Schenk mir dein Herz

Eine Filmkritik von Peter Gutting

Schnulzensänger macht Swing-Therapie

Manchmal braucht es nur einen Satz, damit sich der Kinobesuch lohnt. Die augenzwinkernde Bemerkung des Pianisten Paul Kuhn ist so ein Highlight: „Am Ende starten wir noch durch, obwohl wir keine 80 mehr sind“. Der mittlerweile 83-Jährige Bandleader und Entertainer ist zwar eigentlich kein Schauspieler, aber er dreht in Nicole Weegmanns leichtfüßiger Tragikomödie tatsächlich in sehenswerter Weise auf.
Paul Kuhns charmant-listige Mimik und die Swingstücke, die er für Schenk mir dein Herz geschrieben hat, geben die Tonart des Films vor: intelligente Unterhaltung, mit vielen Anklängen an die leichte Muse, aber immer wieder gebrochen durch einen überraschenden Akkord, eine Wendung vom gängigen Sound hin zu eigenständigen Einfällen. Nicht laut auftrumpfend, sondern dahinperlend wie eine Barmusik. Regisseurin Nicole Weegmann schlägt nach ihrem düsteren Ihr könnt euch niemals sicher sein (2008), für den sie den Grimme-Preis erhielt, eine heitere Note an. Und das, obwohl ihr Hauptdarsteller den Blues hat.

Der heißt Peter Lohmeyer. Er spielt den Schlagersänger Alexander Ludwig, einen 48-Jährigen, der trotz Millionen verkaufter Platten und Millionen auf dem Konto gleich zwei Probleme mit sich herumschleppt: Alexander ist ein Charakterschwein – und er weiß es nicht. Besser gesagt, er kann sich nicht an sich erinnern. Der arrogante Star leidet nach einem Herzinfarkt und zeitweiser Blutleere im Gehirn unter massiven Gedächtnisproblemen. Die letzten zehn Jahre sind komplett gelöscht und was ihm aktuell passiert, weiß er nach fünf Minuten auch nicht mehr. Ein Fall also für die Reha-Klinik, die der Star beharrlich mit einem Tournee-Hotel verwechselt. Und ein Fall für den alten Swing-König Heinrich alias Paul Kuhn, der sich mit väterlicher Fürsorge um den einstigen Jazz-Hasser kümmert.

Natürlich steuert die märchenhafte Alles-wird-gut-Story immer wieder auf Klischees zu, wird manchmal rührselig und manchmal vorhersehbar. Aber zum Glück paart die erfahrene Drehbuchautorin Ruth Toma (Emmas Glück) die Anklänge an eine allzu glatte Jeder-verdient-eine-zweite-Chance-Philosophie mit einigen sperrigen Elementen, was angesichts des beharrlich wiederkehrenden Gedächtnisverlustes auch zu einem charmanten Humor führt. Und außerdem gibt es da noch die schönen Musikeinlagen, zu denen sich neben der Rentnerband um Paul Kuhn auch die junge Maria gesellt (Mina Tander), Alexanders zweite Frau, an die er sich partout nicht erinnern kann, ganz im Gegensatz zu seiner ersten Ehe. Die Sessions sind bewusst als Höhepunkte gestaltet – nicht, damit daraus ein Musikfilm wird. Sondern einfach, weil der einstige Kotzbrocken offenbar nur durch Gitarre-Spielen, Singen und Komponieren Zugang zu seinem wahren Ich findet.

Man kann sich fragen, ob Schenk mir dein Herz in erster Linie ein gut gemachter und anspruchsvoller Fernsehfilm ist, wofür vor allem die eher konventionelle Bildästhetik spricht. Aber der Film funktioniert auch auf der großen Leinwand. Außerdem ist Paul Kuhn bisher nur einmal in einem reinen Kinofilm zu sehen gewesen. Das war 1959 in Drillinge an Bord. Damals hatte er eine kleine Rolle als Sänger und startete mit Heinz Erhardt durch. Auch wenn beide noch längst keine 80 waren.

Schenk mir dein Herz

Manchmal braucht es nur einen Satz, damit sich der Kinobesuch lohnt. Die augenzwinkernde Bemerkung des Pianisten Paul Kuhn ist so ein Highlight: „Am Ende starten wir noch durch, obwohl wir keine 80 mehr sind“. Der mittlerweile 83-Jährige Bandleader und Entertainer ist zwar eigentlich kein Schauspieler, aber er dreht in Nicole Weegmanns leichtfüßiger Tragikomödie tatsächlich in sehenswerter Weise auf.
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