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In „Reminiscence“ jagt Hugh Jackman mit technischer Hilfe der Vergangenheit hinterher. Dabei bleibt leider vieles im Ansatz stecken.

Reminiscence - Die Erinnerung stirbt nie (2021)

Eine Filmkritik von Matthias Pfeiffer

Getrieben vom Damals

Nein, Venedig hat nicht mit Neonreklamen aufgerüstet. Die Stadt, die man in den ersten Minuten von „Reminiscence“ zu sehen bekommt, ist tatsächlich Miami. In naher Zukunft ist alles überflutet, die Bevölkerung traut sich aufgrund der Hitze tagsüber nicht mehr auf die Straße und auf denen herrscht auch noch die Gewalt. Die Regierung ist natürlich korrupt, versteht sich ja von selbst. Wahrlich keine rosigen Aussichten. Da schwelgt man doch lieber in Erinnerungen von früher. Und dank der Technik ist das schöner denn je.

Für ihr Regie-Debüt hat Lisa Joy eine durchaus interessante Grundidee entwickelt. Mithilfe einer Maschine, an die die Kunden angeschlossen werden, können diese Erinnerungen ihrer Wahl noch einmal (oder so oft sie wollen) nicht nur abrufen, sondern voll und ganz neu durchleben. Inklusive der Aspekte, die bereits im Unterbewussten verschwunden sind. Betreiber dieses Kinos der Innerlichkeit ist Nick (Hugh Jackman), der mit seiner einzigen Angestellten Watts (Thandie Newton) die Besucher auf ihrer Reise begleitet. Da er Experte für das menschliche Innenleben ist, werden er und seine Technologie gerne auch zur Verbrechensbekämpfung eingesetzt. Er selbst, Zauberer wenn es um die schönen Momente anderer geht, ist jedoch eher resigniert. Die Gegenwart und seine Vergangenheit als Marine-Soldat am Grenzstreifen sind für ihn die Quelle verbitterter Grübelei.

Neben dem Motiv der Flucht ins Innerliche als Geschäftsmodell ist es vor allem das Setting, das in Reminiscence schon früh überzeugt. Die postapokalyptische und trotzdem funktionierende Großstadtmetropole ist stimmungsvoll in Szene gesetzt, bei all der Düsternis ihrer Situation trotzdem beeindruckend schön. Die Parallelen zur Jetzt-Zeit sind ganz klar erkennbar: Nicht nur, dass der Klimawandel hier schon in allerhöchsten Touren läuft, auch das Modell der technisch ermöglichten Weltflucht weckt aktuelle Assoziationen. Ohne Bedenken lassen sich die Bewohnerinnen und Bewohner Miamis an Nicks Gerätschaft anschließen. Dass er und seine Kollegin dabei die intimsten Erinnerungen mitansehen können, scheint keinen Gedanken wert zu sein. Na ja, wir teilen unsere kostbaren Erlebnisse doch auch mit Konzernen, für die sie lediglich ein Geschäftsmodell sind. Auf diesen Schritt käme es also auch nicht mehr an.

Das Herz des sonst so verschlossenen Nick wird dann jedoch in seinen soliden Grundfesten erschüttert. Auf einmal steht die Nachtclub-Sängerin Mae (Rebecca Ferguson) auf der Matte, die gern wissen würde, wo sie ihre Schlüssel verlegt hat. Der Veteran ist hingerissen von dieser rätselhaften Frau, nicht nur von ihrer direkten Präsenz, sondern auch von deren Innenleben, das sich vor ihm abspielt. Schnell kommen sie sich näher, gehen sogar eine feste Beziehung ein, die mehrere Monate hält – bis Mae plötzlich verschwindet. Allen Ratschlägen zum Trotz nimmt der verzweifelte Mann ihre Spur auf, findet sogar Anhaltspunkte in den Daten anderer Kunden und gerät schließlich in eine verschwörerische Spirale, die ein ganz anderes Bild seiner Geliebten offenbart.

Reminiscence hat durchaus das Zeug zum geglückten, futuristischen Film noir, die Vertigo-Vibes sind nicht zu übersehen. Wäre da nicht ein großes Manko: In den ersten zwei Dritteln erlebt man diesen Film wie im Schnelldurchlauf. Lisa Joy und ihr Protagonist springen von einer gefährlichen Situation in die nächste, von einem Indiz zum anderen. Was dabei auf der Strecke bleibt, ist die Zeichnung der Figuren. Alles geht dermaßen schnell voran, dass Nicks Obsession nicht nachvollziehbar ist und mitunter recht unlogisch wirkt. Joy macht den Zuschauern das Einfühlen in die Personen schwer, man merkt, dass sie von der eigenen Geschichte gehetzt wird. Die entwickelt sich auch ohne Frage spannend und raffiniert, was der Film anfangs verspricht, nämlich ein Eintauchen in die Sucht nach den eigenen Erinnerungen und der daraus erwachsenden Gefahr, kann er nicht einhalten. Stattdessen gibt es einige Schlägereien und Halbweisheiten. Zudem wirken die sozialen und ökonomischen Probleme, die angesprochen werden, wie schmückendes Beiwerk. Immer wieder wird ein Krieg angesprochen und Nicks Vergangenheit bei der Grenzpatrouille, aber zu tieferen Aussagen kommt der Film leider nicht. Der Versuch politischer Relevanz bekommt so den Beigeschmack einer Pflichtübung.

So verlässt man das Kino nach Reminiscence leider etwas unbefriedigt, die Anlagen zu einer herausragenden Geschichte jenseits von bloßen Effekten sind gegeben, doch die Regisseurin nutzt sie bedauerlicherweise viel zu wenig. Unterhaltsam sind diese zwei Stunden nichtsdestotrotz, Weiterdenken muss man im Anschluss selbst. Das ist natürlich besser, als ewig auf der Stelle zu treten wie die Vergangenheits-Fetischisten, die er zeigt, aber einen wirklich bleibenden Eindruck, den man immer wieder gern hervorholt, hinterlässt der Film nicht.

Reminiscence - Die Erinnerung stirbt nie (2021)

Nick Bannister ist ein Mann mit ganz besonderen Fähigkeiten: Wie kein zweiter kennt er sich mit den verborgenen Ecken des menschlichen Verstandes aus und ist darauf spezialisiert, verschüttete Gedanken wieder zutage zu befördern und somit seinen Klient*innen zu helfen. doch als mit Mae eine neue Auftraggeberin erhält, stellt das sein sorgsam geordnetes Leben gründlich auf den Kopf. Denn in den Erinnerungen anderer Klienten schient Mae, in die er sich verliebt hat, ebenfalls eine Rolle zu spielen. Und schnell befindet er sich mitten ein einer Verschwörung. 

 

 

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