Sin City: A Dame to Kill For (2014)

Eine Filmkritik von Christopher Diekhaus

Im Klammergriff der Sündenstadt

Style over substance – auf diese Formel lässt sich die Comic-Adaption Sin City herunterbrechen, die das Kinopublikum 2005 mit durchaus beachtlichem Erfolg in eine düster-brutale Welt voller Verlierer, Perverser und Krimineller entführte. An einen fiktiven Ort, der eins zu eins aus Frank Millers schwarz-weiß gehaltenen Vorlagen auf die Leinwand übertragen wurde. Das Werk konnte sich, im wahrsten Sinne des Wortes, sehen lassen, kam erzählerisch aber nicht über Allgemeinplätze und Klischeevorstellungen (mit Blick auf das Frauenbild manchmal sogar recht fragwürdige) hinaus. Daran ändert sich auch in der von Fans herbeigesehnten Fortsetzung nichts, die sage und schreibe neun Jahre auf sich warten ließ.

Anders als Teil eins basiert Sin City 2: A Dame to Kill For nicht ausschließlich auf existierenden Comic-Büchern. Zwei der vier ineinander verschlungenen, nicht chronologisch angeordneten Episoden verfasste Miller exklusiv für den Film, um die Zuschauer stellenweise überraschen zu können. Alte Bekannte wie Marv (Mickey Rourke), der im Vorgänger auf dem elektrischen Stuhl sein Ende fand, tauchen erneut auf, da die Geschichten nicht nur nach den Ereignissen des ersten Teils spielen, sondern stellenweise auch davor.

Eröffnet wird das abgründige Treiben mit einem relativ kurzen Strang, in dessen Verlauf der gewaltbereite, aber moralisch integre Marv zu rekonstruieren versucht, warum er Jagd auf eine Gruppe verwöhnter Jugendlicher gemacht hat. Ein neues Gesicht im Sin-City-Universum präsentiert die zweite Episode, die vom selbstsicheren Draufgänger Johnny (Joseph Gordon-Levitt) handelt. Einem scheinbar unbezwingbaren Spieler, der sich beim Poker ausgerechnet mit dem größten Dreckschwein der Stadt messen will: dem sadistischen Senator Roark (Powers Boothe). Ein schlimmer Fehler, wie der junge Mann schon bald erkennen muss. Der Privatermittler Dwight McCarthy (Josh Brolin ersetzt Clive Owen) wiederum erhält überraschend einen Anruf seiner früheren Geliebten Ava Lord (Eva Green), die aus den Fängen ihres reichen Ehemannes Damien (Marton Csokas) und ihres furchteinflößenden Bewachers Manute (Dennis Haysbert ersetzt den verstorbenen Michael Clarke Duncan) befreit werden will. Für die hübsche Nachtclubtänzerin Nancy Callahan (Jessica Alba) kommt praktisch jede Hilfe zu spät. Seit der aufrechte Cop John Hartigan (Bruce Willis) Selbstmord begangen hat, um sie zu schützen (am Ende von Sin City), wird die junge Frau von Wut und Trauer zerfressen. Kein Wunder also, dass sie eines Tages beschließt, den Tod ihres Retters zu rächen.

Sexuelle Lust, Gier und Vergeltung – einmal mehr sind es diese starken Gefühlswallungen, die den Film bestimmen und als ultimatives Film-Noir-Erlebnis kennzeichnen. Alles, was die Schwarze Serie ausmacht, findet sich in Millers Comics bzw. deren Leinwandversionen wieder. Zusammengedampft auf die pure Essenz, weshalb die einzelnen Handlungsabschnitte jederzeit vorhersehbar bleiben. Natürlich muss sich der großspurige Johnny die Finger an Roark verbrennen. Und selbstverständlich treibt die unwiderstehliche Ava mit Dwight ein doppeltes Spiel. Nichts ist wirklich überraschend. Oder originell. Der Grundton dafür aber konsequent pessimistisch. Was dem Werk dann doch wieder eine erstaunliche Eigenwilligkeit verleiht. Kompromisse gibt es nicht. Im Gegenteil, alle Figuren werden von der sündhaften Stadt infiziert. Besser gesagt: Zu Grunde gerichtet, wie es Nancy an einer Stelle sinngemäß formuliert. Für ein Massenpublikum taugt Sin City 2 trotz eines erneut beachtlichen Star-Auflaufs eher nicht, da sich der Film allzu entschieden klassischen Erzählabsichten widersetzt. Auch wenn die Geschichten von ganz großen Gefühlen und grausamen Leidenswegen handeln, lässt einen das Schicksal der Protagonisten letztlich erstaunlich kalt.

Umso beeindruckender ist wieder einmal die surreale Schwarzweiß-Ästhetik, die das Geschehen auf der Leinwand wie einen gewaltigen Comic erscheinen lässt. Seit Teil eins ist man mit der monochromen Optik vertraut, erliegt aber nach wie vor dem Charme der kunstvoll gestalteten Bilder, die das Regie-Duo Robert Rodriguez und Frank Miller mit Schattenspielen und spärlich gesetzten Farbtupfern gezielt aufwertet. Vor den Augen des Publikums eröffnet sich so eine Welt, in der man sich wahrlich verlieren kann. Ähnlich berauschend sind auch die schauspielerischen Darbietungen von Neuzugang Eva Green als lasziv-bedrohliche Femme fatale und Powers Boothe in der Rolle des grausam-durchtriebenen Machtmenschen, der hier etwas mehr Aktionsraum bekommt als noch 2005.

Ob man Sin City 2: A Dame to Kill For nun genial oder daneben findet, dürfte sich einmal mehr an der persönlichen Haltung zum Prinzip „style over substance“ entscheiden. Manche Kinogänger können sehr gut damit leben. Andere eher nicht.
 

Sin City: A Dame to Kill For (2014)

Style over substance – auf diese Formel lässt sich die Comic-Adaption „Sin City“ herunterbrechen, die das Kinopublikum 2005 mit durchaus beachtlichem Erfolg in eine düster-brutale Welt voller Verlierer, Perverser und Krimineller entführte. An einen fiktiven Ort, der eins zu eins aus Frank Millers schwarz-weiß gehaltenen Vorlagen auf die Leinwand übertragen wurde. Das Werk konnte sich, im wahrsten Sinne des Wortes, sehen lassen, kam erzählerisch aber nicht über Allgemeinplätze und Klischeevorstellungen (mit Blick auf das Frauenbild manchmal sogar recht fragwürdige) hinaus.

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