Rabbit Hole

Eine Filmkritik von Patrick Wellinski

Mein Herz, mein Herz ist traurig

Alles hier ist sauber, glatt, zurechtgerückt. Ein Haus mit Garten wie aus dem Bilderbuch. Ein Traum des amerikanischen Kleinbürgertums. Es ist Beccas (Nicole Kidman) und Howies (Aaron Eckhart) Traum. Sie bewegen sich in diesem seltsam schläfrigen Film wie Vergessene, wie zwei Menschen, die nicht so richtig in Tritt kommen. Und obwohl sie alles haben, merkt man, es fehlt etwas.
Es dauert gar nicht lange, da lässt Regisseur John Cameron Mitchell (Shortbus) den Zuschauer von Rabbit Hole wissen, was Becca und Howie zugestoßen ist. Ihr kleiner Sohn ist bei einem Autounfall gestorben. Es ist der Tag, an dem ihr Leben stehen geblieben ist, der Tag, an dem die unerträgliche Trauer begann, die heute ihren Alltag bestimmt.

Mitchells Film bewegt sich die meiste Zeit lustlos und gelangweilt zwischen Paartherapie und Küchengespräch. Er deutet die Kluft zwischen den Eheleuten an, rückt dann Beccas schwangere Schwester (Tammy Blanchard), ihre ebenfalls trauernde Mutter (gespielt von der ewig wundervollen Diane Wiest) und den Teenager, der den Sohn angefahren hat, ins Bild — nur um sie alle im gleichen Moment als reine Staffage zu enttarnen.

Denn Rabbit Hole (der auf dem gleichnamigen und mit dem Pulitzerpreis ausgezeichneten Theaterstück von David Lindsay-Abaire basiert) ist nur auf den ersten Blick ein Film über den quälenden Prozess der Trauer. Er ist eher eine hilflos-narzisstische Bildergalerie der Hauptdarstellerin. Nicole Kidman hat viel in dieses Projekt investiert. Um seine Realisierung zu sichern, hat sie den Film sogar mitproduziert. Es sollte ein Befreiungsschlag werden, der die Oscargewinnerin endlich wieder auf die Erfolgsspur bringen sollte. Schließlich waren ihre letzten Filme fast durchweg Kassengift (Australia, Verliebt in eine Hexe, Birth). Und betrachtet man die letztjährige Oscarnominierung für ihre Verkörperung der Becca, dann sollte ihr Engagement als Erfolg gewertet werden.

Bezogen auf Mitchells Film bedeutet das fast im Minutentakt: weinende Nicole, leidende Nicole, schreiende und vor allem stumme Nicole. Die Gemütszustände der Hauptdarstellerin fängt die träge Kamera gerne und lange ein — weil es hier ja eigentlich nur darum geht. Um die Hauptdarstellerin und ihre Fähigkeit zur expressiven Geste oder zum stillen Leiden. Manchmal will der Film das kaschieren. Dann erzählt er von Howie, den Aaron Eckhart ziemlich gleichgültig verkörpert, wohl wissend, dass es auf ihn und seine Figur eigentlich gar nicht ankommt. In diesen Momenten wirkt die ganze Inszenierung haltlos und hangelt sich von Genreklischee zu Genreklischee. Das kann dann selbst die durchaus spielstarke Besetzung nicht retten.

In Rabbit Hole tragen alle Figuren Trauer. Man spürt wie schwer ihre Herzen sind, wie belastend ihnen der Alltag vorkommt. Genau deshalb hätte man gerne viel mehr über die Verfassung von Beccas Mutter erfahren, von ihrer Schwester oder zumindest von ihrem Mann. Doch dies wird uns konsequent verwehrt. Das schadet dem Film, ist aber letztendlich unvermeidlich. Schließlich inszeniert Regisseur Mitchell hier eine strikte Hierarchie der Trauer und an ihrer Spitze steht nun mal einzig und allein Nicole Kidman.

Rabbit Hole

Alles hier ist sauber, glatt, zurechtgerückt. Ein Haus mit Garten wie aus dem Bilderbuch. Ein Traum des amerikanischen Kleinbürgertums. Es ist Beccas (Nicole Kidmann) und Howies (Aaron Eckhart) Traum.
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Meinungen

Sophie · 15.12.2011

Ich habe den Film komplett anders gesehen, als sehr berührende Studie der Trauer, die keine Klischees verbreitet, sondern mit diesen zwar spielt aber sie im letzten Moment eben doch nur streift. Es waren weder alle lustlos noch traurig in diesem Film, für mich war er hoffnungsvoll, und dies auch die Darstellung der Figuren. Und auch wenn die Kamera sich natürlich stark um den Star Nicole Kidman dreht, was richtig hervorgehoben wurde, so ist ebenso hervorzuheben, dass sie das auch stemmen kann. Vielleicht haben Sie den Film zum falschen Moment geschaut oder es ist ganz einfach nicht ihr Thema? Denn es wäre an dieser Stelle informativ gewesen zu wissen, welcher Film den Umgang mit Trauer ähnlich unverkrampft gezeigt hat, wie der hier besprochene.

@Sebastian · 01.07.2011

Danke für den fast richtigen Hinweis. Laut Presseheft heißt der Charakter Becca und nicht Becka. Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen...

Sebastian · 01.07.2011

Wenn man schon den Namen der Hauptperson - nämlich Becka und nicht Bette - nicht richtig mitbekommen hat, weis man ja schon, dass es um die Auffassungsgabe des Rezensenten nicht allzugut bestellt sein kann. Also ist auch diese Kritik keinen müden Pfennich wert.