Public Enemies

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Mittendrin – oder doch nur dabei?

Zufall oder nicht: 2009 ist zumindest cineastisch betrachtet das Jahr der Staatsfeinde. Nach Jean-François Richets Doppelschlag Public Enemy Nr. 1 – Mordinstinkt und Public Enemy Nr. 1 – Todestrieb über den real existierenden Gangster Jacques Mesrine schickt nun Michael Mann mit seinem Biopic über John Dillinger einen weiteren Staatsfeind auf die Kinoleinwand. Dessen Lebensgeschichte ist in den USA längst Legende. Und irgendwie passt sie auch bestens in unsere Zeit: Denn Dillinger wurde in einer Zeit tiefster wirtschaftlicher Depression beinahe als eine Art Robin Hood verehrt, der vor allem die Banken ausraubte, die mit ihren windigen Geschäften die Krise mit verursacht hatten. Was ihm zumindest die klammheimliche Zustimmung weiter Teile der Bevölkerung einbrachte. Eine Ausgangslage also, in der man durchaus Parallelen zum Hier und Jetzt erkennen kann. Michael Mann aber macht aus dieser Prämisse nahezu nichts, sondern konzentriert sich neben den erprobten Formeln des Gangsterfilms à la Michael Mann vor allem auf die  — zugegebenermaßen bestechende – formale und ästhetische Gestaltung.
Im Mittelpunkt der rasant gefilmten Geschichte, deren digitale Bilder ein Gefühl absoluter Unmittelbarkeit vermitteln, steht Dillingers letztes Jahr vor seinem gewaltsamen Tod im Juli 1934. Der smarte Gangster (Johnny Depp), der auf den ersten Blick wirkt wie ein Überbleibsel aus den goldenen Zeiten des Wilden Westens, wird vom „Bureau of Investigation“ (das F für Federal fehlte zum damaligen Zeitpunkt noch, es sollte erst 1936 hinzukommen) unter der Leitung von J. Edgar Hoover (Billy Crudup) erbarmungslos gejagt. Trotzdem scheint der Gangster seinen Ruhm und die mediale Aufmerksamkeit geradezu zu genießen. Immer dreister werden seine Coups, die sich längst nicht mehr nur auf Banküberfälle beschränken, sondern auch die Staatsmacht direkt angreifen und damit in Frage stellen. Vor dem Hintergrund der desolaten wirtschaftlichen Lage ist das eine Provokation, die sich die Regierung nicht bieten lassen kann. Und so wird die Jagd auf den Staatsfeind Nummer 1 und seine Bande schließlich zur absoluten Priorität erklärt und alle verfügbaren Kräfte mobilisiert. Dillingers direkter Gegenspieler ist der Agent Melvin Purvis (Christian Bale), dem es schließlich gelingt, mit Hilfe von Verrätern die Bande des Staatsfeindes Nummer 1 zu unterwandern und den Gangster dank des Tipps einer Freundin von Dillingers Geliebten (Marion Cotillard) zu stellen. Es kommt zur finalen Auseinandersetzung der beiden Widersacher…

Die Dialektik von Gut gegen Böse, der erbitterte Kampf eines Verbrechers gegen einen Polizisten, wobei die beiden unter anderen Umständen genauso gut Verbündete sein könnten – dies ist sozusagen das Markenzeichen der Filme von Michael Mann. Und insbesondere in seinem „opus magnum“ Heat aus dem Jahre 1995 geht diese vergleichsweise simple Grundstruktur auch wunderbar auf. Kein Wunder also, dass auch Public Enemies vor allem auf den Kampf zweier Männer fokussiert. Was auch angesichts der beiden Publikumsmagneten Johnny Depp und Christian Bale zumindest aus Sicht des Marketings kein schlechter Schachzug ist. Allerdings funktioniert dies bei Public Enemies bei weitem nicht so gut wie bei Heat. Was vor allem an der recht schwachen Figur des Agenten Melvin Purvis liegt, dessen Motivationen kaum ausgearbeitet sind und der deshalb als ernstzunehmender Widersacher erschreckend blass bleibt. Vom Psychoduell zweier ebenbürtiger Gegner, wie dies einst Robert De Niro und Al Pacino waren, ist hier nichts zu spüren.

