Log Line

Gesichter, die nicht lächeln, Körper, die nackt oder in Folie gehüllt abgelichtet sind: Die Fotografien der drei Künstlerinnen, die dieser Dokumentarfilm porträtiert, entstanden in der DDR der 1970er und 1980er Jahre. Sie sind Ausdruck einer unbestechlichen, widerständigen Empfindsamkeit.

Rebellinnen – Fotografie. Underground. DDR. (2022)

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Fotos eines DDR-Lebensgefühls

Die Kunst der drei Fotografinnen, die Pamela Meyer-Arndt in ihrem Dokumentarfilm porträtiert, ist in ihrer freien Ausdruckskraft automatisch eine politische geworden. Denn die Bilder halbnackter junger Menschen in einem tristen Hinterhof, mit Folie oder Schnüren umwickelter Körper und Köpfe, die ernsten, teils mit Übermalungen akzentuierten Porträts entstanden in der DDR. Das Leid und das Ausgeliefertsein, das aus ihnen spricht, konnte der Stasi nicht gefallen. Wer sich im Arbeiter- und Bauernstaat unterdrückt fühlte, durfte das nicht zur Schau stellen! Tina Bara, Cornelia Schleime und Gabriele Stötzer aber wurden Künstlerinnen in den 1970 und 1980er Jahren in Ostberlin, Erfurt und Dresden, weil sie eine eigene Stimme beanspruchten. Die Behörden stellten ihnen nach und versuchten systematisch, ihnen nach und nach alle kreativen Wege zu versperren.

Heute sind Bara, Schleime und Stötzer international angesehene Künstlerinnen. Sie sind nach der Wende ihren Weg weitergegangen, haben sich weiterentwickelt und auch ihre DDR-Erfahrungen in neuen Werken verarbeitet. Im Dokumentarfilm von Meyer-Arndt blicken sie zurück auf ihre Anfänge und sprechen über die erlittenen Traumata in der DDR. So reiht sich dieser Film, der nicht nur für Kunstinteressierte von Bedeutung ist, in eine Reihe jüngerer Werke ein, die sich dem Klischee vom zwangsweise angepassten, ideologisch straff gelenkten Menschen in der DDR widersetzen. So erinnert derzeit beispielsweise der Spielfilm der Regisseurin Aelrun Goette, In einem Land, das es nicht mehr gibt, an die Protestkultur der alternativen Modeszene im Ostberlin der 1980er Jahre. Im weiten Bereich der jugendlichen und jungen Subkultur gab es zahlreiche Gruppen und Initiativen, die sich Nischen freier Kreativität eroberten. Wurde eine von der Stasi zerstört, ploppte eine andere auf – so gründeten beispielsweise Fotograf*innen, Maler*innen auch Punkbands.

Tina Bara besucht das Haus im Osten Berlins, in dem sie in den 1980ern ein paar Jahre mit anderen Hausbesetzer*innen wohnte. Damals fotografierte sie junge Menschen im tristen Hinterhof, der ein symbolstarkes Bild des Verfalls abgab. Die Frauen und Männer auf diesen Fotos sind nackt oder nur halb bekleidet, wirken verloren, verletzlich, aber auch widerständig, als würden sie die Betrachter*innen fragen, wieso ihre Lebendigkeit in dieser Gesellschaft keinen Platz hat. Zunächst sieht es für Tina Bara gar nicht so schlecht aus, sie stellt ihre Arbeiten 1985 in einer Galerie aus und wird ein Jahr später in den Verband Bildender Künstler der DDR aufgenommen. Dort erhält sie den Auftrag, Arbeiter*innen der Buna-Werke zu porträtieren. Mara fotografiert, allerdings die desolaten Zustände im Chemiewerk, die Umweltverschmutzung, den dicken Karbidstaub auf den Mauern. Nachdem sie diese Fotos ausstellt, wird ihr die Kamera weggenommen.

