Restless

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Berlinale 2008: Wettbewerb

Restless – ruhelos sind sie beide, der Vater wie der Sohn, auch wenn sie sonst nicht mehr viel verbindet. Moshe (Moshe Ivgy), der Vater, hat sich kurz nach der Geburt des Sohnes aus dem Staub gemacht und lebt seit 20 Jahren in New York. Doch sein Glück hat er im Land der unbegrenzten Möglichkeiten nicht gemacht – im Gegenteil. Die windigen Geschäfte, die der kleine, stoppelbärtige Mann betreibt, sie liefen schon immer schlecht und laufen nun noch schlechter. Eigentlich ist Moshe ein Dichter, doch das liegt lange zurück. Einzig die gelegentlichen Auftritte bei einer Art Slam Poetry Show im Shimon’s, die auf wachsende Zustimmung stoßen und – natürlich – die Frauen bringen etwas Abwechslung in seinen tristen Alltag. Tzach (Ran Danker), sein Sohn, ist Scharfschütze bei der israelischen Armee und wird gerne gerufen, wenn es gilt, einen „Terroristen“ aus großer Entfernung zielsicher ins Jenseits zu befördern. Tzach hofft auf eine Verlängerung seiner Dienstzeit, doch dann geschieht ein Unglück, das dies unmöglich macht: Bei einem harmlosen Fußballspiel löst sich aus Versehen ein Schuss, der einen palästinensischen Jungen das Leben kostet. Als dann kurz darauf seine Mutter stirbt, macht sich Tzach nach New York auf, um seinen Vater zur Rede zu stellen.
Amos Kollek, Sohn des ehemaligen Bürgermeisters von Jerusalem Teddy Kollek, der Anfang des Jahres 2007 verstarb und dem dieser Film gewidmet ist, ist bislang vor allem als Regisseur von Filmen mit zerrissenen Frauen im Zentrum der Erzählung bekannt und berühmt geworden, Bridget lief im Jahre 2002 bereits im Wettbewerb der Berlinale. Nun widmet er sich erstmals – und das gleich in einer Art verschlungenem Doppelbild – den Männern. Ob dies gelungen ist, darüber lässt sich freilich streiten, vor allem unter der Prämisse, dass Kollek Restless als seinen persönlichsten Film bezeichnet und bekennt, dass er sich hierin auch seinem eigenen Vater-Sohn-Verhältnis widme. Diese Lesart wirft allerdings kein günstiges Licht auf die Zustände in der Familie Kollek. Denn Moshe erweist sich im Laufe des Films als verjammertes Macho-Arschloch der Extraklasse, das jedem Rock hinterhersteigt und viel Kraft und Lebensenergie darauf vergeudet, wortreich sein Selbstmitleid zu beklagen und auch noch in Gedichte zu gießen. Dass diese bei den Veranstaltungen im Shimon’s auf ein so breites Echo stoßen und niemals zu Widerspruch auffordern, gehört wohl zu den großen Fragen des Films. Weitaus spannender und erhellender sind die Teile von Restless, die in Israel spielen und das Leben des jungen Elitesoldaten Tzach schildern. Beklemmend beispielsweise, wie er nach seiner Entlassung aus der Armee in ein Auto mit jungen Arabern steigt, und man förmlich darauf wartet, dass es zum Streit kommt. Doch außer harmlosen Neckereien geschieht nichts, und man hat für einen kurzen Moment eine Vorstellung davon, was für eine wundervolle Welt sich böte, wenn dieser Konflikt im Nahen Osten endlich der Vergangenheit angehören würde. Leider ist der Moment dann ebenso schnell verschwunden wie unsere Illusionen – wir wären gerne noch eine Weile hier geblieben, statt unsere Aufmerksamkeit einem larmoyanten und zutiefst misanthropischen und egoistischen Mann zu schenken. Zum Schluss sehen wir immerhin Vater und Sohn vereint bei einer Suppe, die Moshes Spezialität ist. „Und, wie schmeckt’s?“, fragt Moshe, der verlorene Vater erwartungsvoll. Die lakonische Antwort von Tzach: „Wie Scheiße!“

Restless

Restless – ruhelos sind sie beide, der Vater wie der Sohn, auch wenn sie sonst nicht mehr viel verbindet. Moshe (Moshe Ivgy), der Vater, hat sich kurz nach der Geburt des Sohnes aus dem Staub gemacht und lebt seit 20 Jahren in New York.
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