jugendliche, in Platform (2000) eine Amateurtheatertruppe und in The World (2004) Angestellte eines Freizeitparks.

Still Life / Sanxia Haoren zeigt das realistische, provinzielle China fernab der modernen, westlichen, sich im Aufschwung befindenden Großstädte an der Ostküste. Der Film ist ein absolutes Muss für alle China-Fans und ein eine bewegende Meditation über das Schicksal der vom Staudamm-Projekt betroffenen Menschen.

Still Life

Wenn ein Film Still Life heißt, dann ist es kein Wunder, wenn die Kamera in langen, statischen Einstellungen verharrt und die Bilder wie kunstvoll arrangierte Stillleben wirken.
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