Überhaupt wirkt vieles an der Geschichte dramaturgisch wenig zwingend, die Liebesgeschichte zwischen Dillinger und dem Hutmädchen Billie osziliiert zwischen purem Kitsch und der Degradierung der großen Liebe des Gangsters zum schmückenden Beiwerk. Trotz der gewaltigen Länge von 140 Minuten und einem Handlungszeitraum von gerade mal einem Jahr wirkt vieles an Public Enemies bruchstückhaft, weist erhebliche Lücken und Glaubwürdigkeitsprobleme auf und lässt deshalb – außer in den und gewohnt grandios inszenierten Schießereien und Action-Szenen – den Zuschauer eher kalt.

Umso furioser wirkt da Michael Manns entfesselte Kamera, die immer wieder den Eindruck erweckt, als sei ein Reporter unserer Tage dem Helden von einst mit einer Digicam dicht auf den Fersen, als sei man mittels einer Zeitmaschine in die Dreißigerjahre des vergangenen Jahrhunderts katapultiert worden und befinde man sich mittendrin im Geschehen – und das ist schon für jeden Zuschauer ein zutiefst beeindruckendes Erlebnis, so nah dran an den Ereignissen zu sein. Umso bedauerlicher, dass die Geschichte selbst genau jene Zuschauerbeteiligung verweigert, die Michael Mann mit so viel Mühe und Kunstfertigkeit hergestellt hat. Wenn dies gelungen wäre, dann wäre Public Enemies mit Sicherheit ein stilprägendes Meisterwerk geworden, das noch in vielen Jahren seine Gültigkeit gehabt hätte. So aber ist Michael Manns Film nur ein grandios gefilmtes Gangsterepos mit erheblichen dramaturgischen Schwächen. Manchem Zuschauer mag das aber bereits reichen.

Public Enemies

Zufall oder nicht: 2009 ist zumindest cineastisch betrachtet das Jahr der Staatsfeinde. Nach Jean-François Richets Doppelschlag „Public Enemy Nr. 1 – Mordinstinkt“ und „Public Enemy Nr. 1 – Todestrieb“ über den real existierenden Gangster Jacques Mesrine schickt nun Michael Mann mit seinem Biopic über John Dillinger einen weiteren Staatsfeind auf die Kinoleinwand.
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Meinungen

TR · 05.04.2010

Nch einer halben Stunde stellte ich fest: Der Film reißt mich nicht gerade vom Hocker.
Nach einer Stunde stellte ich fest: Der Film packt mich in keinster Weise.
Nach eineinhalb Stunden war mir klar: Der Film langweilt mich.
Unmittelbar darauf erfolgte der längst überfällige Interrupt.

Herr Klaus · 08.09.2009

Nä. Diese Digitaloptik gibt mir nichts. Die ganzen schicken Kulissen sehen wie in einem Studentenfilm aus, und all das groß angelegte wird ganz klein.

S.A.S. · 12.08.2009

Hallo.
Weiß vielleicht jemand wie das lied im Abspann dieses Filmes heißt??

Steffen A. S.

JFM · 10.08.2009

Überzeugend gespielt. Gute Kamera wie immer. Geschichte souverän erzählt und ohne gewagte Spekulationen. Es wurde getan, was man konnte - Nicht mehr und nicht weniger. Es muss nicht immer alles ein "Meisterwerk" sein. M.Mann hat das schon auf dem Schrank stehen. Der Film ist gut. Was hätte man von einem zweiten Heat?

Aerigan · 07.08.2009

Ich habe mich Monate lang auf diesen Film gefreut und bin tierisch enttäuscht!
Der Film ist langweilig, ohne Inhalt und einfach tierisch hirnlos.
Größte Enttäuschung seit langem.