Ponyo - Das große Abenteuer am Meer (2008)

Eine Filmkritik von Peter Gutting

Wenn das Meer zurückschlägt

Es muss nicht immer Computer sein: Mit klassischer Zeichentricktechnik hat der Japaner Hayao Miyazaki eine Märchenwelt geschaffen, die sich vor Großproduktionen wie Avatar oder Alice im Wunderland nicht zu verstecken braucht. Im Gegenteil, die Farb- und Formenvielfalt, die die Animateure des Studio Ghibli hier auf die Leinwand gezaubert haben, wirkt „echter“ als manche Kreatur, die ihr Leben einer Rechenmaschine verdankt. Ponyo – Das große Abenteuer am Meer / Gake no ue no Ponyo ist ein Film für Kinder und Erwachsene. Und zwar nicht nur in dem Sinne, dass Erwachsene an den Abenteuern zweier Fünfjähriger ihren Spaß haben. Regisseur Miyazaki hat eigentlich zwei Filme in einen verwoben. Der eine erzählt ein kindgemäßes Märchen in entfernter Anlehnung an Hans Christian Andersens Die kleine Meerjungfrau. Der andere reflektiert auf assoziationsreiche Weise über das, was in der Menschenwelt schief läuft. Und stellt dabei mehr Fragen, als Antworten zu geben. Philosophische, ökologische und tiefenpsychologische Fragen.

Die kleine Ponyo ist ein Goldfischmädchen, das mit seinem Vater und vielen Geschwistern im Meer lebt. Eigentlich fehlt es Ponyo an nichts, schließlich ist ihr Vater, der gestrenge Zauberer Fujimoto, ein mächtiger Mann. Allerdings hat er Ponyos Mutter vergrault, die Göttin des Mitgefühls. Sie lebt nicht mehr bei der Familie.
Ob nun aus einem Gefühl des Mangels oder aus reiner Neugier – eines Tages büchst Ponyo aus. Das ist ein gefährliches Abenteuer. Ponyo landet halbtot an einem Strand, wo sie der fünfjährige Sosuke findet. Von einer Sekunde auf die andere will Ponyo nur noch eins: Bei Sosuke bleiben und ein richtiger Mensch werden, mit Armen und Beinen und allem, was dazugehört. Das Problem ist nur: Beim Übergang vom Fisch zum Menschen hat Ponyo magische Kräfte von ungeheurer Zerstörungskraft freigesetzt. Das Meer tobt, riesige Wellen drohen Tsunami-gleich die ganze Menschheit zu ertränken. Und niemand weiß, wie das Ganze zusammenhängt.

Während den Kindern im Zuschauersessel ein Abenteuer geboten wird, dürfen sich die älteren Zuschauer an einer Darstellung des Meeres freuen, wie sie sinnenfroher kaum denkbar ist. Hayao Miyazaki bietet große Oper und Ballett zugleich. Wie choreografiert schweben da die Quallen über die Leinwand, tänzelnd entfalten Schwärme von Fischen ihre Pracht. Das Meer entwickelt sich zum Handlungsträger und bietet Anknüpfungspunkte für Gedankenströme, die keinen festen Boden unter den Füßen brauchen, sondern sich einfach treiben lassen dürfen. Dass die Natur zurückschlägt, wenn der Mensch ihr etwas raubt, mag einem in den Sinn kommen. Oder der Gedanke an die psychologische Dimension dessen, was unter der Oberfläche wuchert. Aber auch das Sinnieren über die folgenschwere Trennung des Magischen vom Rationalen, von Trieb und Intellekt. Der Film ist für viele Deutungen offen – Freunde der Oper werden sicher noch weitere Anspielungen entdecken.

In jeden Fall lädt die Metapher des Meeres dazu ein, in die Tiefe zu tauchen. Das muss man aber nicht. An der Oberfläche dieses Films lebt es sich genauso vielfältig und abwechslungsreich. Das ist vielleicht die größte Leistung des Regisseurs: Die flacheren Strömungen mit den tieferen Gewässern so elegant ineinanderfließen zu lassen, dass das Ganze ein munter sprudelnder Bach bleibt.
 

Ponyo - Das große Abenteuer am Meer (2008)

Es muss nicht immer Computer sein: Mit klassischer Zeichentricktechnik hat der Japaner Hayao Miyazaki eine Märchenwelt geschaffen, die sich vor Großproduktionen wie „Avatar“ oder „Alice im Wunderland“ nicht zu verstecken braucht. Im Gegenteil, die Farb- und Formenvielfalt, die die Animateure des Studio Ghibli hier auf die Leinwand gezaubert haben, wirkt „echter“ als manche Kreatur, die ihr Leben einer Rechenmaschine verdankt.

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Meinungen

netted · 02.07.2009

Es scheint nun so, als ob es doch berechtigte Hoffnungen auf PONYO im Kino geben darf. Anstatt den Film gleich auf DVD zu veröffentlichen (so die vorherige Aussage), hat die Constantin nun vom Titel Abstand genommen und damit den Weg frei gemacht, Miyazakis kleinem Fisch noch einmal alle Chancen einzuräumen, einen Weg auch in die deutschen Kinos zu finden.

Ich denke, diese Entscheidung verdient Hochachtung, hat man doch den Eindruck, dass hier respektvoll mit Fans wie auch dem Kunstwerk umgegangen wurde.

Nun bleibt abzuwarten, wo PONYO wieder auftauchen wird...