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Karlheinz Böhm, Gründer der Stiftung „Menschen für Menschen“, lud Jan Philipp Weyl einst als jugendlichen Spendensammler nach Äthiopien ein. Weyl verliebte sich in Land und Leute. Später kehrte er zurück – als Regisseur dieses Spielfilms über die ungleichen Wege zweier Freunde.

Running Against the Wind (2019)

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Zwei Freunde in Äthiopien

Zwei Jungen wachsen zusammen in einem abgelegenen Dorf in Äthiopien auf. Abdi (Ferhane Beker) träumt von einer Sportkarriere als Langstreckenläufer, Solomon (Alamudin Abduselam) möchte Fotograf werden. Als Solomon in die Hauptstadt Addis Abeba geht, bleibt Abdi zurück. Solomon führt daraufhin ein Leben als Straßenkind. Als Erwachsene begegnen sich der Müllsammler Solomon (Mikiyas Wolde) und der für Olympia trainierende Läufer Abdi (Ashenafi Nigusu) wieder. Abdi möchte seinem Freund helfen, als Fotograf zu arbeiten und lässt seine Kontakte spielen. Aber Solomon sitzt ein Gangster im Nacken, der will, dass er weiterhin für ihn Diebstähle begeht.

In seinem Kinoregiedebüt aus dem Jahr 2019 erzählt Jan Philipp Weyl die Geschichte einer Freundschaft in Äthiopien, die Gräben zwischen Stadt und Land, Arm und Reich überwindet. Dem Drehbuch von Weyl und Michael Wogh zufolge erweitert ein weißer Entwicklungshelfer (Carlo Sohn), der ins Dorf kommt, um eine Schule zu bauen, den Horizont der beiden Kinder. Er zeigt ihnen, wie man fotografiert, nimmt sie mit auf einen Trip nach Addis Abeba. Solomon gibt den Fotoapparat des Mannes am liebsten gar nicht mehr aus der Hand und nimmt ihn schließlich mit in sein neues Leben. Weyl hat mit diesem Mann einiges gemeinsam, denn er sammelte bereits als Schüler Spenden und gründete einen Verein, um den Bau zweier Schulen in Äthiopien zu finanzieren. Weyl lebte drei Jahre in Äthiopien, um für das Filmprojekt Amharisch zu lernen und sich mit der Kultur vertraut zu machen. Man sieht es dem Film, der vor Ort gedreht wurde, an, dass Weyl sich ernsthaft für die Gesellschaft und die Zukunftsperspektiven junger Einheimischer interessiert. Äthiopien reichte das Drama 2020 für die Oscars ein.

Aus dem kargen Dorfleben tauchen Abdi und Solomon in die Großstadt mit ihrem enormen sozialen Gefälle ein. Solomon hat sich einen Verschlag in einem Slum gebaut, in dem er mit seiner Freundin (Samrawit Desalegn) und dem kleinen Töchterchen haust. Abdi, der im nationalen Nachwuchskader trainiert und nach gewonnener Landesmeisterschaft im Fernsehen auftritt, bewegt sich in Kreisen der aufstrebenden Mittelschicht. Er macht Werbeaufnahmen, verhilft Solomon zu einem Job und bringt ihn mit einem Werbefotografen zusammen. Aber Solomon, der von Abdis Team zunächst als Müllsammler verhöhnt wird, will kein schnelles Geld mit Werbefotos, sondern die Menschen draußen porträtieren. Sein alter Kumpel Kiflom (Joseph Reta Belay) aus dem Slum nimmt ihm übel, dass er sich neuen Freunden – so auch dem weißen Kunstfotografen Paul (Jan Philipp Weyl) –  zugewandt hat und sozial aufsteigt. 

Die verschiedenen Milieus, vor allem aber das der Slumbewohner, beleuchtet Weyl gründlich. Er kontrastiert die Behausungen der Ärmsten mit den modern eingerichteten Wohnungen der Mittelschicht, filmt den Straßenverkehr, die nächtlichen Reklamelichter und die Rohbauten künftiger Hochhäuser in der boomenden Stadt. Solomon und seine Freunde im Slum besitzen nichts, leben gefährlich und haben doch auch eine Menge Spaß. Wenn sie in einem geklauten Auto kiffend durch die Nacht fahren, fängt eine wacklige Kamera die ausgelassene Stimmung dynamisch ein. Ruhig und erhaben wirkt hingegen die Landschaft, in der das Heimatdorf der beiden Freunde steht. Bei der Musikauswahl bevorzugt Weyl äthiopische Motive, die von traditionellen Klängen bis zu zeitgenössischem Pop reichen. Die Inszenierung des sportlichen Trainings Abdis wird durch einen besonderen Gastauftritt bereichert: Der legendäre äthiopische Langstreckenläufer und Olympiasieger Haile Gebrselassie spielt sich selbst, wie er dem Nachwuchssportler Abdi gratuliert und ihm auf einer Pressekonferenz beisteht. 

Die etwas naiv und simpel anmutende Geschichte preist nicht nur die Freundschaft zwischen Abdi und Solomon, sondern auch die Bedeutung ihrer jeweiligen Gefährt*innen. Es bildet sich ein sozialer Kokon gegenseitiger Unterstützung und Solidarität. Schon die Szenen, in denen der junge Solomon in den Kreis der Straßenkinder hineinwächst und eine beste Freundin findet, berühren mit ihrer Herzlichkeit. Weyl zeigt auch später nicht nur, was jahrelanger Drogenkonsum und Verwahrlosung bei manchen der Ärmsten anrichten, sondern betont zwischen den rauen und brutalen Szenen immer wieder die solidarische Gemeinschaft im Slum. So wie Abdi und andere aus der Mittelschicht Solomon schließlich die Hand reichen, scheint Weyl zu sagen, könnte auch der soziale Graben in der Gesellschaft überwunden werden. Junge Menschen wie Abdi und Solomon können viel erreichen, wenn jemand an sie glaubt. 

Running Against the Wind (2019)

Zwei zwölfjährige Jungen wachsen zusammen in einem abgelegenen Dorf in Äthiopien auf – bis ein einziges Foto große Träume in beiden weckt und ihr Leben für immer verändert: Solomon verlässt heimlich das Dorf und begibt sich in den Großstadtdschungel von Addis Abeba, um Fotograf zu werden. Abdi hingegen bleibt und trainiert. Er will ein berühmter Langstreckenläufer wie einst Haile Gebrselassie werden. Beide, die wie Brüder aufwuchsen, reifen getrennt voneinander zu Männern. Als Abdi Jahre später für die äthiopische Laufnationalmannschaft nominiert wird und nach Addis Abeba zieht, glaubt er eigentlich kaum daran, dass Solomon noch lebt. Doch eine innere Stimme befiehlt ihm, seinen alten Freund zu suchen …

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Meinungen

Hans Reiner · 25.07.2023

Den Film über Äthiopien finde ich sehr interessant, da ich zum ersten Mal 1982 eine Private Spende Menschen für Menschen 1900 DM spendete, karl heinz böhm sagte damals bei Wetten dass...?er kann mit 1900 DM eine fünfköpfige Familie ein Jahr vor Hunger Leben retten