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Brasilien und besonders die Stadt Rio de Janeiro sind für soziale Gegensätze und unbändige Lebenslust bekannt. An diese Eckpfeiler hält sich die romantische Komödie über einen Fabrikantensohn, der sich in eine Medizinstudentin verliebt. Sie soll bloß nicht wissen, dass er reich und arbeitsscheu ist.

Reichlich verliebt (2020)

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Der Traumprinz und die lästigen Tomaten

Der lebenslustige, einzige Sohn eines brasilianischen Tomatenfabrikanten verliebt sich in eine junge Medizinstudentin. Er verschweigt ihr seine Herkunft, weil sie mehr auf Leute steht, die sich aus eigener Kraft etwas aufbauen. Was verdächtig nach einer brasilianischen Telenovela klingt, ist nur fast eine geworden, nämlich eine romantische Komödie, die in Rio de Janeiro und Umgebung spielt. Auch ein Pferd darf nicht fehlen, das der ironisch „Tomatenprinz“ titulierte Held reitet, wenn das Taxi nachts vor einer Fahrt ins Armenviertel zurückscheut. Aller Klischees zum Trotz ist dieser brasilianische Liebesfilm überraschend flott, erfrischend und spaßig geraten.

Teto (Danilo Mesquita) ist es gewöhnt, keinen Wunsch abgeschlagen zu bekommen. Er kriegt jede junge Frau ins Bett, wegen seines Geldes, aber schon auch ein wenig wegen seines unbekümmerten Charmes. Sein Vater, der Fabrikbesitzer Teodoro (Ernani Moraes), liebt ihn von Herzen und wird ihm auch den Geburtstagswunsch eines teuren Cabrios nicht abschlagen können.

Aber nun soll der Filius doch auch mal was lernen und arbeiten, indem er ins väterliche Unternehmen einsteigt. Teto frieren für einen Moment die Gesichtszüge ein, als er das hört, denn schließlich steht die große Geburtstagsparty an und überhaupt kennt das Vergnügen in seinem Leben keine Pause. Wieder einmal hält er seinen besten Freund Igor (Jaffar Bambirra), den Sohn der Haushälterin, davon ab, die Schule zu besuchen und überredet ihn zu Wettkämpfen und einer Cabriofahrt in der bergigen, grünen Landschaft um das heimatliche Provinznest Paty de Alferes. Der seriöse, schüchterne Igor, der von einem Studium im 100 Kilometer entfernten Rio träumt, lässt sich von Teto auch einspannen, als dieser auf die Idee kommt, ein aberwitziges Spiel mit getauschten Identitäten zu veranstalten.

Teto will nämlich plötzlich zeigen, dass er was leisten kann, ohne die übliche Protektion als Fabrikantensohn zu erfahren. Er schreibt sich im Azubi-Auswahlprogramm der väterlichen Firma in Rio ein, unter Igors Namen. Igor wiederum soll sich als Teto dort ebenfalls einschreiben. Nur einer der teilnehmenden Praktikanten wird am Ende die begehrte Stelle im Unternehmen erhalten. Sollte Igor als falscher Teto gewinnen, verspricht ihm dieser sein Cabrio. Obwohl der Film politisch korrekt dem Millionärssohn die Augen über soziale Unterschiede im Land öffnet, streut er seinen Humor breit. Wenn Teto jemandem sein Cabrio als Lohn für Hilfsdienste anbietet, sagen auch diejenigen nicht Nein, die über ein ausgeprägtes Arbeitsethos verfügen.

Der Grund aber, weshalb Teto diese Verwechslungskomödie mit dem Azubi-Programm überhaupt anzettelt, heißt Paula (Giovanna Lancellotti). Die Medizinstudentin steht kurz vor dem Abschluss und bemüht sich als Praktikantin um eine Stelle in einem Krankenhaus in Rio. Ihr hat Teto weisgemacht, dass er der Sohn des Verwalters der Tomatenfabrik ist. Es sei ihm nichts im Leben geschenkt worden und nun wolle er sich hocharbeiten. So gelingt es ihm auch bald, bei Paula zu punkten, die gerade Mühe hat, sich des aufdringlichen Medizinprofessors zu erwehren, der entscheidet, wer die Stelle an der Klinik bekommt.

Die ernsthaften Selfmade-Leute wie Paula, Igor oder die Favela-Bewohnerin Monique (Lellê), die es auf eine leitende Stelle in der Tomatenfabrik schaffte, bekommen immer wieder Hindernisse in den Weg gelegt. Welch große Rolle die Herkunft spielt und wie ungerecht das ist, merkt Teto als falscher Igor nun selbst im Azubi-Programm. Aber der Film stellt den etablierten sozialen Hierarchien eine neue Generation entgegen, die weniger Wert auf Schichtzugehörigkeit legt. Und zugleich bezieht er seine Komik trotzdem aus dem Umstand, dass Teto immer auch bei so vielen Leuten aus der zweiten Reihe der hofierte Star bleibt.

Regisseur Bruno Garotti hat mit Filmen wie Cinderela Pop oder Tudo por um Pop Star eine Affinität für die jugendliche Zielgruppe bewiesen. Auch hier begleitet fröhliche Popmusik immer wieder das Geschehen, das keine Angst vor Kitsch hat, sondern zu Recht darauf vertraut, dass die spaßige, quirlige Leichtigkeit der Inszenierung ansteckend wirkt. Es gibt eine Menge Slapstick, wenn Teto am Kopierer und anderen ihm fremden Gegenständen zugange ist. Sogar unter dem Bett muss er sich einmal verstecken und hören, dass Igor seinen eigenen Ruf als Lover gerade in den Schatten stellt.

Die beiden Hauptdarsteller*innen Danilo Mesquita und Giovanna Lancellotti traten bereits in Telenovelas wie Segundo Sol auf und sehen entsprechend attraktiv aus. Teto ist ein großes Kind, das aber, weil es meistens auf der Sonnenseite stand, mit seinem Schwung und Selbstvertrauen auch jede/n um den Finger wickeln kann. Der geerdete Igor macht ebenfalls eine gute Figur, was die Rivalität der Freunde nur noch reizvoller werden lässt. Aber auch die Darsteller der älteren Charaktere bereichern die Komödie mit ihrer Freude am lustigen, ironisch-überschwänglichen Spiel. Ernani Moraes gibt beispielsweise eine vor Energie strotzende Vorstellung als Tetos liebender Vater, der mit großer Geste über die Eskapaden seines Sohnes hinwegsieht.

Diese Wohlfühlkomödie kann sich definitiv sehen lassen, weil sie der Humor und die Lust an der sanften Persiflage sozialer Klischees nie im Stich lässt. Schöne Blicke auf die Copacabana werden auch geboten. Das reicht für eine Unterhaltung, die in trüben Zeiten so unschuldig wirkungsvollen Genuss bietet wie ein Eis in der Waffel.

Reichlich verliebt (2020)

Teto kommt aus reichem Hause, will seinen Schwarm Paula jedoch mit einer vermeintlich mittellosen Kindheit beeindrucken. Seine Lüge gerät allerdings bald außer Kontrolle.

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