Requiem (2006)

Eine Filmkritik von Gesine Grassel

Die wahre Geschichte einer Teufelsaustreibung

Die Berlinale 2006 sollte eine Feuerwerk des deutschen Films werden. Vier Beiträge im Wettbewerb und unzählige Produktionen in den anderen Sektionen sollten die Stärke und Prominenz des hiesigen Filmlandes zeigen. Das ging, zumindest im Wettbewerb, ein wenig daneben. Doch dann kam Requiem und die Kritiker begannen zu diskutieren. Für einen Film die höchste Auszeichnung.

Der Film von Hans-Christian Schmid (23, Crazy, Nach Fünf im Urwald) beginnt mit dem Hinweis, dass die Geschichte zwar von einer wahren Begebenheit inspiriert ist, aber diese nicht exakt nachstellt. Begrenzt authentisch inszeniert der Regisseur ein paar Monate im Leben einer jungen Frau, die zwischen Familie, Glaube und Krankheit zerrissen ist. Die Theaterschauspielerin Sandra Hüller begeisterte in ihrem Leinwanddebüt die Zuschauer und wurde für ihre Rolle der Michaela mit dem Silbernen Bären als beste Darstellerin ausgezeichnet.

Michaela ist 20 und verlässt ihr streng katholisches Elternhaus in der schwäbischen Provinz, um an der Universität Tübingen ein Studium zu beginnen. Ihr großer Traum: Lehrerin werden. In der neuen Umgebung genießt sie ihre Freiheit und steht zum ersten Mal in ihrem Leben auf eigenen Füßen. Mit ihrer Kommilitonin Hanna entdeckt sie eine ihr gänzlich unbekannte Welt, lernt auf einer Party den Chemiestudenten Stefan kennen. Die beiden werden ein Paar und das Elternhaus rückt in weite Ferne. Doch die Vergangenheit lässt Michaela nicht los. Sie ist Epileptikerin, die während ihrer Schulzeit oft monatelang in Krankenhäusern therapiert wurde. In Tübingen fühlt sie sich zunehmend von inneren Stimmen verfolgt, die sie nicht mehr loslassen. Sie glaubt, von Dämonen besessen zu sein und sucht Hilfe beim Pfarrer ihres Heimatortes. Der Geistliche glaubt ihr nicht, bestreitet die Existenz von Teufel und Fratzen, die Michaela sieht. Wieder bekommt sie Tabletten gegen Epilepsie. Dass sie psychisch krank ist, fällt niemandem auf. An Heiligabend eskaliert ein Streit mit ihrer Familie. Für diese und den Priester ist klar, dass ihr nur durch Exorzismus geholfen werden kann. Auf grausame Art und Weise versuchen sie den Teufel auszutreiben.

Schmid, der schon mit Lichter ein packendes gesellschaftliches Drama inszenierte, zeigt eine problembelastete Familie, in der alles andere als Nächstenliebe herrscht. Besonders die Beziehung Michaelas zu ihren Eltern ist speziell und heikel. Mit einer unglaublichen Sorgfalt für Ort, Zeit und Atmosphäre des Films schafft es der Regisseur trotz einiger Längen und Grausamkeit der Handlung den Zuschauer zu fesseln. In einer starken Schlusssequenz entlädt sich die Spannung. Die Schauspieler, allen voran Sandra Hüller, sind ein unglaublicher Gewinn für den Film im 70-er Jahre-Look. Am Ende steht die Frage, ob nicht die eigene Umgebung die junge Frau krank gemacht hat und wie ihr besser hätte geholfen werden können. Ein Film, der lange nachwirkt.
 

Requiem (2006)

Die Berlinale sollte eine Feuerwerk des deutschen Films werden. Vier Beiträge im Wettbewerb und unzählige Produktionen in den anderen Sektionen sollten die Stärke und Prominenz des hiesigen Filmlandes zeigen.

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Meinungen

Markenda · 17.03.2006

Schon wieder ein "Teufelsaustreibungsfilm", weil das ja gerade so gut funktioniert. Es entpuppt sich als Irrtum, aber etwas Anderes ist es deshalb noch lange nicht. Wär nicht nötig gewesen dieser Film ohne jeden Reiz am Drehbuch. Da schreit sich mal wieder eine Hauptdarstellerin die Seele aus dem Leib, zeitg Mut zu blauen Flecken. Toll ist das deshalb noch lange nicht.

· 13.03.2006

Ein toller Film, ein großartige Leistung von Sandra Hüller, von Schmid ganz zu schweigen...

schwa(l)be · 07.03.2006

Schade, dass Du nicht sagst, wie Du es siehst; dass die Leiche sauber präpariert ist, das sieht ja ein jeder; ha, bin ich intelligent, ich habe bemerkt, dass der Film sauber gebürstet ist. Bist du aus dem Film wirklich toleranter herausgekommen oder gar besserwissend, aha, jetzt weiss ich wie das in solchen Gemeinden zugeht? Und: Begriffe wie Nörgeln, Eloquenz, Dampf ablassen, ersetzen leider keine Argumentation. Schade. Noch zur Aversion: die war tatsächlich Anlass dafür, meine Sätze zu schreiben, weil ich mir einfach geprellt vorkam nach dem Film! Es ist mir zu wenig, nach dem Kino grad mal gute oder eben schlechte Noten verteilen zu können.

@schwa(l)be · 06.03.2006

Seh ich entschieden anders. Zumal deine Kritk wenig Fundiertes bietet und stattdessen (wie motivierte?) Aversionen offen rauslässt. Erklärungen dafür? Fehlanzeige. Aber einfach mal wieder Dampf abgelassen. Eloquent, aber ohne Substanz und mit dem Hang zur Nörgelei. Bisschen mehr sollte schon kommen.

schwa(l)be · 06.03.2006

schwa(l)be ist natürlich nicht unempfindlich gegen Komplimente. Mir scheint die Sache so schon ziemlich auf den Punkt gebracht. Aber sag das mal laut in Gegenwart von Anhängern der Schmied-Gemeinde. Da kannst dann gleich den Exorzismus-Priester kommen lassen.

zast · 05.03.2006

@schwal(l)be - klasse Kritik - Du sprichst mir aus der Seele!

schwa(l)be · 02.03.2006

Seit Lichter wird Hans-Christian Schmid immer mehr zum falschen Pfaffen. Sich eines abseitigen, leicht verrufenen Themas annehmen, zuhören und Verständnis schaffen, so seine Mission, wie Pfarrer Fliege, dann ein unspektakuläres Lehrstück draus machen, und hoffen dass sich die Leute nach dem Kino drüber unterhalten. So verlogen und von oben herab. Und die deutsche Film-Intellektualität fängt das Sabbern an, weil sie sich nicht beschmutzt. Denn das Verrufene kommt sauber gebürstet daher, gibt sich den Anstrich seriöser Recherche, beispielsweise die Info über die Krankheit von der Krankenkasse an die Heimatadresse - de profundis aber keine Ahnung. Dörrobst. Dann brauchen wir noch eine unerotische, undurchlässige junge Frau, die den Filmjob als Nebenjob zum Staatstheater begreift und schon ist uns ein neuer, deutscher Weltstar geboren. Deutschland frigid. Durch dieses Kinoöhr geht kein Kamel in den Himmel. Ein Film vom Toleranzler für die Frömmler und Temperenzler. Und kein Intoleranter wird das Kino geläutert verlassen.