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Ein Taxifahrer – unauffällig, unsichtbar – bekommt es mit drei verfolgten Russen zu tun. Gangster? Dissidenten? Er dient sich ihnen an. Und laviert sich durch zunehmende Bedrohung und eskalierende Gewalt. 

Roxy (2022)

Eine Filmkritik von Harald Mühlbeyer

Eiskalter Opportunismus

Thomas Brenner, der Mann mit dem Allerweltsnamen, führt ein Allerweltsleben. Routine und Ordnung bestimmen seinen Alltag. Er hat eine kleine Sammlung von Matchbox-Autos aus den 70ern, die ihm seine Oma geschenkt hat, seine Abendbeschäftigung besteht darin, zu würfeln, bis er einen Sechser hat. Er ist Taxifahrer, das bedeutet: Niemand beachtet ihn, jeder nutzt nur seine Fahrdienste. Er trägt eines dieser hellbeigen Blousons, die in Filmen immer die Stasileute anhaben, der Unauffälligkeit wegen. Und tatsächlich: Thomas‘ Vater war bei der Stasi gewesen, und sein Opa in der SS, weil man das halt so gemacht hat.

Dies alles erzählt uns Thomas Brenner im Voice Over-Kommentar, und da der Film uns seinen Alltag auch zeigt, wirkt Dito Tsintsadzes Roxy am Anfang recht dröge: Wir sehen, was wir gesagt bekommen, das ist das typische Klischee zum deutschen Film, und es löst zunächst sich auch nicht auf, als drei Russen in Brenners Taxi steigen. Die haben einen Kampfhund namens Roxy dabei, der hat schon eine Menge Hundegegner gekillt, und das beweist er, indem er einer Passantin heftig in den Arm beißt. Könnte ein Anflug von absurd-schwarzem Humor sein, ist aber im weiteren Verlauf tatsächlich die Grundlage für die zunehmende Bedrohungssituation, der sich Brenner ausgesetzt sieht. Levan, Boss der Russen, zahlt einfach ein paar Scheine, und er gibt auch Brenner ein paar, schön druckfrisch, mit der Aufforderung, künftig für sie zur Verfügung zu stehen. Brenner ist einverstanden. Wegen Geld. Wegen Bedrohung. Vielleicht auch wegen der Autorität und der Macht, die Levan ausstrahlt; obwohl das so ein kleines, schmales, bebrilltes Männchen ist.

Thomas Brenner wird Assistent der Russen, Mädchen für alles, und der Film nimmt Fahrt auf. Weil Tsintsadze nun das Klischee verlässt, mit dem er bisher gespielt hat, und weil er den Zuschauer in den Zwiespalt wirft: Einerseits ist alles aus Brenners Sicht erzählt. Andererseits sehen wir auch, was Brenner tut. Und wir sehen die Situation, in die er sich begibt, wissentlich und willentlich, und die Frage bleibt immer: Kann er nicht anders, oder will er nicht anders?

Levans Frau und Sohn kommen an; die Frau ist verführerisch schön, Brenner soll auf sie aufpassen. Der Hundetrainer ist etwas dumm, aber seiner Frau Mutter zugetan: Er überweist Geld. Levan ist nett und freundlich, solange ihm keiner – vor allem auch Brenner nicht – in die Quere kommt. Sein Sohn hat eine dringende Frage: Wenn Löwe und Tiger gegeneinander kämpfen: Wer gewinnt?

Der Film baut eine starke Beziehungsdynamik auf, eine enorme emotionale Spannung, der dann auch eine dramaturgische Spannung zur Seite gestellt wird, weil Levan und Co. von Unbekannten verfolgt werden. Warum? Sind sie kriminell? Sind sie russische Dissidenten? Agieren sie aus Verzweiflung immer brutaler, oder ist Levan einfach so grausam? Dazu packt Tsintsadze Momente von Humor – keiner, der auf Pointen aus ist, dafür solcher, der Situationen und Charaktere ad absurdum führt. Ohne die Grundspannung zu brechen. Da gibt es eine nymphomanische Barfrau, da gibt es einen Kontaktmann in die Unterwelt, der in der Hängematte slackt, und diese hängt hinterm Orgelraum einer Kirche. Und es gibt eine höchst alberne „Hamlet“-Inszenierung mit Gaststar Thomas Merten als Ophelia, im Quatsch-Kostüm; der ist der Passfälscher, an den sich Levan via Brenner wendet. Weil der Druck immer größer wird.

Ein bisschen Komödie schadet dem Thriller nicht, und die Inszenierung, das stellt sich immer mehr heraus, weiß ganz genau, wo sie hinwill. Die Russen öffnen sich immer mehr, und Brenner schließt sich ihnen an. Die Russen demonstrieren ihre Macht, und Brenner macht dienstfertig mit. Für die Russen wird es ernst, und Brenner spielt sein eigenes Spiel. Die Besetzung von Thomas Brenner mit Devid Striesow ist dabei perfekt: Der guckt ja immer so distanziert-unbehaglich, bewegt sich steif, sitzt kerzengerade, und man sieht ihm an, dass er am liebsten verschwinden würde. Und man weiß auch, dass er durchaus nicht nur der duckmäuserische Dienstleister ist, der er vorgibt zu sein. Weil manchmal auch der schwächere Löwe, gerade wenn er so’n bisschen knuffelig wirkt, dem Tiger höchst gefährlich werden kann. Weil für Opportunismus, Gewissenlosigkeit und Verrat immer Gelegenheit besteht. Man muss halt sehen, wo man bleibt; das haben ja auch Brenners Vater und Großvater gelebt.

Roxy (2022)

Thomas Brenner ist Taxifahrer und erlebt in seinem alltäglichen Leben wenig Überraschungen. Am liebsten wäre er für die Welt um ihn herum unsichtbar. Doch eines Tages trifft er auf Fahrgäste, einschließlich ihres riesigen Kampfhundes Roxy, die sich auf der Flucht vor… Leuten, mit denen man sich nicht gerne anlegt, befinden. Levan, der Chef, findet Gefallen an Thomas und bittet ihn in den kommenden Tagen um weitere Fahrten und Gefallen. Anfangs macht Thomas nur wegen des Geldes mit, doch als er Liza, Levans attraktive Frau, und ihren kleinen Sohn Vova kennenlernt, ändern sich seine Motive. Thomas wird in einen. Strudel aus Lügen, Freundschaft, Liebe und Loyalität gezogen und entwickelt Fähigkeiten, von denen er nicht wusste, dass er sie besitzt. (Quelle: Across Nations Filmverleih)

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