Peter Handke - Bin im Wald. Kann sein, dass ich mich verspäte

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Peter Handke ist rätselhaft: Im Jahr 1966 gelang dem österreichischen Autoren mit einem spektakulären Auftritt bei der Gruppe 47 in Princeton, bei dem er die „Beschreibungsimpotenz“ der anwesenden Autoren und Kritiker beklagte, und seinem von Claus Peymann inszenierten Theaterstück Publikumsbeschimpfung der Durchbruch; er galt eine Zeitlang als enfant terrible der deutschsprachigen Literatur. Es folgten erfolgreiche Bücher wie Die Angst des Tormanns beim Elfmeter und Der kurze Brief zum langen Abschied. Doch trotz dieser frühen öffentlichen Präsenz und nachfolgenden kontroversen Auftritten sowie Texten ist Peter Handke ein schüchterner, zurückgezogenen lebender Mann, der für die Arbeit an seinen Büchern absolute Ruhe braucht und jede Ablenkung ablehnt. Corinna Belz hat ihn nun für ihren Dokumentarfilm Peter Handke – Bin im Wald. Kann sein, dass ich mich verspäte … über einen Zeitraum von drei Jahren beständig besucht und mit ihm gesprochen.
Ganz zu Beginn thematisiert Peter Handke seine Schüchternheit – und sagt, dass er diese Scheu gerne abgelegen würde. Er hätte schon sein Leben lang dafür gebetet, dass er sie los werde. Aber bereits in ihrem vorigen Film Gerhard Richter Painting ist es Corinna Belz gelungen, eine Basis für die Zusammenarbeit mit dem ebenfalls sehr zurückhaltenden Maler Gerhard Richter zu errichten, so dass sie mit ihrer Kamera dem Entstehungsprozess seiner Bilder beiwohnen konnte. Und auch bei Peter Handke gelingt es, Einblicke in seinen Schreibens- und Denkprozess zu bekommen, die sich insbesondere in den Gesprächen manifestieren. Dabei zeigt sich immer wieder, dass Peter Handke ein kritischer und sehr genauer Zuhörer ist, der vor der Beantwortung mancher Fragen zunächst auf ihre Fragwürdigkeit und Schwächen hinweist. Daneben werden immer wieder seine handschriftlichen Notizen eingeblendet und liest er selbst aus seinen Büchern vor. Erläuterungen oder Deutungen liefert er nicht; seiner Meinung steht alles im Text, er sei nicht dafür da, ihn zu erklären.

Lediglich Handkes Texte werden aus dem Off gelesen, auf einen einordnenden oder begleitenden Kommentar verzichtet Corinna Belz gänzlich. Dadurch spricht der Film insbesondere ein Publikum mit Vorkenntnissen an. Insbesondere im Mittelteil ihres Dokumentarfilms zeigt sich indes die Vorteile dieser Entscheidung. Hier thematisiert sie Peter Handkes Reisebericht Eine winterliche Reise zu den Flüssen Donau, Save Morawa und Drina oder Gerechtigkeit für Serbien aus dem Jahr 1996, der überaus kontrovers aufgenommen wurde. Peter Handke beharrt damals wie heute, dass er sich für eine differenzierte Wortwahl und Darstellung der Ereignisse einsetze, Kritiker werfen ihm eine Verharmlosung der serbischen Kriegsverbrechen vor. Obwohl er diese Kontroverse nicht neu befeuern will, gibt er zu, dass ihn die Reaktionen damals verletzt haben – und auch in Erzählungen seiner Frau Sophie Semin zeigt sich, dass ihn diese Angriffe getroffen haben. Ohnehin glaubt man sich Peter Handke anzunähern, wenn andere über ihn sprechen – insbesondere Sophie und seine älteste Tochter Amina. Sie haben einen interne Perspektive und fungieren fast als Mittler zwischen der großen Privatheit Peter Handkes und der erforderlichen Offenheit für einen Film.

Daneben sticht in diesem Film eine Montage heraus, in der Corinna Belz eine Zugfahrt von Peter Handke mit entsprechenden Bildern aus den Filmen verbindet, an denen er mitgewirkt hat. Hier zeigt sich die Stärke ihres Verfahrens, hierin findet sie – wie in den vielen Polaroid-Bildern von Handke und seiner Familie selbst – ein sehr gutes Mittel, Handkes sehr visuellen Stil auszudrücken. Dennoch ist Literatur eine Kunst, die nur schwer im Film und Bild festzuhalten ist. Peter Handke – Bin im Wald. Kann sein, dass ich mich verspäte … sieht Corinna Belz zusammen mit dem Film über Gerhard Richter als Teil eines größeren Projekts, in dem Kunstformen erforscht werden. Architektur, Film und Musik fehlen vorerst noch. Man darf also gespannt sein, was und wer noch folgt.

Peter Handke - Bin im Wald. Kann sein, dass ich mich verspäte

Peter Handke ist rätselhaft: Im Jahr 1966 gelang dem österreichischen Autoren mit einem spektakulären Auftritt bei der Gruppe 47 in Princeton, bei dem er die „Beschreibungsimpotenz“ der anwesenden Autoren und Kritiker beklagte, und seinem von Claus Peymann inszenierten Theaterstück „Publikumsbeschimpfung“ der Durchbruch; er galt eine Zeitlang als enfant terrible der deutschsprachigen Literatur.
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