Rumba (2008)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Zirkusreife Wechselschritte des Lebens

Dass Lehrer zutiefst seltsame Gestalten mit mutmaßlich absurden Hobbys sind, die in ihrer ganz eigenen Welt leben, das haben wir ja bereits seit unserer Schulzeit geahnt. Und in diesem Film aus Frankreich, für den gleich drei Regisseure verantwortlich zeichnen, wird unsere Vermutung auf denkbar schräge und vor allem quietschbunte Art und Weise bestätigt. Fiona (Fiona Gordon) und Dom (Dominique Abel) arbeiten beide als Lehrer (sie unterrichtet Englisch, er Sport) an der gleichen Schule irgendwo in der französischen Provinz und sind ein Paar. Und es ist nicht nur die Liebe, die die beiden miteinander verbindet, sondern auch die gemeinsame Leidenschaft für Rumbawettbewerbe, von denen sie schon zahlreiche Pokale mit nach Hause gebracht haben. So auch dieses Mal. Doch dann nimmt das Schicksal seinen Lauf. Auf der Heimfahrt hat ein Lebensmüder (Philippe Martz) ausgerechnet das Auto des Paares für einen Selbstmordversuch auserkoren; beim Versuch auszuweichen knallen beide gegen eine Mauer und landen im Krankenhaus.

Die beiden überleben, doch sie tragen schwere Blessuren davon: Fiona verliert ein Bein und Dom kann sich an nichts mehr erinnern außer an die Tanzschritte – darüber hinaus ist er wie ein Kind, das sich jeden Tags aufs Neue fragt, wer die Frau an seiner Seite ist. Klar, dass unter solchen Umständen das Leben der beiden im vollkommenen Chaos versinkt und sich zu einer Katastrophe auswächst, in deren Verlauf unter anderem das Haus des Paares abbrennt. Doch selbst damit sind die Kalamitäten von Fiona und Dom noch nicht am Ende angelangt. Beim Versuch, etwas Essbares aufzutreiben, verschwindet Dom und findet sich in einer Donutbude an der Atlantikküste wieder, wo er Seite an Seite mit dem suizidalen Mann arbeitet, der für das ganze Unglück des Paares verantwortlich ist. Doch Fiona gibt nicht auf und begibt sich auf die Suche nach Dom…

Knallbunt, reichlich skurril und vollkommen anders als fast alles, was man kennt – so lässt sich die belgisch-französische Co-Produktion Rumba von Dominique Abel, Fiona Gordon und Bruno Romy (der im Film einen Schokocroissant-Dieb spielt) wohl am besten beschreiben. Die knalligen Farben gemahnen an zahlreiche Filme Pedro Almodóvars, die Story könnte ebenso gut aus der Feder eines letzten Überlebenden der Dada-Bewegung oder des Surrealismus stammen, der Humor ist eine tiefe Verneigung vor dem Altmeister französischen Humors Jacques Tati und die Inszenierung erinnert an Zirkusnummern und die Ursprünge des Films in Jahrmarktsbuden und Vaudeville-Theatern – was für eine Mixtur.

Ob der Film aber beim großen Publikum Zuspruch finden wird, ist insgesamt recht fraglich. Man muss schon eine große Affinität zu Kleinkunst und Varieté aufbringen, um die frische und freche Art des Erzählens wirklich genießen zu können. Und Slapstick-Nummern im Stile Buster Keatons und von Laurel & Hardy sind zwar Balsam für die von unsäglichen Fernseh-Comedians geschundene Seele, stellen aber in einigen Momenten die Geduld des Zuschauers auf eine harte Probe. Trotzdem: Selten sah man in den letzten Jahren das Kino so nahe bei seinen Ursprüngen – und genau dadurch so weit entfernt von allem, was derzeit die Leinwände beherrscht.
 

Rumba (2008)

Dass Lehrer zutiefst seltsame Gestalten mit mutmaßlich absurden Hobbys sind, die in ihrer ganz eigenen Welt leben, das haben wir ja bereits seit unserer Schulzeit geahnt.

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Meinungen

Rosa Escobar · 01.04.2010

Wunderbarer Film! Eine tolle Überraschung! sehr skurril. Sehr gekonnt! Wunderschön getanzt! Was für die Seele!