Russendisko

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Permanent berauscht

Der Schriftsteller Wladimir Kaminer hat in seinem Buch Russendisko von seinen ersten Eindrücken als russischer Immigrant im gerade von der Mauer befreiten Berlin des Jahres 1990 erzählt. Wegen seiner episodischen Struktur mit den vielen anekdotischen Mini-Geschichten empfahl sich der Bestseller aus dem Jahr 2000 eigentlich nicht für eine Verfilmung. Tatsächlich zog sich dann der Entwicklungsprozess der gleichnamigen Komödie neun Jahre lang hin. Man darf also gespannt sein, wie Drehbuchautor Oliver Ziegenbalg, der auch sein Regiedebüt gibt, die knifflige Aufgabe gelöst hat.
Der heitere, ironische Ton, in dem Kaminer seinen Kulturschock schildert, wird auch im Film aufgegriffen. Dafür sorgt zum einen der Off-Kommentar des Ich-Erzählers und Hauptcharakters Wladimir (Matthias Schweighöfer) mit seinen Zitaten aus dem Buch. Zum anderen spielt Schweighöfer so schwebeleicht und berauscht wie auf einer Dauerparty, auf welcher der Wodka nicht knapp wird. Dem Rat seines Vaters folgend, sucht der junge Wladimir mit seinen beiden Freunden Mischa (Friedrich Mücke) und Andrej (Christian Friedel) im Sommer 1990 sein Glück in Berlin, und zwar in dem Teil, der immer noch die Hauptstadt der DDR ist. Sie haben gehört, dass dieses Land neuerdings Juden aus der Sowjetunion aufnimmt.

Die fidelen Russen entdecken eine Stadt im Umbruch, in der junge Leute in bunten Klamotten die Hinterhöfe okkupieren. Ihr erstes Geld verdienen die Freunde mit billigem Dosenbier, das sie in einem Bahnhof teurer verkaufen. Der schwermütige Andrej sucht einen afrikanischen Heiler auf, um herauszufinden, ob er verhext ist. Mischa will Karriere als Musiker machen, und Wladimir, der stets cool mit Sakko und Hut herumläuft, hat keinen Schimmer, was er selbst mal werden will. Bevor er seine Russendisko im ehemaligen Gesellschaftsraum einer Ost-Kneipe veranstaltet, entdeckt er die Liebe in Gestalt der Russin Olga (Peri Baumeister). Deren Freundin Hanna (Susanne Bormann) wiederum verguckt sich in Mischa. Und schon ergibt sich Ziegenbalgs durchgehende Geschichte amouröser Verstrickungen mit den Stationen Verlieben, Entzweien, Bereuen, Besinnen.

Aus Kaminers Buch, dessen Humor vom entlarvenden Blick eines Außenstehenden auf heilige Kühe und lieb gewordene Gepflogenheiten der deutschen Gesellschaft lebt und auch die eigenen Landsleute skrupellos examiniert, bezieht der Film einige wenige Themen. Die Absurdität, dass es einmal gerade von Vorteil ist, sich als Jude auszuweisen, gehört dazu, oder die Angewohnheit der russischen Immigranten, unter sich zu bleiben – schon wegen der Musik oder dem Misstrauen gegenüber deutschen Ärzten. Im Radio hat die Sendung eines russischen Doktors großen Erfolg, der empfiehlt, Pickel mit Diesel zu behandeln. Waren aber die Anekdoten schon im Buch kurz und knapp, so werden im Film manche Themen in einem Satz abgehandelt. Die Schlitzohrigkeit und der gesunde Pragmatismus der Protagonisten kommen dem Film weitgehend abhanden und man vermisst bei den Darstellern den russischen Akzent. Es irritiert, wenn Schweighöfer als Zugereister in schönstem Hochdeutsch „War toll, war super!“ beteuert.

Fehlt es der Sprache an Atmosphäre und Realitätsnähe, so klingt die beschwingte Musik dafür russisch genug. Ohne diesen üppigen Klangteppich würde die planlose Hochstimmung des Trios noch unmotivierter wirken. Schweighöfers dominante Rolle bleibt ohne Fundament und die anderen Darsteller müssen eher farblos assistieren. Solches mag der mangelnden Erfahrung des Regisseurs geschuldet sein. Trotz berühmter Namen im Team wie dem Kameramann Tetsuo Nagata, der schon La vie en rose filmte, oder dem Produzenten Arthur Cohn hat sich Ziegenbalg, Autor so gelungener Komödien wie Friendship! und 13 Semester, mit diesem Stück übernommen.

Auf der visuellen Ebene herrscht eine verklärte, leicht unwirkliche Stimmung. Die Altbauten aus dem Osten Berlins fand man im Studio Babelsberg. Ein Stück der Mauer, das aussieht, als würde es in den nächsten Minuten von allein zu Boden rieseln, wurde malerisch in den Weg gestellt, den die Freunde kreuzen. Von der aus Kiew stammenden Alla Churikova kommen einige bezaubernde, mit sparsamen Mitteln gezeichnete Animationen. Insgesamt sieht es so aus, als habe die Produktion wegen der einzelnen Zutaten auf einen glücklichen Ausgang ihres Abenteuers hoffen dürfen. Doch auch in der Geschichte geht die naiv optimistische Rechnung nicht für alle auf.

Russendisko

Der Schriftsteller Wladimir Kaminer hat in seinem Buch „Russendisko“ von seinen ersten Eindrücken als russischer Immigrant im gerade von der Mauer befreiten Berlin des Jahres 1990 erzählt. Wegen seiner episodischen Struktur mit den vielen anekdotischen Mini-Geschichten empfahl sich der Bestseller aus dem Jahr 2000 eigentlich nicht für eine Verfilmung. Tatsächlich zog sich dann der Entwicklungsprozess der gleichnamigen Komödie neun Jahre lang hin.
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Meinungen

bes imeni · 20.04.2012

habe den film gestern in st. petersburg gesehen und voll gelacht! echt gut gemacht!!! ist aber wahrscheinlich mehr was für leute die russland und die DDR kennen vor allem aber auch die zeit nach 1990 am ende der DDR nachfühlen können. ich war begeistert - gut war das interview mit dem Wladimir Kaminer nach der vorstellung.