Schändung (2014)

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Mørck meets Lisbeth Salander

Die Verfilmung des ersten Teils aus Jussi Alder-Olsens Bestseller-Reihe um Kommissar Mørck ließ sich durchaus überzeugend an: Mit Nikolaj Lie Kaas und Farres Farres ist Erbarmen gut besetzt gewesen, Regisseur Mikkel Nørgaard hat eine stringente, typisch düstere skandinavische Krimiästhetik entwickelt und vor allem das Drehbuch überzeugte mit einer Verdichtung der Handlung des Romans.

Diese Tendenz setzt Schändung, der zweite Teil der Reihe, anfangs fort: Nachdem er eine Feier auf dem Polizeirevier verlassen hat, wird Carl Mørck (Nikolaj Lie Kaas) von einem betrunkenen, verzweifelten Mann angesprochen, der ihm eine Fallakte geben will. Mørck weist ihn ab, seit der erfolgreichen Aufklärung des Lyngaard-Falles wird die Sonderabteilung Q regelrecht mit solchen Akten überschüttet. Dann wird Mørck aber wenig später in eine Wohnung gerufen: Der Mann hat sich die Pulsadern aufgeschnitten und mit einem Zettel Carl Mørck eine dicke Akte zugewiesen. Geplagt von seinem schlechten Gewissen und Schuldgefühlen sieht er sich die Unterlagen an und entdeckt Unstimmigkeiten in den Ermittlungen zu einem Doppelmord an einem Geschwisterpaar. Seine Nachforschungen führen ihn auf die Spur brutaler Gewalttaten, in die die zwei angesehenen, reichen Dänen Ulrik Dybbøl (David Dencik) und Ditlev Pram (Pilou Asbæk) verstrickt sind. Und sie scheinen auch hinter den Morden zu stecken.

Bereits mit der Eingangssequenz schaffen Regisseur Mikkel Nørgaard und die Drehbuchautoren Nikolaj Arcel und Rasmus Heisterberg eine bessere Erzählsituation als Jussi Adler-Olsen in seinem Buch: Mørck wird direkt kontaktiert, damit bleibt die Frage außen vor, wie die Akte auf seinem Tisch gelandet ist, und durch seine Schuldgefühle ist er zudem persönlich betroffen, deshalb ist seine Reaktion weniger trotzig als im Roman. Auch im weiteren bleiben Ablenkungen weitgehend außen vor, die Nebenhandlungen sind deutlich reduziert: Sekretärin Rose fügt sich gut in die Ermittlungen ein, es gibt nur zwei Verdächtige und Mørcks Ex-Partner spielt keine Rolle. Dadurch wird die Buchvorlage angenehm entschlackt, und obwohl die Täter von vorneherein zu erkennen sind, ist der Film unterhaltsam und atmosphärisch stimmig.

Wäre der Film daher nach 90 Minuten zu Ende, wäre alles gut gegangen – aber in der letzten halben Stunde verliert sich Mikkel Nørgaard in Grausamkeit um der Grausamkeit willen, schleppt sich die Aufklärung unnötig dahin und die Schauspieler zeigen beständig gleiche Gesichtsausdrücke. Beispielhaft lässt sich die Entwicklung an der Figur Kimmie – sehr gut gespielt von Danica Curcic – festmachen. Bereits bei Jussi Adler-Olsen zeigt Kimmie Ähnlichkeiten mit Stieg Larssons Lisbeth Salander. Von Kindesbeinen an lieblos behandelt, schließt sie sich im Internet einer Clique an und lernt, Sex und ihren Körper als Druckmittel einzusetzen. Jedoch erfährt sie dann selbst unfassbare Brutalität und Verrat, so dass sie zur Rächerin wird.

Im Film ist die Ähnlichkeit zu Lisbeth Salander deutlich reduziert, in dem Kimmies eigene Lust an Gewalt deutlich stärker akzentuiert wird. Erst in der letzten halben Stunde verliert sie dann diese Eigenständigkeit. Bereits äußerlich erinnert sie dann durch die dunklen Haare und dunklen Kapuzenpulli an Lisbeth Salander, hinzu kommt, dass sie beständig aus Unterperpespektive gefilmt wird, wie sie trotzig nach oben blickt. Doch Kimmie ist keine Lisbeth, sie plant ihre Rache nicht, sondern ist geplagt von Flashbacks, die sie nicht kontrollieren kann. Auch erschließt sich zu keiner Sekunde, warum Mørck beständig überzeugt ist, er müsse und könne sie retten. Doch ebenso wie Kimmie wird auch Schändung immer mehr zur Kopie der schwedischen Trilogie. Insbesondere in der Gefängniszelle, in der Kimmie sitzt, dominieren die Grüntöne, die Dunkelheit.

Sicherlich orientierte sich der erste Teil in der Bildgestaltung bereits an diesem berühmtem Vorbild vieler skandinavischer Kriminalromanverfilmungen, hier gerät jedoch die Ähnlichkeit allmählich zur Austauschbarkeit. Das ist schade, da der erste Teil und die ersten 90 Minuten des zweiten Teils hoffen ließen, dass die Verfilmungen es besser machen als die Romane, in dem sie die Qualitäten übernehmen und die Schwächen auslassen. Doch leider weist das Ende in eine andere Richtung. Und das kann nicht nur damit erklärt werden, dass Arcel und Heisterberg bereits für die Drehbücher der Stieg-Larsson-Adaptionen zuständig waren. Vielmehr fehlt hier der Mut, ausgetretene Krimi-Pfade zu verlassen und etwas Neues zu wagen.
 

Schändung (2014)

Die Verfilmung des ersten Teils aus Jussi Alder-Olsens Bestseller-Reihe um Kommissar Mørck ließ sich durchaus überzeugend an: Mit Nikolaj Lie Kaas und Farres Farres ist „Erbarmen“ gut besetzt gewesen, Regisseur Mikkel Nørgaard hat eine stringente, typisch düstere skandinavische Krimiästhetik entwickelt und vor allem das Drehbuch überzeugte mit einer Verdichtung der Handlung des Romans.

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