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Mit „Sachertorte“ kredenzt uns Tine Rogoll eine klassische RomCom, die sich gegen jedweden Zynismus behauptet.

Sachertorte (2022)

Eine Filmkritik von Anke Zeitz

Wiener Schluss mit Schokoguss

Draußen wird es kälter, früher dunkel, der Mangel am Glückshormon Vitamin D macht sich bemerkbar – was kann es für eine bessere Zeit geben, um mit einer romantischen Komödie die Vorweihnachtszeit filmisch einzuläuten?! „Sachertorte“, ein Amazon-Prime-Original, startet nun den schon oft gescheiterten Versuch, alle Zutaten, die es für eine gelungene Romantic Comedy braucht, in einer großen Schüssel zu vermischen, um es, abgeschmeckt mit Happy End, sympathischen Darsteller:innen und einer originellen Idee, dem geneigten Publikum zu kredenzen. Und siehe da: Das Rezept geht auf.

Am Anfang geht es gar nicht um Kuchen, sondern um die Wurst. Vor einem Imbiss begegnet Karl (Max Hubacher) seiner Traumfrau Nini (Michaela Saba). Der Funke fliegt, man kommt ins Plaudern, teilt die Liebe für den Film Before Sunrise, erlebt ein spontanes Abenteuer, erkundet gemeinsam Berlin. Doch noch am selben Tag trennen sich die Wege von Nini und Karl wieder. Nini muss zurück nach Wien und gibt Karl noch ihre Handynummer. Als Karl diese verliert, entscheidet er sich zu handeln. Schließlich geht es um die Liebe seines Lebens. Glücklicherweise hat Nini Karl vor der Abreise verraten, dass sie immer an ihrem Geburtstag um Punkt 15 Uhr mit ihrem Vater im legendären Café Sacher eine – was sonst!?- Sachertorte speist. Für Karl ist die Sache klar: Er wird nach Wien reisen und täglich im Café Sacher auf seine Angebetete warten. Ganz egal, wie viele Tage – und Torten – es dafür braucht.

Die ersten 15 Minuten von Sachertorte verlaufen so rasant und so offensichtlich, wie man es von einer klassischen Romantic Comedy erwartet. Die hohe Geschwindigkeit, mit der man sich auf die Liebesgeschichte zwischen Karl und Nini einlassen soll, erscheint auf den ersten Blick als Fehler im Konstrukt. Denn die große Liebe – und vor allem das gezwungen wirkende Zitieren von Before Sunrise, einer der immer wieder hochgefeierten Indie-Liebesfilme der letzten Jahrzehnte – überträgt den Funken nicht wirklich. Glücklicherweise entpuppt sich genau das als kluges Mittel zum Zweck. Im Wiener Busbahnhof, als Karl seine Suche nach Nini beginnt, begegnen wir zum ersten Mal, in einer Art zweitem Meet Cute Miriam (Maeve Metelka). Mit dieser Figur geht in dem Regiedebüt von Tine Rogoll (die als Regieassistentin von Detlev Buck, der hier einen kleinen, feinen Gastauftritt hat, ihre Erfahrungen sammeln konnte) buchstäblich die Sonne auf. Miriam ist das, was manche abtuend als „patent“ bezeichnen. Sie ist unprätenziös, praktisch veranlagt, glaubt nicht an die Liebe auf den ersten Blick (obwohl ihr Blick bei der ersten Begegnung etwas anderes vermuten lässt) und wirft die zentrale Anti-These auf: „Liebe ist schwierig und kompliziert – aber dafür umso schöner.“

