Log Line

In „Reif für die Insel“ schickt Marc Fitoussi zwei ungleiche Frauen in den Griechenlandurlaub – und konfrontiert sie mit reichlich Chaos.

Reif für die Insel (2022)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Zwei Französinnen in Griechenland

Filme können in uns die Sehnsucht nach fernen Orten wecken. Plötzlich wollen wir uns (als Publikum in Deutschland) mit Harry und Sally durch New York City bewegen, mit Jesse und Céline durchs nächtliche Wien streifen oder mit Amélie durch die Straßen von Paris laufen. Auch die französischen Schülerinnen Blandine (Leelou Laridan) und Magalie (Marie Mallia) geraten in Marc Fitoussis „Reif für die Insel“ durch Luc BessonsIm Rausch der Tiefe“ (1988) ins Träumen und möchten auf die kleine griechische Insel Amorgos reisen, auf der die zwei Helden des idyllisch-hochglänzenden Tauch-Abenteuers aufwachsen.

Nach einem Zeitsprung ins Jahr 2019 erfahren wir jedoch bald, dass die Freundschaft von Blandine und Magalie einst zerbrach, noch bevor sie ihren gemeinsamen Plan umsetzen konnten. Kurz nach einem heftigen Streit zog Magalie weg. Blandine (nun verkörpert von Olivia Côte) ist inzwischen geschieden – und versichert ihrem Sohn Benji (Alexandre Desrousseaux), der gerade in eine WG zieht: „Mir geht’s gut!“ Um seine Mutter dennoch ein bisschen aufzumuntern, sucht er nach Magalie (Laure Calamy) und organisiert ein Treffen der beiden Frauen in einem Restaurant. Die Harmonie von damals will sich allerdings nicht mehr so richtig einstellen; daher beendet Blandine den Kontakt rasch wieder.

Letztlich landet das voneinander entfremdete Duo aber durch eine weitere Intervention von Benji zusammen im Flugzeug nach Griechenland. Gebucht wurde ein Aufenthalt in einem Luxushotel. Magalies unbekümmerte Art führt indes dazu, dass die beiden nach der Ankunft in Santorini nicht ans anvisierte Ziel gelangen, sondern zunächst auf einer wenig besuchten Insel stranden. Und damit fängt das Urlaubschaos erst an.

Die zwei Protagonistinnen werden vom Skript als klare Gegensätze gezeichnet. Blandine arbeitet als MTA in einer Praxis für Radiologie; sie legt Wert auf Struktur und bemüht sich, Unkalkulierbares in ihrem Leben strikt zu vermeiden. Magalie wiederum sieht sich als Freigeist; ihre Wohnsituation ist ebenso ungeregelt wie ihr Job als Freelance-Musikjournalistin, dem sie in jüngster Zeit kaum noch nachgeht. Auch optisch werden die Kontraste hervorgehoben, etwa in den Kostümen: Blandine trägt pragmatische, funktionale Sachen wie eine Steppweste, Magalie hüllt sich in knallige Farben.

Einem so unterschiedlichen Duo dabei zuzuschauen, wie es sich im Laufe eines Trips miteinander zu arrangieren versucht, ist grundsätzlich nichts Neues, sondern ein gängiges Motiv vieler Roadmovies – wie zum Beispiel in John HughesEin Ticket für Zwei (1987) mit Steve Martin und John Candy. Buddy-Movies mit weiblichem Personal sind dagegen noch deutlich in der Unterzahl, und hier liefert Reif für die Insel einen charmanten Beitrag. Die Hauptdarstellerinnen Olivia Côte und Laure Calamy bringen die überspitzten Eigenschaften ihrer Figuren überzeugend zum Ausdruck. Côte erzeugt aus Blandines steifer Verhaltensweise die nötige trockene Komik, während Calamy mit Magalies übersprudelnder Art an Isabelle Hupperts Rolle in Copacabana (2010), ebenfalls geschrieben und inszeniert von Fitoussi, erinnert.

Eine Dritte im Bunde macht die Dynamik zudem noch spannender: Die aus England stammende Kristin Scott Thomas, die zumeist in dramatischen Parts zu sehen ist, verkörpert die Schmuckdesignerin Bijou, die mit ihrem griechischen Partner Dimitris (Panos Koronis) in einer Villa auf Mykonos wohnt und eine alte Freundin von Magalie ist. Scott Thomas interpretiert die Aussteigerin als zuweilen durchaus schroffe Person, die insbesondere Blandine noch mal auf andere Weise als Magalie herausfordert. Alle drei Frauen, die Fitoussi uns präsentiert, haben sehr unterschiedliche Lebensentwürfe und Hintergründe, zu denen wir im Laufe des Plots Näheres erfahren.

Mit seinem Kameramann Antoine Roch findet der Regisseur einnehmende Bilder, wodurch die thematisierte Sehnsucht auch beim Publikum aufkommen kann. Der geplante „Vergiss-alles-Urlaub“ von Blandine und Magalie wird im Endeffekt zu einer klassischen Selbstsuche, die vor allem deshalb funktioniert, weil Freundschaft als wertvolles Gut betont wird.

Reif für die Insel (2022)

Als Teenager waren Blandine und Magalie unzertrennlich. Die Jahre vergingen und sie verloren sich aus den Augen. Als sich ihre Wege wieder kreuzen, beschließen sie, gemeinsam die Reise zu machen, von der sie schon immer geträumt haben.

  • Trailer
  • Bilder

Meinungen