Saving Mr. Banks (2013)

Eine Filmkritik von Janosch Leuffen

Mann mit Maus will Frau mit Schirm

Als Disneys Mary Poppins 1964 das Licht der Leinwand erblickte, sah alles nach einem weiteren großen Triumph für den Mann aus, der Micky Maus erfand. Das Musical wurde mit fünf Oscars ausgezeichnet, unter anderem für die besten visuellen Effekte und den besten Original-Song. Kritiker und Zuschauer waren begeistert und feierten Disneys neues Meisterwerk. Nur eine Frau war mit dem Ergebnis alles andere als zufrieden.

Pamela L. Travers, der Autorin der Buchvorlage, schmeckte die Filmversion überhaupt nicht. Jahrelangen Versuchen Disneys, ihm die Rechte an Mary Poppins aus Liebe zu seinen Kindern abzutreten, hatte sie schließlich nachgegeben – unter einigen Bedingungen. Travers wollte das letzte Wort zum Projekt. Das Drehbuch musste mehrmals geändert werden, alle Besprechungen ließ sie aufzeichnen (diese Original-Aufnahmen sind während des Abspanns zu hören). Das schwierige Verhältnis zwischen Travers und Disney steht nun im Vordergrund des Spielfilm-Making-Ofs Saving Mr. Banks von Blind Side-Regisseur John Lee Hancock.

Die beiden Hauptfiguren werden verkörpert von Emma Thompson und Tom Hanks, der passenderweise ein entfernter Cousin von Walt Disney ist. Thompson brilliert als störrische und verbitterte Schriftstellerin, die mit der Welt des Comic-Zeichners nichts anfangen kann. Die biedere, strenge Lady lässt keine Gelegenheit aus, die restlichen Beteiligten in den Wahnsinn zu treiben. Ein mit Plüsch-Mickys und -Donalds vollgestopftes Hotelzimmer, der Traum eines jeden Kindes, empfindet sie als persönliche Beleidigung, das Disneyland als reine Gelddruckmaschine. Sie hasst die Farbe Rot, hat eine Abneigung gegen Birnen sowie Disneys Animationen und Songs.

Hanks überzeugt als von der Frau mit Schirm besessener Filmproduzent, der im Herzen ein Kind geblieben ist, aber wenn es drauf ankommt als hinterlistiger Geschäftsmann auftritt. Für den Zuschauer sind die zähen Verhandlungen und Auseinandersetzungen mit Travers einerseits vergnüglich, andererseits werfen sie Fragen auf: Woher rührt ihre Angst vor Freude und Fröhlichkeit?

Die Antworten baut Hancock geschickt in den Verlauf der Geschichte ein. Ein Nebenstrang beleuchtet die Kindheit der als Helen Lynwood Goff geborenen Australierin und erklärt, weshalb ihr Mary Poppins und der ominöse Mr. Banks so wichtig sind. Es gelingt Hancock dadurch, das entstandene Bild der miesepetrigen, alleinstehenden Dame Travers und des überfreundlichen, zuvorkommenden Familienvaters Disney zu drehen.

Es ist eine rührende Erzählung mit wunderbarer Musikuntermalung, die aber nie zu Kitsch verkommt, was vor allem an der herausragenden Leistung Thompsons liegt. Das Interesse an dem Lockenkopf und seinen Beweggründen wird bis zum Ende aufrecht erhalten. Wenn Travers schließlich auftaut und zum ersten Mal zu einem Lied mit dem Fuß wippt, liegt Magie in der Luft. Dazu verbucht Thompsons Figur schlussendlich die meisten Sympathien, so dass man ihr am liebsten zurufen würde: „Nein, tu’s nicht! Lass dich nicht um den Finger wickeln!“

Auch wenn die Wahrheit gen Schluss zugunsten eines Disney-typischen Happy Ends (und wahrscheinlich wieder zum Ärger von P.L. Travers) etwas verschönt wird, gelingt John Lee Hancock mit Saving Mr. Banks ein lebenbejahendes Werk, das im Inneren viel mehr bietet als die gestörte Beziehung zwischen zwei Menschen mit unterschiedlichen Absichten. Es handelt vom Vergeben, von der Bereicherung durch andere (Familien-)Menschen und vom Ausbruch aus einem selbstdefinierten Rahmen – und das ist einfach herzergreifend.
 

Saving Mr. Banks (2013)

Als Disneys „Mary Poppins“ 1964 das Licht der Leinwand erblickte, sah alles nach einem weiteren großen Triumph für den Mann aus, der Micky Maus erfand. Das Musical wurde mit fünf Oscars ausgezeichnet, unter anderem für die besten visuellen Effekte und den besten Original-Song. Kritiker und Zuschauer waren begeistert und feierten Disneys neues Meisterwerk. Nur eine Frau war mit dem Ergebnis alles andere als zufrieden.

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Meinungen

Detlef Kastens · 06.03.2014

noch immer geistert die Vorstellung von Walt Disney als dem Erfinder von Micky Mouse durch die Weltgeschichte. Er war jedoch lediglich Mit-Erfinder und die weitere Entwicklung legt nahe, dass ihm dabei keineswegs ein Hauptanteil zuzurechnen ist. Disney hat sich in jungen Jahren als Zeichner versucht, das Zeichnen aber bereits mit 25 Jahren ganz aufgegeben. Das war 1926. Zu diesem Zeitpunkt hatte er bereits seit mindestens zwei Jahren mit seinem Freund Ub Iwerks zusammengearbeitet, der schon seit einigen Jahren als berufsmäßiger Zeichner tätig war.
Alle drei Micky-Mouse-Trickfilme sind im Jahr 1928 fertiggestellt worden und wurden von Iwerks gezeichnet und animiert. Disney war stets der geschickte Produzent und Vermarkter der künstlerischen Arbeit anderer, was er auch geblieben ist. Auch seine Regiebeteiligung an diesem und jenem frühen Film war nur sporadisch.
Die eigentliche künstlerische Leistung der frühen Disney-Filme ist zweifellos Ubbe Iwerks zuzuschreiben, der sich später von Disney trennte und geschäftlich glücklos blieb.
Vgl. hierzu den Film "The Hand Behind the Mouse: The Ub Iwerks Story" von 1999