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Die russische Straßenhündin Laika war bekanntlich das erste Wesen im All. In ihrem formal wie konzeptionell faszinierenden Dokumentarfilm „Space Dogs“ suchen Elsa Kremser und Levin Peter deren Brüder und Schwestern in den Straßen von Moskau auf.

Space Dogs (2019)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Auf Laikas Spuren

Den Namen von Laika kennt vor allem in Russland buchstäblich jedes Kind. Die Straßenhündin aus Moskau, die am 3. November 1957 als erstes Lebewesen an Bord von Sputnik 2 ins All geschossen wurde, ist für einen kurzen Moment ihrer Existenz zu einer Heldin der Sowjetunion geworden. Ihr Schicksal hingegen ist eines, das trotz des Heldenstatus kaum jemanden interessiert: Weil die Raumkapsel damals nicht zur Erde zurückkehren konnte, trieb sie mit der da längst gestorbenen Hündin monatelang durchs All, bevor sie und mit ihr der Leichnam von Laika beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre verglühte. Seit diesem Moment, so erzählt die Erzählerstimme zu Beginn von Elsa Kremsers und Levin Peters faszinierendem Film „Space Dogs“, bewege sich der Geist von Laika durch die Straßen Moskaus und habe von allen Straßenhunden der russischen Hauptstadt mehr oder weniger Besitz ergriffen.

Exemplarisch für all die Hunde, die sich auf Moskaus vor allem nächtlichen Straßen tummeln, folgt der Film zwei Exemplaren, die namenlos bleiben. Stets auf Augenhöhen und mit bewundernswerter Fähigkeit, die Wege des Streunens und die Orte des Verweilens im Bild festzuhalten, folgt Space Dogs den beiden Hunden auf ihrer Suche nach Verwertbarem und Schlafstellen und sie wirken dabei so, wie man sich gelegentlich in Katastrophenfilmen Überlebende nach einer gewaltigen Naturkatastrophe vorstellt — wobei ihnen allerdings jede Verzweiflung abgeht. Weil sie schon viel länger — vielleicht sogar seit Anbeginn der Zeiten — auf sich selbst gestellt sind (zumindest in der nicht-domestizierten Ausprägung), sind sie wahre Überlebenskünstler, die mit beeindruckender Gelassenheit diese ihnen eigentlich feindlich gesinnte Welt durchstreifen und die dabei wirken, als seien sie die wahren Herrscher der Welt.

Über weite Strecken wirkt Space Dogs wie ein bildhaftes Exempel für die prognostizierte posthumanistsische Gesellschaft, wie sie von Denkerinnen wie Donna Haraway, Rosi Braidotti und Karen Barad skizziert wurde. Nachdem der Mensch und mit ihm das Anthropozän ausgedient haben, beginnt eine Ära des gleichberechtigten Existierens des Menschen und aller andere Arten auf dem Planeten Erde, eine mehr oder minder friedliche Koexistenz der Arten, in der sich das barbarische Verhalten der Bestie Mensch nicht rächt — zumindest nicht seitens der Fauna.

Und so ist es nur konsequent, dass der Mensch in Space Dogs vor allem in zwei Formen in Erscheinung tritt: Als kalter Wissenschaftler und Folterknecht in der Vergangenheit und als Passant in der Gegenwart, der Laikas Nachfahren respektiert und in manchen Moment eher so wirkt, als sei er eine Tierart, der wir und die Hunde beiläufig beim Herumwuseln zuschauen. Andererseits macht Space Dogs aber auch aus den Instinkten keinen Hehl: Auf der Suche nach Nahrung reißen die beiden Hunde eine Katze und versuchen sie zu fressen. Dass diese Szene schwer auszuhalten ist, sagt aber womöglich mehr über die Spezies Mensch aus, die sonst im Kino sich an massenhafter Gewalt ergötzt, das Töten einer Katze aber als Tabubruch versteht und darauf mit Abscheu und Ekel reagiert

