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In „Perpetrator“ lässt Jennifer Reeder ihre Protagonistin eine radikale Wandlung durchlaufen – begleitet von jeder Menge Guts und Gore.

Perpetrator (2023)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Überall Blut

Wenn sich Coming-of-Age-Motive und fantastische Elemente durchmengen, entstehen dabei oft große Kinomomente. Zum Beispiel, wenn Brian De Palma in seinem Science-Fiction-Schocker „Teufelskreis Alpha“ (1978) den Konflikt zwischen adoleszenter Rebellion und erwachsener Strenge dadurch visualisiert, dass eine übersinnlich begabte Jugendliche eine Autoritätsperson mit ihrem aufbegehrenden Verhalten zum Explodieren bringt – nicht nur im übertragenen Sinne, wohlgemerkt.

Auch die 1973 in Ohio geborene Drehbuchautorin und Regisseurin Jennifer Reeder erzählt in ihren Werken mit Genre-Mitteln von Jugendthemen. In Knives and Skin (2019) glich eine Highschool in der Provinz des Mittleren Westens einem sündhaften Film-noir-Schauplatz; der Plot wandelte sich mehr und mehr zum Thriller. Ihre neue Arbeit Perpetrator begibt sich nun in Grusel-Gefilde, insbesondere in die blutigen Ecken des Körperhorrors. Was beide Filme verbindet, ist die Beschäftigung mit traumatischen Erfahrungen und ein Fokus auf junge weibliche Figuren.

Wir begleiten die 17-jährige Jonny (Kiah McKirnan) auf einem nächtlichen Raubzug durch die Vorstadt. Beim Eintausch ihrer Beute gegen Bares zieht sie sich eine blutige Nase zu. Die gleichgültige Reaktion ihres alleinerziehenden Vaters, dem Jonny später das ergaunerte Geld für die Miete gibt, lässt vermuten, dass wir keiner Ausnahmesituation, sondern schlichtweg dem Alltag dieses seltsamen Vater-Tochter-Gespanns beiwohnen. Kurz darauf wird Jonny zu Hildie (Alicia Silverstone), einer entfernten Tante, geschickt. Von dieser erhält die Jugendliche zum 18. Geburtstag einen Kuchen nach traditionellem Familienrezept und mit besonderer Wirkung: Eine physische und psychische Metamorphose setzt ein, begleitet von immer mehr Blut…

Irgendwo zwischen dem Pubertätsgrauen aus Carrie (1976) und Body-Horror im Stil von Das Tier (1981), Ginger Snaps (2000) und diversen Werken von David Cronenberg findet Perpetrator seinen eigenen Weg als queer-feministische Variante eines bekannten Stoffes, der von einem beängstigenden Übertritt ins Erwachsenenalter handelt. In der Darstellung familiärer Beziehungen, die im letzten Drittel noch eine überraschende Wendung erhalten, und in der Art und Weise, wie die Entdeckung eines neuen Körpergefühls und von ungeahnten, zuweilen belastenden Fähigkeiten geschildert wird, liegt die Stärke des Films. Bizarre Familienszenen – etwa wenn Hildie Jonny dazu auffordert, einen von vielen gestohlenen Gegenstände zu essen (!) und Jonny daraufhin an einem Lippenstift zu knabbern beginnt – und ekstatische Gore-Einschübe werden erstaunlich stimmig zusammengebracht. Alicia Silverstone, die dank des Teenie-Hits Clueless (1995) eine Ikone des Coming-of-Age-Kinos ist, hat spürbaren Spaß daran, ihre strenge, rätselhafte Rolle betont campy anzulegen, während Kiah McKirnan mit Wucht und Verve in der Hauptrolle agiert.

Die Mystery-Geschichte, die mit Jonnys düsterer Initiation einhergeht, ist derweil etwas zu haarsträubend konstruiert, um wirklich einnehmen zu können. An Jonnys neuer Schule verschwinden immer wieder junge Frauen. Blutverschmierte Werkzeuge und eine bedrohliche Gestalt werden uns von Anfang an als Hinweise geliefert. Alle vermissten Schülerinnen hatten vor ihrem Verschwinden kurze Affären mit dem hübschen Kirk (Sasha Kuznetsov), dem Sohn des örtlichen Sheriffs und der von Schönheits-OPs besessenen Schulkrankenschwester. Und was hat es eigentlich mit dem exzentrisch auftretenden Direktor Burke (Christopher Lowell) auf sich, der an der Schule regelmäßig Übungen für den Fall eines Amoklaufs durchführt?

Anders als in den Passagen, in denen sich Perpetrator auf seine Protagonistin und deren näheres Umfeld konzentriert, kommt der Film in den Schulszenen und bei der Aufdeckung des Verbrechens etwas zu grobschlächtig daher; die Nebenfiguren sind recht alberne Karikaturen. Dennoch bleiben die finsteren Bilder, die den Schrecken des Erwachsenwerdens erfassen, und der innere Kampf der Heldin als moderne Interpretation vertrauter narrativer Formen in Erinnerung. War es in Teufelskreis Alpha eine wortwörtliche Wutexplosion, ist es hier unter anderem ein nicht nur metaphorisches Blutbad, das sich ins Gedächtnis eingräbt.

Perpetrator (2023)

An ihrem 18. Geburtstag erhält die taffe Jonny von einer Tante einen Kuchen. Dieser ist nach einem magischen Familienrezept gebacken. Nach dem Verzehr macht Jonny eine radikale Metamorphose durch. Währenddessen verschwinden mehrere ihrer Mitschülerinnen spurlos.

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