Als Karl fügt Max Hubacher seinem Spiel eine neue Nuance hinzu. Zwar kann er als romantischer Held nicht ähnlich beeindrucken wie in Der Hauptmann oder dem in Deutschland leider nur auf Festivals gezeigten grandiosen Schweizer Spielfilm Der Läufer, wo er einen traumatisierten Koch und Langstreckenläufer mit grausamem Doppelleben spielte. In Sachertorte darf Hubacher eine sanft-charmante Seite zeigen – und im Zusammenspiel mit der natürlich-sympathisch aufspielenden Maeve Metelka eine überzeugende Chemie entwickeln. Das Drehbuch (co-verfasst von Wenka von Mikulicz, Stephanie Leil und Robin Getrost) schickt Karl und Miriam in immer neue zufällige Begegnungen, die in eine Freundschaft münden – und vielleicht ja noch mehr? Zunächst aber ist Karl zu sehr mit seiner romantischen Mission beschäftigt, die eine weitere Hauptfigur ins Spiel bringt: das legendäre Wiener Café Sacher und seine Tortenkreation. So wie aktuell Mrs. Harris und ein Kleid von Dior spielt auch Sachertorte mit einem ikonischen touristischen Sehnsuchtsort, der Nostalgie und zeitlose Romantik atmet – wozu das Interieur und die strenge Förmlichkeit, die in diesem Ort herrscht, das Nötige beitragen.

Das anfangs schnelle Erzähltempo lässt über die ambitionierte Länge von 112 Minuten doch etwas nach, manche Passagen geraten etwas zu lang. Langeweile kommt dennoch nie auf, dafür sorgen allein schon die wunderschönen Aufnahmen von Wien, einer Stadt, durch die man auch filmisch gerne bummelt. Der Soundtrack ist, wie die Kameraführung und das Setting, das auf knallig-romantisches Rosa-Plüsch verzichtet, angenehm zurückhaltend und mit Songs von Wanda, Bilderbuch und Danger Dan bestens bestückt (für alle Klassiker-Fans darf dennoch lauthals Show me heaven mitgesungen werden).

Die vielen Nebenfiguren, die der Film einführt – die WG-Mitbewohner, Karls Bruder Matze, Miriams beste Freundin, die Sacher-Kellnerin Zora – erhalten leider nicht genug Screentime, um einen starken Eindruck zu hinterlassen, und dienen hauptsächlich als Helfershelfer für die Protagonist:innen. Eine Ausnahme bildet die Geschichte rund um ein Pärchen, dessen zart-subtile Annäherung das Herzstück des Films bilden: Fanny Sawallisch, Karls Gönnerin und sein romantisches Gewissen (von Krista Stadler, einer Grande Dame des österreichischen Theaters, elegant und mit Herz verkörpert), und Oberkellner Schwartz (Karl Fischer), der dem naiven Jüngling Karl zunächst mit snobistischer Arroganz begegnet und sich dann doch als Helfer in der Not erweist, vor allem, um seiner Angebeteten Fanny einen Gefallen zu tun. Und gerade, wenn man in diesen Szenen manchmal den Eindruck gewinnt, als wäre alles ein wenig zu schokosüß, dann gibt der Film eventuellen Zyniker:innen die beste Botschaft mit auf den Weg: „Die Welt braucht mehr Romantiker!“

Sachertorte ist eine klassische romantische Komödie mit süß-origineller Ausgangsidee, die die Genre-immanenten Stilmittel mit liebevollem Augenzwinkern betrachtet, sich aber auch traut, sie als Verbeugung vor Klassikern wie Während Du schliefst oder Pretty Woman hingebungsvoll zu bedienen. Natürlich Inklusive des im Film so wunderschön zitierten „Wiener Schlusses“, der nicht nur im Theater ein Happy End einfach alternativlos einfordert. Wie der Film sein Happy End erreicht, ist wirklich schön anzusehen und lädt vor allem in der Vorweihnachstzeit ein, sich vor den heimischen Bildschirm zu kuscheln. Und gleich danach einen Abstecher ins Café Sacher zu planen.

Sachertorte (2022)

Selbst die Liebe auf den ersten Blick verläuft nicht immer problemlos. Das merkt auch Karl, als er die Nummer seiner Traumfrau Nini verliert. Fürchterlich! Aber immerhin hat er eine Sache dann doch abgespeichert: Zu ihrem Geburtstag geht Nini immer um 15 Uhr im berühmten Wiener Café Sacher ein Stück Original Sachertorte essen. Ihm bleibt also nur eins – jeden Nachmittag dort zu warten.

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