Space Dogs ist zweifelsohne ein Gesamtkunstwerk und eher Thesen- als Dokumentarfilm. Die ausgeklügelte und sehr faszinierende Kameraarbeit (Yunus Roy Imer), die sich mittels ausgeklügelter Stabilisierungssysteme stets auf Augenhöhe mit den Hunden befinden und mit ihnen gemeinsam die nächtlichen Straßen von Moskau erkundet, die scheinbar mühelose Anpassung an die erratischen Wege der Tiere sowie deren freundlich-desinteressiertes Verhalten an ihren menschlichen Begleitern lassen auf monatelange Vorarbeiten und einen Prozess der Gewöhnung schließen. Die Einbindung in Laikas Geschichte und all die Legenden und Mythen, die sich um sie ranken, in die Heldenerzählungen von der Eroberung des Weltraums und deren unbesungene (tierische) Opfer formt eine Gedanken- und Bilderwelt, die hinter dem eigentlich Gezeigten einen universellen Blick auf das Verhältnis zwischen Mensch und Tier durchscheinen lässt. Der pointierte Einsatz von Musik, das gelungene Wechselspiel zwischen Vergangenem in Form von Archivmaterial und Gegenwärtigem sowie Alexey Serebryakov, der als eine Art Gottwesen oder allwissender Erzähler das erzählerische Grundgerüst dieses Filmes bildet, erschafft ein eigenartiges Zwischenreich zwischen den Zeiten, das sich an vielen Stellen anfühlt wie ein Vorgriff auf jene nahe Zukunft, in der der Mensch nicht mehr das Zentrum der Welt ist, sondern vielmehr eine Art unter vielen anderen. 

The dogs are coming! And thank god they’re friendly.

Space Dogs (2019)

Laika, ein Strassenhund, war das erste Lebewesen, das in den Weltraum und damit in den sicheren Tod geschickt wurde. Man sagt, sie sei als Geist zur Erde zurückgekehrt und streune wieder durch Moskau.

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Meinungen

Jessica · 07.01.2023

😭Bin noch immer fassungslos, traurig und schockiert zugleich was der Mensch schon damals hilflosen Tieren für die Wissenschaft angetan hat. Und es ist überhaupt noch sehr schlimm das Hunde sowie auch Katzen in der heutigen Zeit so ein trauriges Leben auf der Straße verbringen
müssen. Auch wir haben einen Straßenhund aus Rumänien aufgenommen, leider ist er nur einer von vielen, denn es werden immer noch viele Straßenhunde in Tötungsstationen getötet!😟 Sein Wesen ist komplett anders als das seiner vier Vorgänger, es ist auch unser erster Hund von der Straße, er hat auch so eine wilde Seite an sich... das ich durch den Film jetzt besser verstehen kann... zum Glück kommt er mittlerweile mit unseren Katzen gut klar...🙈😅 es hat uns allerdings auch viel Geduld und Nerven gekostet aber dafür lieben 🥰 wir ihn 🐶... und ich würde auch immer wieder einen Hund von der Straße aufnehmen um ihm ein besseres Leben zu bieten! Vielleicht öffnet dieser Film jetzt manchen Menschen die Augen um auf das Leid vieler Tiere noch mehr aufmerksam zu machen, denen es leider nicht so gut geht, damit die Welt 🌎 vielleicht eines Tages ein bisschen besser wird!🙏😢

Knops Renate · 29.12.2022

Traurig zu erfahren wie rücksichtslos und unsensibel der Mensch mit den Tieren umgeht.

Linda LéPold de Ayveira · 23.12.2022

herzzerreissend,:(... wie grausam & herzlosohne jedes Gewissen , dass diese aermste kleine huendin missbraucht auf uebelste art und weise unter aller augen und aller gewissen von den tierquaelern ihr das angetan wurde!!! ich hoffe, alle ihre Moerder schmoren fuer immer im fegefeuer fuer diesen langsamsen furcgbaren paniktod voller endloser panik und agony, was fuer ein schandhaftes verbrechen an diesem kleinen wesen , es so zu foltern und so zu ermorden in grausamster agony! Mein herz bricht und es reint sich ein in die spitze der bestie namens MENSCH ! ich bete fuer diese arme kleine huendin und hoffe, all ihre peiniger fnden nie ihren frieden und ohne seele leiden in der hoelle ! Bete fuer die kleine huendin in freden imLande desregenbogens forever, deine moerde megen nie mals frieden finden

Kerstin · 01.10.2020

Klasse Film, sehr aktuell in dieser Zeit für denken und fühlen. Genau getroffen „Vorgriff auf jene nahe Zukunft, in der der Mensch nicht mehr das Zentrum der Welt ist, sondern vielmehr eine Art unter vielen anderen.“

Barbara · 17.01.2020

naja, ich glaube - und hoffe - dass sich nicht so sehr viele Menschen an der realen Darstellung von Gewalt und Töten im Film ergötzen, sondern auch bei Menschen, und nicht nur bei Tieren, mit Ekel und Abscheu reagieren würden. Es gibt halt einen Unterschied zwischen Fiktion und Dokumentation.

Name · 19.09.2019

Hallo!
Ich würde wahnsinnig gerne wissen, wann "Space Dogs" denn Kinostart haben wird..
Dazu habe ich bislang leider keine Information finden können....

Vielen Dank vorab!