Samson and Delilah

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Wie geprügelte Hunde

Sie sind Ausgestoßene — und das gleich in doppelter Hinsicht: In einem Reservat für die Ureinwohner Australiens irgendwo in Zentralaustralien, wo sich Dingo und Känguruh gute Nacht sagen, leben die beiden Teenager Samson (Rowan McNamara) und Delilah (Marissa Gibson) in den Tag hinein. Samsons erster Griff am Morgen gilt der mit Benzin gefüllten Dose, die neben seinem Bett steht und an der er schnüffelt – es ist die billigste Art des Kicks, den er sich gerade noch leisten kann. Ansonsten schient Samson keinerlei Ziel zu haben, außer jenem, den Tag irgendwie hinter sich zu bringen. Sein Vater ist gerade im Knast, ohne ihn ist der Heranwachsende sich selbst überlassen und scheitert an der Verantwortung für sich selbst.
Delilah hingegen kümmert sich liebevoll um ihre Großmutter (Mitjili Gibson), mit der sie Bilder im Stile der Aborigines herstellt, um ihren kärglichen Lebensunterhalt zu sichern. Dennoch ist auch sie wie Samson, der mit Steinen nach ihr wirft, um sie auf sich aufmerksam zu machen, eine Außenseiterin: Das Ausmaß dessen versteht sie aber erst, als die Großmutter stirbt und sie von den Frauen der Siedlung auf üble Weise mit Stöcken verprügelt wird, da sie sich nicht richtig um die alte Frau gekümmert habe.

Spätestens jetzt, so wird ihr klar, ist es an der Zeit, diesen elenden Ort zu verlassen. Und weil sich Samson nach einer Attacke auf die Band seines Bruders, die Tag für Tag auf seiner Veranda herumlungert, in einer ähnlichen Situation befindet und ihr auf seine sehr befremdliche Weise klar gemacht hat, dass er gerne mit ihr zusammen sein möchte, machen sich die beiden in einem gestohlenen Pick-up auf den Weg in die Großstadt – nur um festzustellen, dass auch das Leben dort für Menschen wie sie seine Tücken hat. Es beginnt eine Odyssee, die die beiden Teenager bis nach ganz unten führen wird.

Trotz der bedrückenden Umgebung und der harschen Sozialkritik, die Samson and Delilah durchzieht und die den lichten und hellen Bildern eine düstere und niederdrückende Atmosphäre verleiht, ist Warwick Thorntons Spielfilm, das beim Filmfestival von Cannes im Jahre 2009 mit dem „Prix Camera d’or“ für das beste Debüt ausgezeichnet wurde, kein „Elendsporno“. In eindrucksvollen Bildern, die sich bisweilen haarscharf an der Grenze zum l’art pour l’art bewegen, verdichtet der Film vielmehr die Lage der Aborigines in Australien und zeichnet ein realistisches Bild dieser Bevölkerungsgruppe, ohne dabei allzu sehr in Larmoyanz zu verfallen. Am Ende gibt es sogar ein klein wenig Hoffnung für Samson und Delilah. Doch die Sehnsucht auf ein besseres Leben finden sie nicht in den Städten, wo sie von den weißen Australiern noch mehr Ausgrenzung erfahren als zuhause in ihrer Siedlung.

Trotz seiner teilweise sehr sehenswerten Bilder packt Samson and Delilah nicht unbedingt so sehr, wie das Thema es hergäbe. Als gelte es, jeden Anschein von Ausbeutung des Themas zu vermeiden, verknappt Warwick Thornton die Dialoge auf das Allernötigste und verordnet seinen (Laien)Darstellern zudem ein nur minimales Spiel. Dieser Reduktionismus aber sorgt dafür, dass der Zuschauer die eigentlich recht einfache Geschichte dieser zwei Teenager zwar durchaus mit Interesse, aber selten bis nie mit Empathie betrachtet. Und die Liebesgeschichte, über die Thornton, jenseits von sozialen Missständen und der Zwei-Klassen-Gesellschaft in Australien erzählt, wird selten wirklich nachvollziehbar, wenn man einmal davon absieht, dass Samson und Delilah vor allem deshalb zueinander finden, weil sie niemanden anderes haben. Das allerdings ist unterm Strich dann doch zu wenig – im Leben ebenso wie im Film.

Samson and Delilah

Sie sind Ausgestoßene — und das gleich in doppelter Hinsicht: In einem Reservat für die Ureinwohner Australiens irgendwo in Zentralaustralien, wo sich Dingo und Känguruh gute Nacht sagen, leben die beiden Teenager Samson (Rowan McNamara) und Delilah (Marissa Gibson) in den Tag hinein.
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Meinungen

Khana · 15.11.2013

Meiner Meinung nach müsste man ein Herz aus Stein haben, um diesen beiden jungen Menschen nicht mit Empathie zu begegnen. Es muss ja nicht gleich jeder heulen, so wie ich bei diesem Film. Das Beste, was ich seit langem gesehen habe. Zueinander zu finden, "weil sie sonst niemand haben will" ist für mich persönlich immer noch ein besseres Motiv, als das, was in unserer Welt meistens zählt: Geld, und/oder ein Vorzeigepüppchen präsentieren zu wollen. Sehr berührend und ernüchternd und unbedingt zu empfehlen.

Spreewald · 29.09.2012

Ein sehr beeindruckender Film. Er zeigt eindrucksvoll wie zwei Gruppen von Menschen in einer Gesellschaft vollkommen nebeneinander leben können ohne irgendwelche Gemeinsamkeiten. Ihre Leben snd so verschieden, dass für die Aboriginies keine Chance des Aufstiegs von einer Gruppe zur anderen besteht.

Dana · 30.03.2012

Also mich hat der Film regelrecht umgehauen. Die Menschen, die Geschichte und die Musik haben mich von Anfang bis Ende gefesselt. Besser und realer...das kann ich mir gar nicht vorstellen. Hab den Film -leider-vorm zu Bett gehen geschaut. Konnte ewig nicht einschlafen, so sehr hat er mich aufgewühlt.

susanne dämmrich · 04.01.2012

ein absolut großartiger film, der mich sehr beeindruckt hat. wunderbare bilder, brillante schauspieler und ja so traurig ist die situation der aboriginees immer noch.