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Ruben Brandt wird von Kunstwerken verfolgt, in seinen Träumen. Um seine verwirrte Psyche zu zähmen, beginnt er, die Kunstwerke aus den Museen der Welt zusammenzustehlen… Ein Zeichentrickfilm als synästhetische Collage, voller Ideen und Referenzen, und dabei ein hochunterhaltsamer Actionthriller.

Ruben Brandt (2018)

Eine Filmkritik von Harald Mühlbeyer

Die Macht der Bilder

„Ruben Brandt“ ist ein synästhetisches Ereignis. Es geht um Kunst. Um Film. Um Psychoanalyse. Um Musik. Um Albträume und Verfolgungsjagden. Es geht um Bewegung und Stillstand und Betrachten und Hineinrutschen in die fantastischen Welten, die der ungarische Künstler Milorad Krstić entwirft. Es geht darum, das Spektrum der Moderne zu umfassen und in Filmunterhaltung zu gießen – und das Ganze als hochamüsanter Animationsfilm.

Ruben Brandt ist Psychotherapeut für geschundene künstlerische Seelen, doch er ist selbst tief gequält: In seinen Träumen verfolgen ihn berühmte Kunstwerke. Botticellis Venus wie auch Manets Olympia attackieren ihn, van Goghs Briefträger schmeißt ihn aus einem Flugzeug, Velazquez’ Infantin Margareta kaut ihm den Arm ab, und Warhols Cowboys erschießen ihn. Und dann kommt es plötzlich zur rasanten Verfolgungsjagd durch Paris, eine Unbekannte im roten Auto, Detektiv Kowalski im grünen, es ist ein Tanz, ein Spiel mit der Gefahr, eine Flucht und ein Kampf um Cleopatras Fächer – Mimi heißt die Diebin, ist Stuntfrau, Akrobatin und Kleptomanin, und langsam fügen sich die Elemente des Films zusammen; im Hintergrund mischt auch noch die Mafia mit, übrigens.

Ruben Brandt, Mimi, Kowalski: Um dieses Dreieck entspinnt sich ein Krimithriller, der an sich schon einen ganz okayen Hollywoodfilm ergeben hätte. Aber Krstić füllt die Bilder mit Anspielungen auf diverse Kunstwerke; zumeist der bildenden Kunst, die Auflistung im Abspann ist nicht wirklich kurz zu nennen und umfasst offenbar nur die Werke, auf die noch Copyright besteht… Aber auch die Musik spielt eine große Rolle, von Klassik bis zu den Hollies oder einer bizarren Version von „Oops, I Did It Again“. Und Film - da gibt’s einen Kampf um Leben und Tod zwischen Mabuse- und Caligari-Plakaten und Eiswürfel in Hitchcock-Form… Und natürlich diverse Genre-Standardsituationen, variantenreich eingebaut. Das ist auch ein großes Verdienst von Ruben Brandt: Dass Filmkunst als gleichwertig angesehen wird in dieser panoramaartigen Collage. Denn es geht um die Macht der Kunst, uns in Verwirrung zu stürzen und diese Verwirrung wieder aufzulösen, uns zu trösten und uns aufzuwühlen.

Brandts Vater war Deutscher, Ex-Stasi, von der CIA engagiert für Psychotechniken, Subliminalbilder, eingebaut in Cartoons auf 16mm-Material, Konditionierung, Charakterformung, Seelenmanipulation. Bilder, die die Protagonist*innen bis tief ins Unbewusste umtreiben, die sie im Schlaf aufsuchen – und die im therapeutischen Rahmen zur Heilung herangezogen werden können. Weshalb Ruben Brandt sich mit Mimi zusammentut und gemeinsam mit einigen anderen Kunsttherapie-Patienten all die Gemälde zusammenstiehlt, die ihn im Traum attackieren. Der Film wird zum Heist-Movie, mit ideenreich umgesetzten Coups, und natürlich mit viel Action, die in einer fulminanten Verfolgungsjagd auf der Autobahn kulminiert, inklusive Kampfhubschrauber und zwei Trucks. Das Finale: eine große Popart-Ausstellung in Tokio, der Diebstahl inszeniert als Performance-Kunst, in dessen Rahmen das Warhol-Bild stibitzt wird, mit angeschlossener Scheißerei durch und mit all den Kunstwerken – das Publikum applaudiert: Der Kunstraub als Kunst des Raubes.

Einer der Diebe ist übrigens zweidimensional. Mit Fresssucht. Krstić zieht alles – die Actionthriller-Handlung wie all die Kunstreferenzen, selbst wenn sie nicht surrealistisch sind – ins Surreale; mit dieser Strategie des Überrealen zielt der Film direkt aufs Unterbewusste, auf Überwältigung und Unterhaltung.

Ruben Brandt (2018)

Ruben Brandt, ein berühmter Psychotherapeut, sieht sich gezwungen, 13 Gemälde aus Museen und Privatsammlungen zu stehlen, um seinen Albträumen ein Ende zu setzen. Mit vier Menschen, die er auch beruflich behandelt, geht er unter anderem im Louvre, Tate und MoMA auf Raubzug und wird als „The Collector“ zum meistgesuchten Kriminellen, hinter dem auch Gangster und Kopfgeldjäger her sind. Schließlich wird der Privatdetektiv Mike Kowalski auf ihn angesetzt.

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