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Eine kleine Madonna aus Plastik aus dem China-Laden soll Wunder vollbringen. So eine braucht auch Domingas, deren Haus wortwörtlich bittere Tränen weint. Diese Religionssatire aus Angola hat etwas Suggestives und Enigmatisches.

Our Lady of the Chinese Shop (2022)

Eine Filmkritik von Teresa Vena

Die Madonna aus Plastik

Made in China. Längst ist es nicht mehr angemessen, mit dieser Bezeichnung nur billige und minderwertige Produkte zu verbinden. Das Label bleibt aber ein Symbol für das rasante Wirtschaftswachstum Chinas und für den weltweiten Massenkonsum. Und was die Religionssatire „Our Lady of the Chinese Shop“ zeigt, ist, dass sich jedes Thema kommerzialisieren lässt. Ein wenig merkwürdig stößt allerdings auf, wie der Film „Chinesen“ als Drahtzieher und gewiefte Geschäftsleute instrumentalisiert.

Ein männlicher Erzähler, ein Chinese, führt auf Mandarin in die Handlung ein. Diese spielt in Luanda, der angolanischen Hauptstadt, und ist in drei Hauptkapiteln und einen Prolog eingeteilt. Der Prolog kommt allerdings erst am Ende. Diese dekomponierte Struktur passt zum allgemeinen fragmentarischen Charakter des Films. Er erzählt die Geschichte von drei Figuren, die nur lose miteinander verbunden sind und unterschiedlichen Raum innerhalb des Ganzen einnehmen. Das Augenmerk liegt auf Domingas (Cláudia Púcuta). Sie pflegt ihren kranken Mann Besso (David Caracol), der zwar bettlägrig ist, aber noch immer mit tyrannischem Tonfall über Domingas bestimmt.

Im Flur ihres Hauses tropft es von der Decke. Domingas holt sich bei Handwerkern Kostenvoranschläge ein, doch das sei Geldverschwendung, sagt ihr eine Nachbarin. Das Haus weine. Es trauere um die tote Tochter der Familie, an der sich offenbar der Vater vergriffen habe. Helfen könne da nur göttliche Hilfe, erklärt die Nachbarin weiter. Erst gibt sich Domingas zögerlich, doch dann holt sie sich doch eine dieser Madonnenfigürchen aus dem neuen China-Laden.

Madonnen- und Heiligenkult spielt im Christentum eine wichtige Rolle. Angola ist ein christliches Land. Und darauf baut der angolanische Regisseur Ery Claver auf. Er zeigt, dass Glaube und Aberglaube nahe beieinander liegen. Er kritisiert bigottes Verhalten und greift explizit die Ordnungen an, die im Namen der Religion mit den Hoffnungen und Sorgen der Menschen ein Geschäft betreiben. Vielleicht muss man aber auch sagen, dass die Menschen selbst schuld sind, wenn sie tatsächlich glauben, dass eine billige Plastikfigur Wunder vollbringen kann.

Es sind keine neuen Fragen, die Claver mit Our Lady of the Chinese Shop aufgreift. Nur das Umfeld ist exotischer, als man es gewohnt ist. Bisher sind nicht viele Stoffe und Autoren aus Angola in unserer Filmverwertung angelangt. Nicht dass man von Claver eine folkloristische Sicht auf sein Land erwartet hätte, doch geht er bei der Erzählung seines Films dermaßen stilisiert vor, dass man nur wenig Spezifisches über den Schauplatz selbst erfährt. Im Film sorgt er für eine distanzierte Stimmung, die durch die Entscheidung, einen Erzähler einzusetzen, noch unterstrichen wird.

Den Sprecher (Meili Li), den man immer wieder kurz sieht, inszeniert der Film nicht unbedingt als Verantwortlichen für das Schicksal der Menschen, doch zumindest als denjenigen, der über den bemitleidenswerten Kreaturen steht, die sich noch nicht von den Bürden der Religion befreit haben. Die Figur, die zwischendurch floskelhafte philosophische Sprüche aufsagt, hat etwas Überhebliches. Im Prolog kommt ihm schon fast eine gottähnliche Rolle zu.

Es ist eine ungewöhnliche Entscheidung und irgendwie eine, die einen selbsterniedrigenden, selbstkolonisierenden Beigeschmack hat. Doch ist anzunehmen, dass im Film derart viele selbstreferenzielle Anspielungen, die die Geschichte, Aktualität und Politik Angolas betreffen, vorkommen, dass einem vielleicht die vollständige Deutung ohne entsprechende Kenntnisse verwehrt bleibt. Einige Szenen bleiben dennoch in Erinnerung durch ihren surrealen Charakter, der im Schlussteil überhandnimmt: In einem Stadion werden volle Zuschauerreihen mit aufgehängter Kleidung simuliert, und eine politische Delegation stopft sich an einer großen, überladenen Tafel mit Essen voll, was einen an Das große Fressen von Marco Ferreri erinnert.

Our Lady of the Chinese Shop (2022)

Eine kleine Madonna aus Plastik aus dem China-Laden soll Wunder vollbringen. So eine braucht auch Domingas, deren Haus wortwörtlich bittere Tränen weint.

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