Pommes Essen

Eine Filmkritik von Lida Bach

Futtern wie bei Muttern

Früher war die Welt noch in Ordnung. Da zogen die Kumpel fröhlich unter Tage und die Industrie lief geschmiert wie die Bohrmaschinen. Kohle gab es im Überfluss, im Ruhrgebiet, in Duisburg und in der Bude. Großvater Frey (Peter Bongartz) hat den Curry-Imbiss aufgemacht, um in „Freys Feynem Imbiss“ Wurst und Pommes zu verkaufen, nur echt mit der Spezialsoße nach hauseigenem Geheimrezept. Pommes essen, wie es Tina von Traben im Titel ihres dickköpfigen Kinodebüts nennt, war zu Zeiten hungriger Arbeiterströme eine brillante Geschäftsidee.
Doch vorbei sind die Tage des Aufschwungs, die zum Auftakt des Spielfilmdebüts der Regisseurin in ironisch gebrochener Nostalgie in Schwarz-Weiß-Aufnahmen vorgaukeln, alles sei in Butter. Doch genau das ist es nicht in der Bude, die sich weder lokal noch kulinarisch vom Fleck bewegt hat seit den Jahren des Wirtschaftswunders. Auf ein solches hoffen auch Frieda Frey (Anneke Kim Sarnau) und ihre Jüngste Lilo (Tabea Willemsen) und deren ältere Schwester Selma (Marlene Risch). Bei der täglichen Arbeit im von ihrem verstorbenen Vater übernommenen Imbissstand gerät Frieda mächtig ins Schwitzen. Grund dafür sind weder Brathitze noch Kundenandrang, sondern es ist viel mehr der Mangel an hungrigen Mündern, der die Single-Mutter um den Schlaf bringt. Selma und Lilo liegen wach neben ihr und sind vielleicht nur zu ihr ins Bett gekrochen, um statt Geborgenheit zu suchen, Geborgenheit zu spenden für die heimlich Sorgentränen weinende Frieda.

Die arbeitet buchstäblich bis zum Umfallen, nachdem sie zur Kur muss. Beim Versuch, den Imbiss allein zu betreiben, verbrennen sich Lilo und Selma die Finger. Und die Bude fackelt gleich mit ab. Das Familienerbe ist gegessen – es sei denn, die Mädchen gewinnen mit Hilfe der resoluten Mechanikerin Besjana (Thekla Carola Wied) den Wettbewerb um das Stadion-Catering. Nach dem Geschäft leckt sich allerdings auch ihr materialistischer Onkel Walther (Smudo) vom konkurrierenden Fast-Food-Riesen „Pommes King“ die Finger. „Was passiert, wenn ich für meine Kinder nicht da sein kann, wie kommen sie in der Welt zurecht?“ Das sei die Frage, erzählt von Traben, die sie ihrem Unterbewusstsein gestellt habe, um zu ihrer Geschichte zu finden. Deren herber Witz mildert eine Komödie, die trotz ihres couragierten Geistes eine tragische ist. Anders als ihre Schwestern träumt die jugendliche Patty (Luise Risch) nicht von einer Zukunft zwischen Fritteuse und Papptellern, sondern im Gourmetrestaurant.

Die Aufmüpfigkeit, mit der die talentierte Hobbyköchin ihre beruflichen Ziele verfolgt, resultiert aus einer geistigen Reife und realitätsnahen Pragmatik, die sie nicht nur von ihren kleinen Schwestern, sondern auch von der Mutter abhebt. Verständnis für ihre Außenseiterrolle zeigt ausgerechnet Onkel Walther, der Pattys Ehrgeiz für sich ausnutzen will. Konflikte zwischen Geschwistern stehen nicht nur zwischen den kindlichen Charakteren, sondern auch deren Mutter und ihrem bei aller Durchtriebenheit im Grunde nur nach Anerkennung suchenden Bruder im Handlungszentrum. „Irgendwer erwartet immer, dass man sich durchsetzt. Und wenn man es dann macht, ist es auch wieder falsch“, beschreibt Patty das moralische Dilemma, das ein glattgebügeltes Happy End verhindert. Es sind die unaufdringliche Einfühlsamkeit, mit denen der originelle Kinderfilm gegen konventionellen Familienkitsch bockt, genauso wie die kuriose Bildsprache.

Der schmierige Stadionbesitzer führt seine Neigung zu dreckigen Geschäften bildlich vor, wenn er sich beim Griff in die Mülltonne die Hände schmutzig macht, und wenn Onkel Walther trotz unlauterer Wettbewerbsmethoden drauf zahlen muss, steht dies nicht nur für das Begleichen finanzieller Rechnungen. Dank des unverfälschten Blicks auf Alltagskonflikte ist der entspannend unprätentiöse Kinderfilm gewürzt mit einer Prise Erwachsenendrama ungeachtet des profanen Titels ein Leckerbissen unter den hiesigen Familienfilmen. Oder wie Besjana sagt: „Nix Glück. Harte Arbeit.“

Pommes Essen

Früher war die Welt noch in Ordnung. Da zogen die Kumpel fröhlich unter Tage und die Industrie lief geschmiert wie die Bohrmaschinen. Kohle gab es im Überfluss, im Ruhrgebiet, in Duisburg und in der Bude. Großvater Frey (Peter Bongartz) hat den Curry-Imbiss aufgemacht, um in „Freys Feynem Imbiss“ Wurst und Pommes zu verkaufen, nur echt mit der Spezialsoße nach hauseigenem Geheimrezept. „Pommes essen“ , wie es Tina von Traben im Titel ihres dickköpfigen Kinodebüts nennt, war zu Zeiten hungriger Arbeiterströme eine brillante Geschäftsidee.
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