Log Line

Viele träumen davon, mit selbstgedrehten Sexvideos aus dem heimischen Schlafzimmer reich zu werden. Für das junge Paar, das in diesem Dokumentarfilm porträtiert wird, ist der Traum auf Anhieb ein Stück weit wahr geworden. Nun greift es, vom Erfolg berauscht, gedanklich schon nach der ersten Million.

Pornfluencer (2022)

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Jung, geil und plötzlich reich

Andrea und Nico sind ein blutjunges Pärchen, das die Schule beziehungsweise Ausbildung geschmissen hat. Denn das Ziel der beiden ist es, schnell reich zu werden. Genauer gesagt, verdienen sie jetzt einen Haufen Geld, indem sie sich selbst beim Sex filmen. Ihr Plan lautet, eine Million Euro innerhalb eines Jahres einzufahren. Das fröhliche, verliebte Paar gibt in seinem Domizil, das aus steuerlichen Gründen auf Zypern liegt, freimütig Auskunft über einen Alltag, der wie unbeschwerte Party anmutet.

Andrea, die im Internet Jamie Young heißt, strahlt eigentlich immer und lacht viel. Auch Nico fängt oft mit ihr zu kichern an, wenn sie in diesem Dokumentarfilm von sich erzählen. Offenbar können sie es selbst nicht so recht fassen, dass sie mit ihren hausgemachten Pornos im Internet so gut ankommen. Im ersten Monat, sagt Nico, hätten sie mit dem Verkauf schon 10000 Euro verdient. Das große Abenteuer scheint zu klappen. Andrea wähnt sich im Vorteil gegenüber ihren Freundinnen, die weiter die Schulbank drücken, während sie ein freies Leben führt. Reichtum, so betonen die beiden, gebe ihnen Freiheit. Sie flanieren unter Palmen auf der Strandpromenade, schauen in die Shops und vergessen nie, Andrea alias Jamie in sexy Posen für ihre Social-Media-Auftritte mit dem Handy abzulichten.

In diesem Dokumentarfilm der Filmakademie Baden-Württemberg nehmen Regisseur Joscha Bongard und sein auch für den flotten Schnitt zuständige Co-Autor Wolfgang Purkhauser zwei Vertreter einer Generation ins Visier, die von Influencer*innen geprägt ist und von erfolgreicher Selbstvermarktung im Netz träumt. In einer Sequenz stellen die Filmemacher die YouTube-Auftritte verschiedener Mentaltrainer nebeneinander, die Sachen wie „Die meisten Menschen scheitern am Selbstvertrauen“ sagen. Nico und Andrea praktizieren jeden Morgen vor dem Spiegel Selbstaffirmation. Nico spricht sich unter anderem vor, „Alle Frauen lieben meinen Penis“, Andrea sagt „Ich bin das hübscheste Mädchen der Welt“. Beide predigen sich, dass sie es verdienen, reich zu sein. Bei einem ihrer Pornodrehs ist auch die Kamera der Dokumentarfilmer beobachtend zugegen.

Wer glaubt, dass die Träume dieser beiden jungen Glücksritter doch irgendwann wie Seifenblasen zerplatzen müssen, befindet sich augenscheinlich im falschen Film. Denn das Paar scheitert nicht, obwohl der Film ohne Worte an der Stabilität ihres Erfolgsmodells leise Zweifel sät. Die Musik wird manchmal so ernst und fast unheimlich, als stehe etwas Schlimmes bevor. Und die Selbstdarstellung des Pärchens kommentiert der Film mit humorvollen Einschüben: Als Nico davon erzählt, dass er anfangs nach Möglichkeiten googelte, schnell Geld zu machen, tippt jemand auf der Bildebene den Text „How to make money online fast“ in die Browserzeile.

