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Nachdem Rey (Daisy Ridley) endlich die große Legende Luke Skywalker (Mark Hamill) wiedergefunden hat, sollte doch alles gut sein, oder?

Star Wars: Die letzten Jedi (2017)

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Die Macht im Inneren

Wir erinnern uns: Finn (John Boyega ) ist im Koma, Rey (Daisy Ridley) ist in einer Galaxie weit, weit entfernt. Dort sucht und findet sie die große Jedi-Legende Luke Skywalker (Mark Hamill), während dessen Schwester, Commander Leia Organa (Carrie Fisher) die letzten Reste der Rebellion zusammenhält, die sich gegen Snoke (Andy Serkis), seinen Sith-Praktikanten Kylo Ren (Adam Driver) und die Erste Ordnung eher schlecht als recht behauptet.

Genau hier steigt Star Wars: Die letzten Jedi ordnungsgemäß linear ein und soll zwei Dinge fortsetzen. Zum einen natürlich die Handlung, zum anderen aber auch den Lauf der neuen Star Wars.Filme unter den Fittichen von Disney, J.J. Abrams und Rian Johnson als Regisseur. Auf deren Schultern liegt zum einen eine mächtig nostalgische Last, denn die Fanboys und -girls von damals sind jetzt auch noch ZuschauerInnen und viele von ihnen bringen nun die nächste Generation, ihre Kinder. Und zum anderen steckt hierin auch die Krux ihrer Aufgabe, denn die junge Generation mit ihren ganz eigenen Sehgewohnheiten soll auch gut bedient werden.

Ein großer Balanceakt, nicht nur zwischen Nostalgie und Innovation, sondern auch im Sinne des Genres, muss hier doch der Fantasy- und Sci-Fi-Film der 1980er Jahre in seinem einfachen, romantischen Kern erhalten bleiben und gleichsam modernisiert werden. Star Wars: Die letzten Jedi gelingt dies vor allem über eine elegante und gleichsam konsequente Übertragung alter Ideen in ein neues Jahrtausend. Auszumachen ist dies an den einzelnen Menschen und Gesellschaften, die dieses Universum bevölkern, die stetig, aber subtil umgewälzt und erneuert werden. So ist die große Legende Skywalker, der man im vorherigen Teil noch nostalgisch entgegensteuert, in diesem alles andere als legendär. Denn unter all der Jedi-Poetik steckt noch immer ein Mensch. Ein Mensch, der Fehler gemacht hat und sie noch immer macht. Ein Mensch, der die Macht zwar verstehen und benutzen kann, sich ihrer Kehrseite und ihren Missbräuchen aber nicht entziehen kann. Skywalker, so stellt Rey bald fest, ist nicht nur alt geworden, sondern von all den Dingen, die er gesehen hat, auch gebrochen. Er weilt nicht auf einem versteckten Planeten, um dort ein Geheimnis zu bewahren, er versteckt sich. Die Hoffnung, neben der „Macht“ die wohl wichtigste Idee, die alle Star Wars-Filme durchdringt, hat ihn verlassen.

Ähnlich ambivalent sind auch die anderen Hauptfiguren aufgebaut. Rey ist nicht nur die rotbäckige neue Jedi-Schülerin. Auch sie hat Bedürfnisse und Verletzungen, die sie anfällig machen für die Verführungen der Macht. Weiterhin zaudernd ist auch Kylo Ren, der plötzlich eine direkte Gedankenverbindung mit Rey hat – eine Verbindung, die beide in große moralische Bedrängnis bringt. Einziger Hort für den ungebrochenen Glauben an Hoffnung und Gerechtigkeit ist Commander Organa, doch auch sie leidet unter den riesigen Verlusten, den Toten, die für die Rebellion gestorben sind und ihr im Nacken stehen, sie immer begleiten. 

