Peak

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Unterwegs im Themenpark Alpen

Die erste Einstellung von Peak ist reinste Ironie: Vor dem idyllischen Hintergrund eines schneebedeckten Hanges stehen auf einem geschotterten Platz eine Frau und ein Mann in alpiner Tracht, die von einer Zither begleitet ein nostalgisches Liedchen über die Schönheit der Natur trällern und darüber, dass man gegen nichts auf der Welt das Hütterl hoch droben in den Bergen gegen irgendetwas anderes eintauschen möchte. Eine fast perfekte Einstellung – wäre da nicht diese hässliche Rolle aus schwarzen Plastikschläuchen, die links am Bildrand im Vordergrund zu sehen ist.
Dies ist der Auftakt zu Hannes Langs sehenswertem Dokumentarfilm Peak, der den Wandel in den Alpen in eindrucksvolle Cinemascope-Bilder fasst, deren majestätische Langsamkeit den Zuschauer sogartig in ihren Bann ziehen. Hauptsächlich in den Südtiroler Alpen, aber auch in Frankreich gedreht (Inserts, die den jeweiligen Ort genauer bezeichnen, fehlen wohl auch deshalb, weil die beschriebenen Missstände überall in den Alpen mehr oder weniger die gleichen sind), beschreibt Lang eindringlich den Wandel, um nicht zu sagen den Untergang einer Kulturlandschaft, die mehr und mehr zum Themenpark und zu einer gigantischen Sportarena verkommt, in der ein normales, an den Traditionen der Gegend orientiertes Leben kaum mehr möglich ist.

Bei den Interviewpassagen und ebenfalls nahezu unbewegten Einstellungen, bei denen die Bewohner und Betroffenen zu Wort kommen, sind die Personen oftmals an den Bildrand gerückt: eine symbolische Anordnung im Raum, die die ganze Komplexität des schleichenden Prozesses erfasst: Obwohl die Veränderungen, die Peak beschreibt, von Menschenhand verursacht wurden, werden diese von der Entwicklung sprichwörtlich an den Rand gedrängt. Die wenigen übrig gebliebenen Bergbauern der Region etwa, von denen die allermeisten mehr als 80 Jahre alt sind und die sich bange fragen, wie es hier weitergehen soll, wenn sie mal nicht mehr da sind. Die jungen Leute, die auf der Suche nach Arbeit weggegangen sind aus ihrer Heimat und die heute so dringend benötigt würden. Die Experten am Berg, die den aufopferungsvollen Kampf gegen das unaufhaltsame Verschwinden der Gletscher beschreiben. Die Manager der Wintersportgebiete, die minutiös erklären, welcher immense Aufwand betrieben werden muss, um den immer seltener ausreichenden Schnee mit künstlichem Weiß anzureichern.

Mit seinen sorgsam komponierten, streng formalen Bildern weist Peak auf augenfällige Parallelen und innewohnende Widersprüche hin, die einem so noch nie in den Sinn gekommen sind: Die aussterbenden Bergdörfer, in denen die wenigen Alten noch verharren, sind genauso verlassen wie die gespenstischen Geisterstädte der Wintersportorte, in denen man im Sommer nichts hört außer dem Lärm der Baumaschinen und der Vögel – Menschen trifft man hier wie dort nur zufällig an. Was diese Menschen eint, ist der Kampf gegen die Natur, wenngleich der sich je nach Sichtweise anders darstellt: Während die Bauern feststellen, dass an vielen Stellen, wo es früher bewirtschaftete Felder und Wiesen gab, heute der Wald wieder alles zuwuchert, haben die Verantwortlichen für die Wintersportgebiete andere Probleme mit der Natur: Um die Schneekanonen im Winter mit dem dringend benötigten Wasser zu versorgen, müssen hoch droben riesige Speicherseen angelegt werden, um noch einigermaßen kostendeckend den Wintersportbetrieb zu gewährleisten. Was bleibt, sind seltsam anmutende Krater, die sich aus der Panoramasicht wie tief klaffende Wunden im Idyll der Bergwelt ausnehmen.

Fast scheint es so, als seien hier Natur und Mensch in einen unheilvollen Wettkampf verstrickt: Was der Mensch den Bergen als Freizeitgebiet abtrotzt, holt sich die Natur auf ihre Weise wieder zurück. Am Ende, so scheint es, bleiben nichts als Verlierer zurück in einer gespenstischen Mondlandschaft, die mit dem anfangs besungenen Idyll nichts, aber auch gar nichts mehr zu tun hat.

Peak

Die erste Einstellung von „Peak“ ist reinste Ironie: Vor dem idyllischen Hintergrund eines schneebedeckten Hanges stehen auf einem geschotterten Platz eine Frau und ein Mann in alpiner Tracht, die von einer Zither begleitet ein nostalgisches Liedchen über die Schönheit der Natur trällern und darüber, dass man gegen nichts auf der Welt das Hütterl hoch droben in den Bergen gegen irgendetwas anderes eintauschen möchte. Eine fast perfekte Einstellung – wäre da nicht diese hässliche Rolle aus schwarzen Plastikschläuchen, die links am Bildrand im Vordergrund zu sehen ist.
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