Der flotte, gewitzte und sehr einfallsreiche Stil des Films spiegelt das Thema permanenter Selbstinszenierung. Die Dokumentarfilmer präsentieren die Aufnahmen ihrem Publikum des Öfteren als Teil einer Webseite namens Pornfluencer.eu und es wird, sozusagen als Film im Film, auf dem gedrehten Material weitergeblättert oder zurückgespult. Die Art der Inszenierung scheint darauf anzuspielen, wie sehr die Vorstellungen der beiden Protagonisten von einer virtuellen Realität bestimmt sind, vom Wunschdenken, dass sie im Internet nach den Sternen greifen können. Nico und Andrea suchen gedanklich schon den Schulterschluss und die Begegnung mit Superreichen wie Elon Musk und Mark Zuckerberg.

Das Schmunzeln über die Naivität des Pärchens bekommt einen leicht bitteren Geschmack, wenn ein Experte das archaische Macho-Männerbild der Pick-Up-Szene erläutert, das Nico teilt. Oder wenn eine animierte Grafiksequenz mit Off-Kommentar erklärt, dass ein Unternehmen den Hauptteil der Einnahmen einstreicht, die mit Pornovideos wie denen von Nico und Andrea im Netz erzielt werden. Andrea möchte, wie sie gegen Ende des Films sagt, später auch mal etwas anderes als Pornos machen. Aber noch leben diese unbeschwerten jungen Menschen gut von ihrer Liebe und ihrem Sex. Man sieht und hört ihnen in diesem spannenden und unterhaltsamen Film verblüfft und einigermaßen ratlos zu.

Pornfluencer (2022)

Pornfluencer – das sind die neuen Influencer, über die niemand spricht, die aber trotzdem jeder kennt. Jamie Young und Nico Nice aka Youngcouple9598 aka Andreea und Nico haben als Porno-Paar im Internet ein Vermögen gemacht. Jetzt leben sie ihren Traum unter Palmen im Steueridyll Zypern. Doch wie sieht es hinter der Fassade aus? Joscha Bongards Dokumentarfilm beginnt als sex-positives Porträt und wird zunehmend zu einer vielschichtigen Auseinandersetzung mit Liebe, Scham, Beeinflussung, und Erfolg. (Quelle: Salzgeber)

  • Trailer
  • Bilder

Meinungen

Marc · 24.08.2023

Sie ist sein Spielzeug...er darf alles..sie nur mit seiner Erlaubnis..er spielt weiter die Methoden des Pickup .....schönes Beispiel...das Foto zw den Autos ..."wenn du nicht machst was ich sage dann mach das Foto selber....

Und immer dieses kindische gegluckse......schlimm

V · 02.07.2023

Es lohnt sich auf die unterschliedliche Nuancen zu achten, die in ihre jeweiligen Affirmationen aufweisen, in ihnen zeichnet sich das ungleiche Machtverhältniss schon ab. Nur schade das dieses ökonomisch nicht weiter ergründet wird, aber es lässt sich ab hier warscheinlich schon erahnen.

Sandra · 18.08.2023

Ja, das fiel mir bei den jeweiligen vorm Spiegel vorgetragenen Affirmationen auch auf. "Nico ist der Boss". Ich mache immer, was Nico sagt". Echt krank, wie sie sich in ihrer naiven Verliebtheit von ihm manipulieren und lenken lässt.

Katha · 20.10.2022

Ich finde es wichtig hier den Film an sich zu bewerten und nicht die Dynamik in der Beziehung. Ich fand die Aufmachung des Films äußerst gelungen mit dem Aspekt des Klickens. Durch das hin und her springen in den verschiedenen Szenen werden Problematiken in der Beziehung gezeigt ohne sie wirklich zu kommentieren oder zu bewerten. Trotzdem ist die kritische Grundhaltung hinter dem Film klar. Von daher hatte ich trotz der schrecklichen Beziehungsdynamik „Freude“ am schauen.

Peter · 15.07.2022

Ich habe den Film nicht gesehen, grad das erste Mal wurde mir der Film angezeigt durch Zufall...
Tatsächlich sehe ich hier, und das nur kurz aus dem Video, dass das Mädel mehr hörig zu sein scheint? Ich irre mich selten. Aber wie unten schon erwähnt... - es wird bestätigend drauf gewartet (durch Blicke), was die Reaktion ihres Freundes ist, nachdem sie ihre Stimme beendete. Ist das jetzt echt ein Doku Film über Teens, die Pornos drehen und damit ihren Unterhalt verdient? Pornos sind heute nicht mehr weg zu denken. Ihr erwartet sicher nichts anderes von einem Mann jetzt, aber lieber solche Pornos, als mit ständig anderen Menschen. Selbst wenn's safe ist. Und wenn man mit Spaß daran, Geld verdienen will, dann macht man sein Hobby zu Geld und ich finde es nicht verwerflich.

