Rico, Oskar und die Tieferschatten

Eine Filmkritik von Jennifer Borrmann

Tiefbegabt und hochbegabt

2009 hat der Autor Andreas Steinhöfel für seinen Jugendroman Rico, Oskar und die Tieferschatten den Deutschen Jugendliteraturpreis erhalten. Der tiefbegabte Rico freundet sich mit dem hochbegabten Oskar an und die beiden bestehen gemeinsam Abenteuer in Berlin. Weitere Geschichten über die Freunde folgten. Nun wurde die sprachliche Lebendigkeit, die Ideenvielfalt und diese wunderbar unprätentiöse Kinderperspektive des Ich-Erzählers aus Rico, Oskar und die Tieferschatten von Regisseurin Neele Vollmar (Maria, ihm schmeckts nicht / Meine Eltern) und ihrem Team – darunter der Produzent Philipp Budweg (Blöde Mütze!, Wintertochter) – in filmische Bilder übersetzt.
Rico Doretti (Anton Petzold) ist, so stellt er sich selbst gerne vor, ein tiefbegabter Junge. Im Buch bemüht er das Bild von Bingokugeln, die in seinem Kopf durcheinanderwirbeln und Rico weiß dann zum Beispiel nicht mehr, wo links und wo rechts ist. Deshalb könne er auch nur geradeaus gehen – zum Ausgleich sehe er sich gerne die Wohnungen anderer Leute an. Mit seiner Mutter (Karoline Herfurth) lebt er in der Dieffe 93 in Berlin-Kreuzberg. Das Haus beherbergt ein buntes Potpourri an Menschen und erinnert filmhistorisch an Gerhard Lamprechts Menschen untereinander aus dem Jahr 1926. Als Zuschauer dürfen wir die skurril, charmant und auch abstoßend karrikierten Typen auf sehr unterhaltsame Weise kennenlernen. Da gibt es den etwas grummeligen, wortkargen Schlüsseldienst-Arbeiter (Axel Prahl), die immerzu Müffelchen anbietende liebevolle Rentnerin (Ursela Monn), der junge adrette Workaholic (David Kross), und den wohl schlecht gelauntesten und Kinder hassenden Steinesammler Fitzke (Milan Peschel) – außerdem natürlich Rico und seine alleinerziehende Mutter, die in einem Nachtclub arbeitet, hinter der Theke versteht sich.

Als Rico eines Tages dem Geheimnis der Fundnudel – womöglich eine mit Käsesoße beklebte Rigatoni, die auf der Straße lag – nachspürt, trifft er auf einen sehr seltsamen Charakter: Ein kleiner Junge, Oskar (Juri Winkler), mit einem Motorradhelm auf dem Kopf. Man kann ja nicht vorsichtig genug sein und das kann man auch mit auswendig gelernten Statistiken belegen. Sofort ist klar, dass der Tief- und der Hochbegabte unterschiedlicher nicht sein könnten. Sofort ist aber auch klar, dass das eine tolle Freundschaft wird. Als am nächsten Tag Oskar nicht wie verabredet zu Besuch kommt und gleichzeitig dieser Kindesentführer „Mister 2000“ sein Unwesen treibt, macht sich Rico mit detektivischem Spürsinn auf die Suche nach seinem neuen Freund.

Visuell wartet der Film mit kurzen Animationsfilmen auf, die zur – sehr anschaulichen – Untermalung von Ricos Überlegungen dienen. Beispielsweise führt er ein Karteikarten-Lexikon, in dem er Fremdwörter in eigenen Worten beschreibt. Im Buch sind diese als handgeschriebene Karten ergänzt, im Film als mit Ricos einfallsreichen Erklärungen korrespondierenden Kurzfilmen. Die Kinderperspektive des Buches wurde auch im Film ebenso eindringlich, kindlich-naiv und unterhaltsam realisiert. Die Kamera arbeitet zwar hier und da mit Ober- und Untersicht, jedoch nie herablassend. Immer wird der Ich-Erzähler Rico ernst genommen, so wie auch er sich ernsthaft Gedanken über seine Umwelt macht. Die Filmemacher haben es geschafft, sich nicht als Erwachsene vorzustellen, was ein Kind denken könnte oder wie es sich in bestimmten Situationen fühlt, sondern Steinhöfels einfühlsame Beschreibungen, Dialoge und Ideenreichtum in Filmbilder umzusetzen.

Großen Anteil an dieser Umsetzung haben die beiden Hauptdarsteller Anton Petzold und Juri Winkler. Beide überzeugen durch ihre lebendige unvoreingenommene Art, auch wenn ihre Charaktere die Welt auf recht unterschiedliche Arten sehen und analysieren. Ihre Freundschaft lebt gerade von der Verschiedenheit der beiden Außenseiter, denn so ergänzen sie sich. Die skurrilen weiteren Charaktere sind bis in die kleinste Nebenrolle großartig besetzt. Einziges Manko: Die Romanvorlage ist teilweise düsterer, das fehlt dem Film nicht unbedingt, hätte ihm jedoch noch etwas Besonderes geben können. Ängste um Tod, Sterben und Ungeliebtsein, aber auch makabre Gedankenspiele der Kinder über Fitzkes Kinderhass werden im Film außen vor gelassen. Dem jungem Filmpublikum darf sicher auch das zugetraut werden. Das tut dem Film nichts ab: Rico, Oskar und die Tieferschatten ist ein bunter, witziger und amüsanter Kindersommerfilm.

Rico, Oskar und die Tieferschatten

2009 hat der Autor Andreas Steinhöfel für seinen Jugendroman „Rico, Oskar und die Tieferschatten“ den Deutschen Jugendliteraturpreis erhalten. Der tiefbegabte Rico freundet sich mit dem hochbegabten Oskar an und die beiden bestehen gemeinsam Abenteuer in Berlin. Weitere Geschichten über die Freunde folgten.
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Meinungen

lucy weinmann · 03.08.2014

naja das buch ist scheiße