Song for Marion

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Zum Singen ist man nie zu alt

Der mürrische Rentner Arthur (Terence Stamp) hat nur einen Grund, morgens aufzustehen: seine geliebte Frau Marion (Vanessa Redgrave). Aber die krebskranke Frau wird bald sterben. Weil sie eine begeisterte Sängerin ist, bringt er sie in ihrem Rollstuhl regelmäßig zu den Chorproben im Gemeindezentrum. Er missbilligt dieses Vergnügen, wie jedes andere auch, und dass Marion den Chor zu einem Wettbewerb begleiten will, erst recht. Das Programm, das die junge Chorleiterin Elizabeth (Gemma Arterton) zusammenstellt, findet Arthur nur peinlich. Die Rentner schwingen die Hüften und wedeln mit den Armen zu einem Repertoire bekannter Rock-, Pop- und Rapsongs. Bei einem öffentlichen Auftritt, mit dem sich der Chor für den Wettbewerb qualifizieren will, verwandelt Marion ihr Solo in eine Liebeserklärung an ihren Mann, der tief gerührt ist. Nach ihrem Tod spielt der von Trauer und Schuldgefühlen geplagte Arthur mit dem Gedanken, dem Beispiel Marions zu folgen und mehr aus sich herauszugehen. Er kann ja auch singen, aber soll er sich wirklich trauen?
Der britische Regisseur und Drehbuchautor Paul Andrew Williams siedelt sein zartes Drama über eine alte Liebe, das Abschiednehmen und einen späten Neuanfang mit Hilfe der Musik in der englischen Arbeiterklasse an. Als Inspirationsquelle diente ihm die langjährige liebevolle Beziehung seiner Großeltern, aber auch die Beobachtung, dass die Männer dieser Generation und dieses Milieus ihren Gefühlshaushalt oft in ein starres Korsett pressen. Arthur und Marion wohnen in einem schmucklosen Häuschen in einer Vorortsiedlung, wo sich der Rentner rührend um seine Frau kümmert. Aber es dauert lange, bis auch mal ein Lächeln über sein meistens verärgertes Gesicht huscht.

Mit den Themen alte Menschen und Singen (im Chor) liegt Song for Marion gleich zweifach im Trend. Jüngstes Beispiel ist Dustin Hoffmans spätes Regiedebüt Quartett, das in einem Altenheim für Opernsänger spielt. Williams fand für den Rentnerchor in seinem Film ein reales Vorbild, das Popballaden und jazzige Stücke vorträgt. Heutzutage gibt es ja schon Senioren, die in ihrer Blütezeit die Hits hörten, die man weiterhin mit Jungsein assoziiert. Wenn der Chor aber frisch und fröhlich „Let’s talk about sex“ intoniert, wird nicht nur Arthurs Vorstellung vom korrekten Altsein attackiert. Auch die Verblüffung darüber, was alte Stimmen der Popmusik geben können, ist groß, wenn Marion und später Arthur ihre Solos singen: Ihre Interpretationen zweier geläufiger Songs klingen so viel mehr nach gelebtem Leben, nach Wahrhaftigkeit, dass die Lieder eine neue Qualität erhalten. Das Wagnis, das Vanessa Redgrave und Terence Stamp eingehen, wenn sie so ungeschützt und emotional singen, führt den Film zu seinen Höhepunkten.

Song for Marion ist kein großes Drama, weil sich der Film nicht recht entscheiden kann, ob es ihm mehr um Tod und Trauer, das Porträt eines echten Spätentwicklers oder die heilsame Wirkung des Gesangs geht. So kommt bei Arthurs Wandel zum drahtig-fröhlichen Kerl der behauptete innere Kampf zu kurz. Andere Aspekte werden angerissen, aber nicht vertieft, wie die konflikthafte Beziehung Arthurs zu seinem Sohn James (Christopher Eccleston), oder seine ebenfalls holprige Freundschaft mit Elizabeth. Aber der Film bietet mit schön beobachteten Einzelheiten und dem zärtlichen Blick auf Arthur Vergnügen im Kleinen. Die ohnehin starke Ausdruckskraft Terence Stamps profitiert von der ruppigen Schlagfertigkeit seiner Figur. Arthur kann vieles sein, unkultiviert und sensibel, und gerade diese lebhafte Mischung lässt ihn authentisch wirken.

Song for Marion

Der mürrische Rentner Arthur (Terence Stamp) hat nur einen Grund, morgens aufzustehen: seine geliebte Frau Marion (Vanessa Redgrave). Aber die krebskranke Frau wird bald sterben. Weil sie eine begeisterte Sängerin ist, bringt er sie in ihrem Rollstuhl regelmäßig zu den Chorproben im Gemeindezentrum. Er missbilligt dieses Vergnügen, wie jedes andere auch, und dass Marion den Chor zu einem Wettbewerb begleiten will, erst recht. Das Programm, das die junge Chorleiterin Elizabeth (Gemma Arterton) zusammenstellt, findet Arthur nur peinlich.
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