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Im Spielfilmdebüt der Schweizerin Caterina Mona steht eine Eritreerin im Mittelpunkt der Handlung. Semret ist Mutter und lebt mit ihrer Tochter in der Schweiz, wo sie am liebsten ihre Vergangenheit vergessen möchte, doch ihre Tochter fordert sie heraus, sich mitzuteilen.

Semret (2022)

Eine Filmkritik von Teresa Vena

Wiedergeburt

In ihrem Spielfilmdebüt widmet sich die Schweizer Regisseurin Caterina Mona wichtigen Themen wie Migration, Integration, Trauma und Familie. Inspirieren lassen hat sie sich von den eritreischen Frauen, die sie in ihrer Nachbarschaft in Zürich kennengelernt hat. In der Schweiz lebt eine recht große Gemeinschaft an Eritreern, einige ihrer Mitglieder sind, genauso wie die Protagonistin des realistischen Gesellschaftsdramas, im Gesundheitssektor tätig.

Dass sich Mona genau mit den Hintergründen und den Lebensumständen dieser Bevölkerungsgruppe beschäftigt hat, wird in Semret wiederholt sichtbar. Sie begegnet ihren Protagonisten auf Augenhöhe. Im Zentrum steht die titelgebende Semret (Lula Mebrahtu), eine selbstständige Frau, die sich fürsorglich um ihre jugendliche Tochter Joe (Hermela Tekleab) kümmert. Sie ist allerdings auch sehr streng, weil sie um jeden Preis verhindern will, dass Joe, ähnliche Erfahrungen machen muss wie sie. Semret schweigt sich aber über ihr Trauma, das ganz offensichtlich sehr tief sitzt, aus.

Und genau das ist der wichtigste Erzählstrang des Films. Semret wird lernen, dass sie sich mit ihrem traumatischen Erlebnis auseinandersetzen muss. Indem sie ihre Gefühle unterdrückt, hält sie alle Menschen auf Distanz, die ihr nahe sein wollen. Ihre Tochter versteht nicht, wieso sie auf gewisse Dinge so heftig reagiert. Wieso sie sich beispielsweise von ihren eigenen Landsleuten fernhält oder weswegen sie ihr so ungern von ihrem Vater erzählt.

Man weiß, dass man ein Trauma, genauso wie einzelne Charaktereigenschaften, an nächste Generationen weitergeben kann. Dafür müssen letztere nicht einmal genau wissen, worum es geht. In diesem Fall setzt sich ein diffuses Gefühl der Trauer oder der Wut fest, das hemmt, viel Energie braucht, die in die Gestaltung des eigenen Lebenswegs fließen könnte. Semret ruft auf, diesen Kreislauf zu durchbrechen. Für die Protagonistin der Geschichte ist der Weg schmerzhaft und doch heilsam.

Ihre Entwicklung verfolgt der Film geduldig. Es gibt keine wundersamen Wendungen in der Handlung. Das Drehbuch lässt sich Zeit, macht manchmal ein paar Schritte zurück, nachdem es ein paar nach vorne gegangen ist. Überhaupt bemüht sich der Film um eine authentisch wirkende, schon fast dokumentarische Herangehensweise. Das zeigt sich unter anderem in den Dialogen, die zu einem großen Teil in der eritreischen Sprache Tigrinya stattfinden. Die Mischung mit Deutsch oder Schweizerdeutsch wirkt natürlich, insbesondere bei den jugendlichen Darstellern, die mühelos zwischen den Sprachen hin- und herwechseln, wie es oft bei der jüngeren Generation von Einwanderern zu beobachten ist.

In Bezug auf die Wahl der Darsteller fällt natürlich vor allem Lula Mebrahtu in der Rolle von Semret auf. Die gebürtige Eritreerin, die in London lebt, hat für den Film die wenigen, nötigen deutschen Sätze gelernt. Sie verkörpert eine Frau, die nicht ihrem eigenen eher extrovertierten Charakter entspricht, wie es die Regisseurin im Gespräch bemerkte. Eindrücklich vereint sie in ihrer Figur eine große Stärke mit einer genauso großen Verletzlichkeit. Dafür braucht sie nicht viel zu sagen, die Emotionen überträgt sie über die wachen, eindringlichen Augen.

Semret möchte sich zur Hebamme ausbilden lassen. Das ist ein Beruf, den Mona selbst gut kennt, wollte sie ihn doch einst, bevor sie die Karriere als Filmemacherin eingeschlagen hat, selbst einmal ergreifen. Dass sie auch hier genau weiß, wovon sie spricht, sieht man daran, dass sie sich nicht in langen Erklärungen verliert, sondern gezielt nach einigen aussagekräftigen Szenen greift. Darüber hinaus funktioniert das Motiv der Hebamme auch symbolisch. Semrets Trauma hat mit dem Thema zu tun und gleichzeitig denkt man, dass ihr vielleicht auch eine metaphorische Wiedergeburt bevorsteht, wenn sie ihre Trauerarbeit zulässt.

Die Bemühungen um eine möglichst große Realitätsnähe spiegelt sich auch in der Form des Films wieder. Die Kamera ist nahe bei den Figuren, sie bewegt sich mit ihnen mit. Trotzdem hätte man sich ein wenig mehr Zug im Erzählrhythmus gewünscht, stellenweise eine Verdichtung des Stoffes. Gleichzeitig hätte dem Drehbuch auch mehr Lakonik gut getan, die den etwas didaktischen Tonfall hätte mindern können. Doch insgesamt bleibt Semret als einfühlsames Porträt einer bemerkenswerten Frauenfigur in Erinnerung, das einer Bevölkerungsgruppe, die oft ungesehen bleibt, neue Mündigkeit verleiht.

Semret (2022)

Semret führt mit ihrer Teenagertochter Joe ein bescheidenes und ein wenig isoliertes Leben in Zürich. Sie arbeitet in einem Krankenhaus und meldet sich zur Ausbildung als Hebamme an. Als Joe beginnt, Fragen zu ihren eritreischen Wurzeln zu stellen, kann Semret ihre Vergangenheit nicht länger verdrängen. Mit der Hilfe von Yemane, einem neuen Angestellten des Krankenhauses, der auch Flüchtling aus Eritrea ist, kann sie sich schließlich den traumatischen Erinnerungen an ihre Flucht stellen.

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Meinungen

Gmuer Rose-Marie · 08.03.2024

Bin Total Gerührt von der Geschichte ( leider bin Jch hier im Altersheim ) nicht möglich nach Schiere zu gehen ! Würde diesen Film So Gerne Sehen !!! Alles Erdenklich Gute den Beiden Frauen Alles Liebe hier in Zuerich von Herzen mit liebem Gruss aus Zuerich