Cornelia Schleime lacht, als sie erzählt, dass die Stasi dachte, bei ihren mit gemalten Mustern im Stil der alten ägyptischen Kunst versehenen Bildern handele es sich um Botschaften in einer Geheimsprache. Sie bemalt damals Aktfotos, fotografiert mit Papier umwickelte Körper. Den Kritiker*innen, die ihr sagen, sie mache „Müllkunst“, hält sie das Schlagwort vom „erweiterten Kunstbegriff“ entgegen. Eine Ausstellung wird geschlossen, die Punkband, die sie mitgründete, erhält Auftrittsverbot. „Da war ja keine Möglichkeit mehr“, resümiert sie ihren Werdegang in der DDR, der für das Regime viel zu kreativ, produktiv und vor allem provozierend selbstbestimmt war.

Gabriele Stötzer organisiert in Erfurt nach der Ausbürgerung von Wolf Biermann im Jahr 1976 eine Unterschriftensammlung und unterschreibt sie als Erste. Für die Stasi ist sie damit der Kopf einer Widerstandsbewegung. Sie kommt ins Gefängnis. Danach beginnt sie, Kunst zu machen. Ihre performativen Fotoserien, Frauenporträts und andere Werke bezeichnet sie als ein Mittel „gegen die Auslöschung“. Die Stasi will sie wieder ins Gefängnis bringen und spielt ihr einen Transvestiten als Fotomodell zu, in der Hoffnung, sie wegen Pornografie anklagen zu können. Doch die Fotos, die Stötzer macht, sind das Gegenteil davon. Gemeinsam mit ihrem Modell erforscht sie darin differenziert und experimentierfreudig den Ausdruck von Geschlechtlichkeit in Haltung, Körpersprache, Kleidung.

Viele der Arbeiten der drei Künstlerinnen wirken feministisch, obwohl sich die Frauen damals nicht als Feministinnen bezeichnet hätten. Stötzer fotografiert auch heute noch Frauen, deren Haare sie an einem Objekt wie beispielsweise einem Baum festbindet – um die Macht der Vergangenheit zu thematisieren. Tina Bara macht ihre ersten Fotos in der DDR bei einem sommerlichen Treffen der „Frauen für den Frieden“, einer systemkritischen Gruppe. Es entstehen Momentaufnahmen, die zugleich gelöst und erfüllt von Aufbruchstimmung wirken, mit jungen Frauen, die nackt am Ufer eines Badesees sitzen. Keine schämt sich ihres Körpers, aus den Gesichtern spricht Selbstbewusstsein. Diese Frauen beanspruchen ganz selbstverständlich Authentizität im Hier und Jetzt, ein selbstbestimmtes Leben – zu einer Zeit, als auch im Westen viele Frauen gerade erst ihren Blick auf sich selbst und die Gesellschaft feministisch öffnen.

Die rückblickenden Erzählungen der Künstlerinnen, ihre Fotografien und Super-8-Filme, die Archivaufnahmen früherer Interviews formen sich zu einem beeindruckenden Gesamtbild der Selbstbehauptung und des Widerstands. Diese nicht-konformistischen Werke aus der DDR haben etwas Existenzielles, sie sind bildgewordener Beweis, dass zumindest Teile der damals jungen Generation sich ihr Lebensgefühl nicht verordnen und den freien Ausdruck nicht nehmen lassen wollten.

Rebellinnen – Fotografie. Underground. DDR. (2022)

Tina Bara, Cornelia Schleime und Gabriele Stötzer sind Rebellinnen. Als junge Frauen in den 1970ern und 80ern in der DDR sind die Drei voller Sturm und Drang und ohne Furcht. Sie wollen frei sein – und weil das nicht geht, zumindest die Kunst machen, die ausdrückt, was sie fühlen. Ihre Bilder erzählen auf berührende Art und Weise von ihrem Ausgeliefert-Sein in einem System, das viele junge kreative Menschen unterdrückt. Als der Konflikt mit der Staatssicherheit eskaliert, müssen sie sich entscheiden: Bleiben oder gehen. Der Film von Pamela Meyer-Arndt gibt einen neuen Blick frei auf die Kunst und das Leben dieser drei faszinierenden Frauen.

  • Trailer
  • Bilder

Meinungen