Kurzum: Die in den alten Filmen so geläufige einfache Einteilung in dunkel und hell, gut und böse, Sith und Jedi ist bedeutend komplexer geworden und katapultiert das Star Wars-Universum damit eindeutig aus den alten Genrestrukturen heraus. Ebenso runderneuert sind die sichtbaren Gesellschaften. Hier sind es drei: die weiterhin machinoide, faschistisch-unmenschliche Gesellschaft der Ersten Ordnung, die keinerlei Individualität oder Abweichung erlaubt; die völlig gegensätzliche Gruppe der Rebellen, die inzwischen das mit Abstand diverseste und gemischteste Ensemble der kontemporären Filmgeschichte versammelt; und eine Parallelgesellschaft der Hyperreichen. Eine vereinfachte, aber akkurate Abbildung spätkapitalistischer Strukturen also, in der Faschismus, Fanatismus und Krieg für Geld nicht nur unterstützt, sondern gar kreiert werden, und große Teile der Bevölkerung etwas sind, das man nur als „das Andere“ bezeichnen kann. Daher ist es konsequent, dass die Rebellion von einer gemischten Gruppe aus Aliens und Menschen geleitet wird, die auch unter den Menschen endlich echte Diversität zeigt. Hier kämpfen alle Ethnizitäten und Gender zusammen, gebunden zumeist durch ihre Klassenzugehörigkeit, auch wenn sie noch immer von einer echten Prinzessin angeleitet werden. Spannend auch, dass hier, im Gegensatz zur „bösen Seite“, die Frauen eine überaus große Rolle spielen. Es sind die weisen, alten Frauen, die im Herzen der Rebellion arbeiten, es sind die jungen Frauen, die hier für Gerechtigkeit und Menschlichkeit kämpfen – und die damit einen Teil der sagenumwobenen Macht nutzen, denn sie verstehen, worum es in diesem epischen Kampf wirklich geht. 

Es ist noch immer die Idee der „Macht“, die Star Wars durchzieht, wie eine Religion, zu der viele ZuschauerInnen quasi beten, an der sie hängen, mit der sie sich verbünden und von der sie fantasieren. Und hier passiert in Star Wars: Die letzten Jedi etwas Außergewöhnliches. Der Film gibt sich große Mühe zu erklären, was die wahre Macht ist. Sie ist nicht das Manipulieren von Lebewesen, das Bewegen von Dingen mit Gedanken. Sie ist auch nicht das Gewinnen des Krieges mit allen Mitteln. Die Macht ist zu verstehen, dass alles mit allem verbunden ist und dass es Empathie benötigt, um jemals Balance und Frieden herzustellen. So eine eindeutige Abkehr von der Macht-Idee, wie sie in den Episoden I bis VI immer wieder propagiert wurde, gab es noch nie. 

Doch keine Sorge, Star Wars: Die letzten Jedi vergisst nicht seine Zugehörigkeit. All diese Neuerungen sind gut eingebettet in bekannte Ideen und Muster, Welten und Figuren, denen große Treue geschworen und eingehalten wurde. Man spürt den großen Respekt vor den Figuren wie Skywalker, Organa und Co. in jeder Minute, und das ist auch gut so, sind doch viele Herzen mit ihnen verbunden, die noch immer an Han Solos Tod zu knabbern haben. Im Gegensatz zum vorigen Teil ist dieser sogar bedeutend leichter und kommt mit einem spitzfindigen Humor daher, der oftmals überrascht, ab und an sogar selbstironischer Natur ist, aber – den Sternen sei Dank – nicht in den Slapstick von Guardians of the Galaxy abdriftet, die hier nicht angebracht wäre. Da nimmt man auch die Längen bin, die hier und da entstehen, und die Nebenhandlungen, die unnötig erscheinen. Ein kleines Porg kann da schon viel weiterhelfen. Für große LiebhaberInnen von Star Wars wird dies ohnehin kein Problem sein, immerhin lässt die epische Länge auch viel Raum, um ein warmes Nostalgie-Bad im Star Wars-Universum zu nehmen, bei dem man, und das ist die wahre Kunst dieses Films, noch viel dazu lernen kann und zusammen mit der Geschichte selbst sanft ins neue Jahrtausend getragen wird. 

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