Sofia · 12.05.2022

Ich bin sehr verwundert über diese Rezension. Die Rezensentin hat den Film offenbar völlig anders geguckt und eingeordnet als ich - weitestgehend unkritisch. Ich habe es so wahrgenommen: Andrea aka. Jamie Young wird von ihrem Freund in seinen Traum von Geld
und Sex gepresst. Sie scheint keine eigene Stimme zu haben, wartet mit so ziemlich jeder Aussage, die sie in den Interviews im Film trifft, erst darauf, was ihr Freund sagt. Das Machtgefälle zwischen den beiden springt einen förmlich an. Er war ihr erstes Mal, sie ist jung und offensichtlich sehr unschuldig – was nicht heißt, dass sie nicht zeitweise auch Gefallen finden kann an dieser Tätigkeit. Aber es gibt x Szenen, in denen deutlich wird, dass er sie drängt. Dass er das Sagen hat und sich befugt fühlt, ihr Befehle zu erteilen und letztlich, ja, ihren Körper der Öffenlichkeit zu präsentieren und zu verkaufen. Ich war sehr schockiert von der Dynamik zwischen den beiden, die sich fernab von Freunden, isoliert im Ausland befinden. Mich hat der Film sehr schockiert.

Al86 · 19.05.2022

Genau das habe ich mir auch gedacht. Ich würde sogar noch weiter gehen ich sehe hier eine Form von emotional abuse. Er entzieht ihr Liebe wenn sie nicht tut was er sagt oder nimmt sie in den Arm wenn sie seine Befehle befolgt. Ganz furchtbar ich war schockiert und alle schauen einfach nur zu. Ich gebe @sofia in allen Punkten recht

Nils · 17.07.2022

Unmittelbar nach dem Film hab ich das auch so gesehen. Aber dann wiederum: Er steht genauso vor dem Spiegel und wendet diese Selbst-Hypnose auf sich an. Seine ganze Art und all seine Ansichten sind letztlich von Selbst-Hilfe Gurus aus dem YouTube Kosmos übernommen. Auch er hat keine eigene Stimme. Am Ende unterwerfen sich beide dem Wunsch nicht bloß ein gutes Einkommen zu haben, sondern Super Reich zu werden. Die Summe die sie dort eingenommen haben ist ja auch unfassbar hoch. Das hat gewiss eine verführerische Kraft an sich die es nicht zu unterschätzen gilt. Ich frag mich da vor allem wer das Geld verwaltet... wenn am Ende er allein darüber verfügt, könnte es Andrea passieren das er sich eine neue 18 jährige sucht und sie auf einmal ohne Ausbildung und komplett pleite dasteht. Eventuell noch nicht mal mit dem Copyright an ihren Künstlernamen oder an ihren Filmen. Er ist aber auch noch relativ jung, wer weiß... vielleicht ändert sich sein Gemüt noch etwas...

Sandra · 18.08.2023

Ja, er nutzt ihre Naivität und Verliebtheit für seine Wünsche und Bedürfnisse schamlos aus. Man kann nur hoffen, dass ihr irgendwann (und hoffentlich nicht zu spät) die Augen aufgehen. Von seiner Seite ist es keine wahre Liebe sondern lupenreine Manipulation. Ohne ihre Kindlichkeit und Natürlichkeit wäre für ihn im Pornobusiness schnell der Ofen aus. Deswegen hält er sie sich warm nach dem Motto: Solange die Kuh Milch gibt, muss man sie melken. Und sie macht ja weitgehend alles brav mit, was er möchte. Er soll ja nicht sauer oder böse werden, denn dann fühlt sie sich schlecht