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Für jede Menge Rambazamba im öffentlichen Diskurs übers Kunstmachen mit und ohne Handicap sorgt seit 1990 das gleichnamige Theater in Berlin Entstanden in einer Zeit, als der Begriff Inklusion noch in den Kinderschuhen steckte, wird sie hier von allen Akteur*innen täglich vorgelebt. 

Ramba Zamba (2023)

Eine Filmkritik von Simon Hauck

Wer ist hier normal?!

Berlin, Schönhauser Allee 36-39. Alles beginnt mit einer kleinen technischen Einweisung in die Bedienung eines Camcorders für mehrere Theaterschauspieler*innen des „RambaZamba“-Ensembles. Wie funktioniert das mit dem Zoomen? Wo sehe ich das Rotlicht für die Aufnahme? Ach, den Bildschirm kann man sogar bewegen! Wow. Und wo schalte ich das Ding am Ende wieder aus? Sogleich wabert eine gehörige Portion Neugier wie Experimentierlust durch den Raum, denn jede(r) brennt hier für die Bretter, die die Welt bedeuten. 

Jonas Sippel, der seit 2012 dem vielfach preisgekrönten Theater als Ensemblemitglied angehört, ist einer von ihnen. Seine Augen glänzen und sofort macht sich ein herzliches Lächeln breit in seinem Gesicht, als ihm der Camcorder das erste Mal aus den Händen des Theaterleiters Jakob Höhne überreicht wird. Sechs Monate beträgt die Leihfrist für diese handlichen Minikameras, um damit parallel zur Probenarbeit auf der Bühne auch abseits des Theaterbetriebs aktiv als Kameramann aktiv werden zu können. 

Und genau das wird jener charismatische Protagonist aus Sobo Swobodniks neuestem Guerilladokumentarfilm Ramba Zamba, der abermals mit ungeheurem Enthusiamus und ohne Fördermittel während der Corona-Pandemie entstand, in den darauffolgenden Minuten mit einer teils wild wuchernden, aber durchgängig emphatischen Art der Bildgestaltung, auch tun. Was einen als Zuschauer der 90 flott montierten Minuten (Schnitt: Manuel Stettner) rasch in den Bann zieht, wiederholt aufrüttelt oder schlichtweg nur noch neugieriger macht. 

Denn diese brillanten Schauspieler*innen, leben trotz Trisomie 21 oder geistiger  Beeinträchtigungen tagtäglich das vor, was in politischen Sonntagsreden inzwischen zwar zum rhetorischen Handwerkszeug gehört, aber in unserer Alltagswelt leider immer noch nicht vollends umgesetzt wird: Ja, natürlich stehen wir Inklusion und Partizipation. Selbstverständlich machen wir uns unentwegt für Teilhabe und Barrierefreiheit stark. Und faire Löhne, faire Ausbildungschancen gelten bei uns natürlich ausdrücklich für alle Mitglieder des Gesellschaft etc..

Im renommierten „RambaZamba“-Theater, das der unerschrockene Berliner Dokumentarfilmhero Sobo Swobodnik (Der Papst ist kein Jeansboy/Lebe schon lange hier/Bastard in Mind) selbst seit 20 Jahren besucht, werden diese im politischen Diskurs teils hohlklingenden Wortkaskaden bereits 1990 mit extra viel Energie vorexerziert. „Vertrauen ist das Zentrum dieses Theaters“, umschreibt der umtriebige Filmemacher die Besonderheit dieses Hauses. Denn „Anderssein ist eine Bereicherung“. So hat die deutschsprachige Theaterikone Angela Winkler, deren Tochter Nele ebenfalls Teil des Ensembles ist, einmal das Credo dieses solitären Theaterhauses in Worte gefasst, was ebenso für Sobo Swobodniks wahlweise intime wie pulsierende Nahaufnahme (Musik: Elias Gottstein) gilt. 

„RambaZamba“ bedeutet schließlich auch Rabatz, Meuterei und Aufruhr. Bloß nicht wegducken, selbstbewusst der Kunst wie der Welt da draußen zu begegnen, lautet das heimliche Motto dieses ungemein lebensbejahenden Theaterbetriebsporträts, das anlässlich des 30. Geburtstags des „RambaZamba“-Theaters als Idee entstand. Sobo Swobodnik ist klug genug, daraus keine historische Nummernrevue mit gesetzten O-Tönen oder obligatorischen Ausschnitten aus jüngeren „RambaZamba“-Theaterklassikern wie „Die Räuber“ zu montieren, sondern stattdessen mittendrin zu starten: Und zwar mit dem Probenprozess zu Bernd Freytags Theaterstück „Golem aus dem verlorenen Tempel“, den er ein halbes Jahr mit der Kamera von der Leseprobe bis zum Premierenreigen intensiv begleitet.

Hier wird nicht nur aufregend hinter die Kulissen einer außergewöhnlichen Theaterinstitution mit all ihren Gewerken und Mitarbeiter*innen geblickt, sondern schlichtweg das (gemeinsame) (Er-)Leben in all seinen Stimmungsschattierungen gefeiert, was authentische Demobesuche wie Urlaubsreisen nach Südtirol ebenso beinhaltet wie die Arbeit an facettenreichen Choreographien („Welche Farbe bist du?“ – „Grün.“ – „Grün wie die Hoffnung.“ – „Ja.“) oder Gruppenyogaeinheiten, um in den richtigen Flow zu kommen. Bis schließlich der Bühnenraum selbst zum Clubdancefloor transformiert und jede(r) mitgerissen wird von diesem wunderbaren Dokumentarfilm, der zugleich ein Plädoyer für die Freiheit der Kunst wie des generellen Freiseins ist und obendrein durch seine Unmittelbarkeit überzeugt. 

Ramba Zamba (2023)

„Ramba Zamba“ ist ein Film über Inklusion, Integration und Parti­zi­pa­tion anhand des Theaters Rambazamba aus Berlin, an dem exem­plarisch abzu­lesen ist, wie selbiges in diesem Fall von behinder­ten und nicht behinderten Menschen / Schauspieler­Innen besten­falls funktioniert. Ein Theater, das seit mittler­weile dreißig Jahren dieses inklusive, integrative Mit­einander tagtäglich eindrucks­voll lebt und sich erarbeitet. Der Film begleitet die geistig und körperlich beeinträchtigten Schauspieler­Innen filmisch über ein halbes Jahr hinweg anhand einer Theater­produktion vom Anfang der Proben bis zur Premiere. Dabei wird der Film zum Teil auch von den Porträtierten selbst beeinflusst, quasi inklusiv mit­bestimmt, indem sie ihre eigene Sicht und Wahr­nehmung, ihren Blick auf die Wirklich­keit selbst filmisch festhalten. (Quelle: Partisan Filmverleih)

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