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Weil sie glaubt, ihr Ehemann habe eine außereheliche Affäre, wendet sich Laura an ihren Vater Felix, der sich mit Feuereifer an die Beschattung des mutmaßlichen Übeltäters macht. Und so verbringen Tochter und Vater zwangsweise Zeit miteinander, was für einige Überraschungen sorgt.

On the Rocks (2020)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Pfeifen lernen

Eigentlich hat Laura (Rashida Jones) alles, was man sich wünschen kann – zumindest dann, wenn man die landläufigen, den Mainstream beherrschenden Kriterien an Erfolg und Glück anlegt: Eine schicke und mutmaßlich sündhaft teure Wohnung in einer angenehmen Gegend in New York, einen Job als Autorin, zwei hinreißende Kinder und einen liebenden Ehemann (Marlon Wayans).

Gut, letzterer scheint in letzter Zeit mehr mit seinem Job verheiratet als mit ihr – und dabei fällt auffällig oft der Name seiner Assistentin Fiona. Reicht das schon aus für einen Anfangsverdacht in Sachen partnerschaftlicher Untreue? Laura ist jedenfalls zunehmend verunsichert, zumal sie bei einer Rückkehr ihres Mannes einen fremden Kulturbeutel im Gepäck entdeckt – die Sache scheint klar. Wie aber kann sie sich Gewissheit verschaffen?

In ihrer emotionalen Not, die sich der Mehrfachbelastung als Autorin (mit Schreibblockade) und Mutter (wegen der Karriere ihres Mannes fast schon alleinerziehend) noch hinzugesellt, wendet sie sich an ihren Vater, den früheren Kunsthändler Felix (Bill Murray), der das Leben im Ruhestand genießt, die Welt bereist und sich von seinem Chauffeur durch New York kutschieren lässt. Was den unbestreitbaren Vorteil hat, dass sich der charmante Verführer und Lebemann schon mittags in seinem Club die Drinks („on the Rocks“ natürlich) hinter die Binde gießen kann. Weil Felix selbst ein gewiefter (und ehrlich gesagt auch ziemlich peinlicher) Verführer ist, der mit jeder Frau, die ihm begegnet, einen Flirt beginnt, erscheint er natürlich als Idealbesetzung für die Pirsch – wobei sich allerdings schon die Frage stellt, ob man als Tochter gerne soviel über die amourösen Verwicklungen des eigenen Vaters wissen will, wie dies Laura nun zwangsläufig in Erfahrung bringt. Dafür aber ist es nun zu spät. Denn Felix findet mehr Spaß an der Angelegenheit als dies schicklich und angemessen erscheint. Und so stolpert Laura gezwungenermaßen mit durch nächtliche Verfolgungsjagden und einen heimlichen Trip nach Mexiko auf der Spur ihres vermeintlich untreuen Gatten.

Auf den ersten Blick erscheint Sofia Coppolas neuer Film On the Rocks, der für den Streamingdienst Apple+ realisiert wurde und in Deutschland nur eine sehr limitierte Kinoauswertung erfährt, wie eine Variante auf ihren großen Erfolg Lost in Translation — was auch, aber keinesfalls ausschließlich an Bill Murray und der Sache mit dem Whisk(e)y liegt. Natürlich gibt es auch einige Unterschiede — vom fremden und für die Protagonist*innen „exotischen“ Tokyo hat der Schauplatz nun in das vertraute New York gewechselt, aus einem Ziehvater wurde ein realer Vater, das Traumwandlerische wurde abgelöst durch einen nun eher ironisch-realistischen Blick auf die Figuren und Konstellationen — und dennoch spürt man eine Geistesverwandtschaft, die auch in der episodischen Narration und der skizzenhaften Ausführung vieler Szenen ihren Widerhall findet. 

Oberflächlich (aber auch nur so) betrachtet ist On the Rocks eine Tragikomödie von einigem Charme, die ohne große emotionale Amplituden eher dahinplätschert. Schaut man aber unter die betörende Schicht des bloßen Scheins, offenbaren sich zwischen den Bildern eines beinahe menschenleeren New Yorks etliche Miniaturen. Sie erzählen von der Liebe und der Treue, der Eifersucht und den unerfüllten Sehnsüchten, der Zerrissenheit zwischen Partnerschaft, Kindern und eigener beruflicher Selbstverwirklichung und -erfüllung. Von dysfunktionalen Familienkonstellationen, überkommenen männlichen Selbstbildern und der grundlegenden Einsamkeit zwischen all den Ansprüchen auf persönliches Glück und ein erfülltes Leben. Aber auch von den Versuchen, es anders und besser zu machen — man muss (und kann) sie nur selbst entdecken. Wenn Laura am Ende (endlich) gelernt hat zu pfeifen, dann ist das auch ein Akt der Emanzipation gegenüber einem selten anwesenden und dennoch übermächtig-übergriffigen Vater, ohne diesen vollends zu verdammen. Es besteht die Hoffnung, dass sie fortan die Melodie ihres eigenen Lebens selbst pfeifen kann.

On the Rocks (2020)

Eigentlich glaubt Laura, dass sie glücklich verheiratet ist, doch als ihr Ehemann Dean plötzlich verdächtig viele Überstunden in der Firma mit einer neuen Mitarbeiterin macht, befürchtet sie das Schlimmste. In ihrer Not wendet sie sich an den einzigen Mann, dem sie wirklich vertraut — ihrem Vater Felix, der gemeinsam mit ihr der Sache auf den Grund gehen soll. Doch die nächtlichen Streifzüge führen sie schließlich zu einer ganz anderen Beziehung, die auf dem Prüfstand steht — ihrer eigenen.

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