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Galerien, die nicht interessiert sind, ein Professor, der ins Bild zeichnet, ein Frauenbild, das auf die Mutterrolle reduziert ist: Fünf Künstlerinnen erinnern sich an ihre Anfänge in den 1970er Jahren in Wien. Sie erklären ihre Arbeit, die sie zu Feministinnen werden ließ, am praktischen Beispiel.

Sie ist der andere Blick (2018)

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Als die Kunst anfing, feministisch zu werden

Wie war es in den 1970er Jahren, Künstlerin zu sein? Für Renate Bertlmann, Linda Christanell, Lore Heuermann, Karin Mack und Margot Pilz, die damals Teil der Wiener Kunstszene waren, hieß das vor allem, gar nicht oder kaum wahrgenommen zu werden. Die fünf Frauen erinnern sich im Wiener Atelier der Dokumentarfilmerin Christiana Perschon an ihre persönliche Emanzipation. Mehr noch, sie füllen nacheinander den Raum mit exemplarischen Werken, zwischen denen sie sich erklärend bewegen. Von der Kamera begleitet, entsteht auf diese Weise gelebte Kunst. Gegenstand der Wahrnehmung ist nicht nur das fertige Objekt, sondern auch sein Bezug zur Erfahrungswelt seiner Schöpferin.

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Weil diese Frauen Kunst machen wollten, wurden sie auch wie selbstverständlich zu Feministinnen. Denn die gesellschaftlichen Widerstände waren erdrückend, wie sie erzählen. Sie erinnern sich an Absagen von Galerien, die keine Werke von Frauen ausstellten oder nur einmal im Jahr, an die Rollenerwartung, Ehefrau und Mutter zu sein, an zweifelhafte Erlebnisse an der Akademie. Eine machte entnervt den Mund auf: „Ich möchte Sie bitten, Herr Professor, dass Sie nicht in meine Zeichnung zeichnen!“ Schon während die Frauen anfangs noch aus dem Off erzählen, blitzt häufig ihr Humor auf. Sie sprechen offen, auch über Sexualität.  Erst als sie einen Orgasmus erlebte, habe sie gewusst, was das Wort meint, erzählt eine Künstlerin. Auch für die Kunst gelte: „Du siehst nur das, was du weißt.“

Als Frauen haben sie typische Erfahrungen gemacht – wie es ist, im Alltag und in der Ehe bevormundet zu werden, oder wie es ist, nach der Trennung Kinder großzuziehen und sich trotzdem mit Kunst zu beschäftigen, die wenig einbringt. Karin Mack liest aus einem Femifest genannten Manuskript vor, das für das 1977 gegründete Künstlerinnennetzwerk Intakt entworfen wurde: „In der Kunst schlägt sich nieder, was in der Realität erlebt wird. Diese ist für Mann und Frau verschieden.“

Während dieser Off-Erzählungen filmt Perschon mit einer 16-Millimeter-Bolexkamera die Künstlerin Iris Dostal beim Grundieren weißer Leinwände. Der Raum des Ateliers wird vorbereitet für die Auftritte der Künstlerinnen mit ihren Werken. In ihren Einzelpräsentationen werden dann große thematische und stilistische Unterschiede deutlich. Karin Mack erzählt über ihr Werk Zerstörung einer Illusion, in dem sie sich einst mit dem Bild der perfekten Hausfrau auseinandergesetzt und es demontiert hat. Auf einer Fotografie scheinen in ihrem jungen Gesicht Nägel, Bratspieße, Haarnadeln zu stecken. Die Nägel, Spieße und Haarnadeln stecken dann auch mitten im Atelier in einer weißen Platte und werden von der Kamera umspielt, so dass ihre Schatten in Bewegung geraten.

Lore Heuermann wirkt sehr klein im Raum zwischen den langen Papierbahnen, die von der Decke bis zum Boden herabhängen. Darauf erinnern Tuschezeichnungen ein wenig an japanische Schriftzeichen, doch sie stellen Bewegungsfolgen dar, zum Beispiel werden bei näherer Betrachtung tanzende Strichmännchen sichtbar.

Als Renate Bertlmann das Fenster öffnet, kommt Bewegung in die Latexhäute, die sie auf einer Leine aufgehängt hat. Auf jeder von ihnen sind Noppen zu sehen, die je nach Größe frech im Wind zu wackeln beginnen. Bertlmanns Thema ist die Sinnlichkeit der Haut und sie zeigt auch eine Arbeit, in der sie sich mit Erotik und Sexualität auseinandergesetzt hat. Voller Humor erinnert sie sich an die gespaltenen Reaktionen des Publikums, aber auch daran, dass man ihr Männerhass und Penisneid unterstellte.

Linda Christanell hat gerne kleine billige Gegenstände gesammelt, Fingerpuppen, Plastik-Schnickschnack, aufziehbare Tierfiguren. Diese, sowie Karten mit Bildern und Texten fügt sie gerne zu Kombinationen zusammen, die sich für sie intuitiv ergeben. Ihr geht es eher um den Moment und die Freiheit des Handelns, als um das Erzählen einer Geschichte. Margot Pilz wird inmitten einer engen weißen Zelle gefilmt, weil eine solche auch Schauplatz eines ihrer Performance-Projekte war.

Christiana Perschon dokumentiert und inszeniert in diesem Film die Entstehung von Kunst auch als einen Dialog mit der Kamera. Es wird sinnlich erfahrbar, wie nahe Kunst am Leben dran sein kann. Das Publikum kann nachvollziehen, wie die Selbstermächtigung dieser feministischen Künstlerinnen ausgesehen hat und welche Kreativität sie freisetzen konnte. Der Film macht Lust auf Kunst und vielleicht auch jungen Künstlerinnen Mut, ihren Weg zu gehen.

Sie ist der andere Blick (2018)

„Dieses Machotum hier war gewaltig.“ Von den Künstlerinnen Renate Bertlmann, Linda Christanell, Lore Heuermann, Karin Mack und Margot Pilz könnte jede diesen Satz gesagt haben. Die Erinnerung an die Zeit der demütigenden Bevormundung eint die Frauen, die alle in den 1970er-Jahren Teil der Wiener Kunstszene waren. Die Filmemacherin Christiana Perschon lässt die zwischen 1936 und 1943 Geborenen erzählen.

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