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Der von Adam Mason inszenierte und von Michael Bay produzierte „Songbird“ gilt als erster großer Corona-Film aus Hollywood – und ist in jeder Hinsicht ein gewaltiges Ärgernis.

Songbird (2020)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Testergebnis: Durch und durch negativ

Der Thriller „Contagion“ (2011) von Steven Soderbergh hat seit Beginn der COVID-19-Pandemie eine völlig neue Wirksamkeit entwickelt. Was für uns als Zuschauer_innen damals irgendwie faszinierend und diffus-bedrohlich anmutete, ist inzwischen von erschreckender Realität. Denn wie der Film das Verhalten von Menschen im Angesicht einer Pandemie bereits vor zehn Jahren einfing, hat sich in mancher Hinsicht als äußerst treffend erwiesen. Auch andere Werke, etwa „Perfect Sense“ (2011) von David Mackenzie, hatten in etlichen Details ihrer Plots und Bilder ein sehr prägnantes Gespür für das, was mit uns in einer solchen Ausnahmesituation passieren kann – sowohl innerlich als auch äußerlich.

Und nun kommt Songbird, der nicht nur als erster Film gilt, der nach dem ersten harten Lockdown in Los Angeles realisiert wurde, sondern auch als erste große Hollywood-Produktion, die das Coronavirus thematisiert. Zu den Produzenten zählt Actionprofi Michael Bay. Gedreht wurde Songbird unter denkbar schweren Bedingungen und innerhalb weniger Wochen. Man kann es der von Adam Mason in Szene gesetzten Dystopie deshalb vielleicht verzeihen, dass sie – ehrlich gesagt – ziemlich hässlich aussieht. Improvisiert gemachte Filme können ihre ganz eigene Schönheit entfalten; dieser tut es allerdings nicht, zu keinem Zeitpunkt. Vielmehr nimmt er sich, trotz einer durchaus namhaften Besetzung, wie ein schäbiges B-Movie ohne künstlerische Ambition aus.

Doch die wenig ansprechenden Aufnahmen sind nicht das Schlimmste an Songbird. Auch nicht die durchweg schwachen Schauspielleistungen, die zwischen der Ausdruckslosigkeit von Demi Moore und dem Chargieren von Bradley Whitford und Peter Stormare eigentlich alles abdecken, was in einem Film, der spannend sein und ernst genommen werden möchte, unbedingt zu vermeiden wäre. Nein, das mit Abstand Schlimmste an Songbird ist das Drehbuch. Denn das strickt aus der ohnehin fragwürdigen Idee, eine noch immer anhaltende, weltweite Krise für schnell produzierte Genreware zu nutzen, eine Geschichte, der es an allen Ecken und Enden an innerer Logik fehlt. Obendrein tappt das von Adam Mason und Simon Boyes verfasste Skript in ein paar der größten Fallen, die sich in diesem Kontext vorstellen lassen.

Der Film schickt uns ins Jahr 2024. Das Virus ist mutiert, viele Millionen Menschen sind gestorben, die Bevölkerung von L.A. befindet sich im Dauer-Lockdown. Alle Personen in häuslicher Quarantäne müssen sich per Handy-App einem täglichen Viren-Check unterziehen. Infizierte werden von der Behörde für Hygieneschutz umgehend mit bewaffneten Wachen abgeholt und in die sogenannte Q-Zone gebracht, aus der es kein Entkommen mehr zu geben scheint. Und … das genügt an Inhaltsangabe vermutlich schon, um zu erkennen, dass Songbird in erster Linie darauf aus ist, möglichst reißerisch mit momentanen Ängsten zu spielen, und es dabei offensichtlich in Kauf zu nehmen scheint, sich in die tiefsten Gefilde der Verschwörungstheorien zu begeben. Es ist gewiss eine Kunst, etwa des Horror- oder des Katastrophenfilmgenres, die Furcht des Publikums einzusetzen, um Spannung zu erzeugen. In einer Zeit wie dieser einfach nur ein krudes, löchriges Szenario zu skizzieren, ohne auch nur im Geringsten an einer näheren Ausarbeitung interessiert zu sein, ist hingegen schlichtweg billig. Wir werden – Achtung, Spoiler! – niemals sehen, was in der Q-Zone genau geschieht. Wir erfahren auch nicht, weshalb der Hygieneschutzbeauftragte Emmett Harland (Peter Stormare) so eine garstige, korrupte Person ist. Er ist es einfach.

Was wir (leider) stattdessen sehen, ist eine uninspirierte Romanze zwischen dem Kurierfahrer Nico (KJ Apa) und der komplett eigenschaftslosen Sara (Sofia Carson). Sie lieben sich – man sollte bitte nicht fragen, wieso. Sie wollen die Stadt verlassen. Und als Saras Großmutter Lita (Elpidia Carrillo) erkrankt, wird es dringend. Nico gehört zu den sogenannten „Immunis“; er trägt ein gelbes Armband, das als Immunitätspass dient – und ein solches will er nun auch für Sara und Lita besorgen. Helfen soll ihm dabei das reiche Ehepaar William und Piper Griffin (Bradley Whitford und Demi Moore), das Schwarzmarkt-Immunitätspässe herstellt. „Scheiß auf die Regeln, lass uns verschwinden!“, exklamiert Nico an einer Stelle. Quarantänebruch als romantische Heldentat, um den sinistren regierenden Kräften zu entkommen. Das hat alles einen derart zweifelhaften Vibe, ist alles so wenig durchdacht und in allen Gewerken so unfassbar schlecht, dass man wirklich nur sagen kann: Egal, wie zermürbend der Alltag im Lockdown gerade ist – es wird sich gewiss immer eine bessere Ablenkung finden als die Sichtung von Songbird.

Songbird (2020)

Der Thriller spielt zwei Jahre in der Zukunft, in welcher das Coronavirus nicht verschwunden, sondern mutiert ist, und ist nicht in den Griff zu bekommen. Michael Bay fungiert als Produzent.

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Meinungen

Stephan · 15.05.2021

Eine völlig überzogene Kritik. Songbird ist ein durchaus couragierter Film, der genau die ganze Schikane des perversen Lockdown-Systems reflektiert.Es nimmt auch ein gutes Ende, denn der korrupte Typ der Gesundheitsbehörde bekommt seine gerechte Strafe!