Puppe

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Traumabewältigung in der kargen Bergwelt

Das Straßenkind Anna (Anke Retzlaff) wird aus Duisburg zur Resozialisierung in die Schweizer Berge geschickt. Dort wohnt Betreuerin Geena (Corinna Harfouch) auf ihrem kleinen Einsiedlerhof mit ihren Schützlingen Maggie (Sara Fazilat) und Emma (Stella Holzapfel) und der jungen Lehrerin Julie (Anne Haug). Geena therapiert nicht im üblichen Sinn, sondern erklärt der 16-jährigen Anna lediglich: „Ich möchte nicht, dass ihr auf der Straße bleibt, ich möchte nicht, dass ihr in den Knast kommt.“ Die drei Mädchen sollen hier in der Natur im Garten arbeiten, die Hühner versorgen und sich einen Weg zurück in die Gesellschaft überlegen. Doch die Wunden der Vergangenheit machen das Zusammenleben in der Enge des Berghauses schwierig. Gleich bei Annas Ankunft herrscht Aufregung, weil Maggie die Lehrerin mit einem Messer bedroht hat.
Der Debütspielfilm von Sebastian Kutzli, der auf den Hofer Filmtagen 2012 gezeigt wurde, stellt in einer Atmosphäre der Kargheit zwei extreme Welten gegenüber. Anna wird in der Stille der Berge, fern von jeglicher Zivilisation, von Albträumen, Erinnerungen und Flashbacks aus ihrer Obdachlosenzeit in Deutschland heimgesucht. Die eingestreuten Rückblenden fügen sich allmählich zu einem regelrechten Thriller, während sich in den Bergen die Situation wegen Maggie, nachdem sie eine letzte Chance erhalten hat, ebenfalls zuspitzt. In ihrem Drehbuch greift die Schweizerin Marie Amsler auf eigene Erfahrungen als ehemalige Betreuerin in einem französischen Erziehungscamp zurück.

Geena unterhält sich eher beiläufig und knapp mit ihren Schützlingen, aber sie ist zur Stelle, wenn es brenzlig wird. Nachdem sie Anna bei ihrem Fluchtversuch aus einem nächtlichen Gewitter rettet, fasst das Mädchen langsam Vertrauen zu ihr. Maggie hingegen, die zunächst versucht, Anna an sich zu binden, entpuppt sich als Lügnerin. Im Gegensatz zu Anna und Emma hat sie wenig Freude am Gemeinschaftsleben auf dem Hof. Aber auch dieses kriminelle Mädchen sehnt sich verzweifelt nach Liebe.

Die überzeugende Figurenzeichnung von der ernsten Anna bis zur manipulativen Maggie leidet nicht unter der Knappheit der Dialoge. Im urigen Haus und draußen vor den grauen Felswänden mit ihren Schneestreifen bleibt jede Szene auf das Nötigste reduziert. Kutzli sucht nach der Atmosphäre des Alltags nicht in der Tiefe, sondern erzeugt sie durch Weglassen von allem, was über schlaglichtartig beleuchtete Momente hinausginge.

In dieser Kargheit kann sich der Thriller, zu dem sich Annas zwei Welten fügen, besonders wuchtig entfalten. Aber der Film wirkt auch rätselhaft, weil die sparsamen Andeutungen der Rückblenden und die kurzen Dialoge sehr viel verschweigen. Wenn dann noch spät eine Verbindung zwischen Annas früherer und jetziger Welt konstruiert wird, schmälert das die Glaubwürdigkeit der Geschichte. Die im Titel erwähnte Puppe ist ein Gegenstand, den Anna auf dem Hof findet, aber auch ein Hinweis auf die Erfahrungen der Mädchen mit sexueller Ausbeutung und Missbrauch. Das ist alles ein bisschen viel für einen einzigen Film. Atmosphärisch jedoch verfehlt er seine Wirkung nicht.

Puppe

Das Straßenkind Anna (Anke Retzlaff) wird aus Duisburg zur Resozialisierung in die Schweizer Berge geschickt. Dort wohnt Betreuerin Geena (Corinna Harfouch) auf ihrem kleinen Einsiedlerhof mit ihren Schützlingen Maggie (Sara Fazilat) und Emma (Stella Holzapfel) und der jungen Lehrerin Julie (Anne Haug). Geena therapiert nicht im üblichen Sinn, sondern erklärt der 16-jährigen Anna lediglich: „Ich möchte nicht, dass ihr auf der Straße bleibt, ich möchte nicht, dass ihr in den Knast kommt.“
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