Pudana - Last of the Line

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Kühles Docufeature über das langsame Aussterben eines Volkes

Rund 41.000 Nenzen gibt es noch in Russland. Das indigene Volk, das im europäischen Teil Russlands und im Nordwesten Sibiriens angesiedelt ist, lebt nach wie vor vor allem von der Rentier-Zucht, vom Fischfang und der Jagd und hat sich zumindest weitgehend seine Sprache und Kultur erhalten können. Allerdings war dieser Prozess der Erhaltung der eigenen Identität keineswegs unproblematisch. Von diesen Problemen erzählen die beiden Filmemacher Anastasia Lapsui, die selbst dem Volk der Nenzen entstammt und ihr finnischer Kollege Markku Lehmuskallio, in Pudana – Last of the Line / Sukunsa viimeinen, der bei der Berlinale 2010 in der Reihe Generation 14+ zu sehen war.
Der Film erzählt in Rückblicken die Geschichte der kleinen Neko (Aleksandra Okotetto), die in den Sechzigerjahren des 20. Jahrhunderts gegen ihren Willen von der sibirischen Halbinsel Jamal in eine weit entfernte russische Schule umziehen muss. Dort nimmt man ihr ihren Namen, ihre Lebensgewohnheiten und versucht aus ihr eine folgsame Russin zu machen. Das Mädchen reagiert auf seine Weise und verweigert sich zunehmend der kulturellen Vereinnahmung, was ihre Isolation noch weiter verstärkt. Bis sie sich eines Tages dazu entschließt, aus der Schule zu fliehen und durch die eisige Tundra zu ihrem Volk und ihrer Familie zurück zu kehren. Doch sie kann den Veränderungen und dem schleichenden Untergang ihres Volkes auch damit nicht aufhalten. Denn sie ist die letzte ihrer Familie (so lautet auch der deutsche Titel dieses Films)…

Auch wenn die erwachsene Neko / Nadja (Nadezhda Pyrerko), die ihre eigene Geschichte erzählt, am Ende nur wenig Bedauern für ihren Lebensweg äußert, erzählt der Film doch eine andere Geschichte – eine von Schmerz und Bedauern über die Veränderungen, die über die Nenzen hereingebrochen sind. Und selbst wenn die Vorkommnisse, die auf den Kindheitserinnerungen der Regisseurin Anastasia Lapsui beruhen, weit zurückliegen und die Nenzen heute sogar über ein Autonomiegebiet verfügen – damals wie heute sind es vor allem die riesigen Öl- und Gasvorkommen in der Tundra, die den Fortbestand dieses Volkes nach wie vor gefährden.

Mit weitgehend statischen Einstellungen, aufs Äußerste reduzierten Dialogen und zum Teil grandiosen Landschaftsaufnahmen erzählt Pudana – Last of the Line kühl und distanziert vom Verschwinden einer Kultur, wie sie sich derzeit auf unserem Planeten vielfach vollzieht und verzichtet dabei trotz des eher jugendlichen Zielpublikums nicht darauf, die Widersprüchlichkeiten einfach stehen zu lassen. Dennoch gelingt dem Film ein faszinierender Einblick in das Leben eines Volkes, das bislang allenfalls ethnographischen Experten bekannt gewesen sein dürfte.

Pudana - Last of the Line

Rund 41.000 Nenzen gibt es noch in Russland. Das indigene Volk, das im europäischen Teil Russlands und im Nordwesten Sibiriens angesiedelt ist, lebt nach wie vor vor allem von der Rentier-Zucht, vom Fischfang und der Jagd und hat sich zumindest weitgehend seine Sprache und Kultur erhalten können.
  • Trailer
  • Bilder

Meinungen