Offside

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Frauen im Abseits?

Während hierzulande die Fußball-WM in vollem Gang ist und die Stadien bersten vor gut gelaunten Fans beiderlei Geschlechts, haben wahre Fußball-Fans in anderen Ländern ungleich mehr Geduld mitzubringen. Zumal es in manchen Fällen reicht, wenn der Fan das falsche Geschlecht – also das weibliche —  für seine, respektive ihre Fußballleidenschaft hat. Der Film Offside des iranischen Regisseurs Jafar Panahi, der in diesem Jahr den Silbernen Bären als Bester Film bei der Berlinale erhielt, schildert eine solche Leidensgeschichte, die auf wahren Ereignissen rund um das WM-Qualifikationsspiel gegen Bahrein beruht.
Eine Handvoll Frauen hat – zumeist recht dilettantisch als Männer kostümiert – versucht, trotz des Stadionverbots Zugang zum Stadion von Teheran zu bekommen, wo das alles entscheidende Spiel um die Qualifikation für die Fußball-WM läuft. Doch die Frauen werden geschnappt und sollen wegen ihres Gesetzesverstoßes auf ein Polizeirevier verfrachtet werden. Das Transportgefährt lässt jedoch auf sich warten – kein Wunder, sind die Frauen doch nicht die einzigen in Teheran, die sich für den Ausgang des alles entscheidenden Spieles interessieren. Bewacht von jungen und reichlich naiven Rekruten, beginnen zermürbende Minuten des Wartens, zumal die Frauen das Fußballspiel ständig hören, aber nicht sehen können. Leidenschaftlich beginnen die Frauen über Fußball zu diskutieren und bringen ihre Bewacher ein ums andere Mal in große Verlegenheit, bis sich einer der Soldaten dazu bereit erklärt, das Spiel zu kommentieren. Bald schon zeigt sich allerdings, dass der gute Mann sich mit Fußball nicht sehr gut auskennt, was ihm einiges an Spott und Widerworten einbringt. Doch das ist längst nicht die einzige bizarre Situation während des Spieles, und als der Sieg über Bahrein und damit die Qualifikation für die Fußball-WM endlich geschafft ist, wartet auf die jungen Soldaten eine böse Überraschung…

Beinahe in Echtzeit gedreht – die Dauer des Films entspricht der Dauer des Spiels – und mit Laiendarstellern besetzt, nimmt Jafar Panahi mit Offside deutlich Bezug auf die aktuelle politische Lage im Iran, ohne die Botschaft zu einer Generalabrechnung mit der iranischen Politik werden zu lass, was ihn freilich – wie seine Protagonistinnen – leicht die Freiheit kosten könnte. Stattdessen setzt Panahi auf die Taktik des „pars pro toto“, indem er das vermeintlich kleine Thema des Stadionverbots aufgreift und an ihm durchdekliniert, welchen Repressalien sich die Bevölkerung des Landes derzeit ausgesetzt fühlt. Dabei sind die weiblichen Fußball-Fans alles andere als regimekritisch und somit per se keine Gefahr für das Regime in Teheran – sie wollen nichts weiter als ihren Helden in kurzen Hosen zujubeln. Doch so ist das eben bei autoritären Regierungen, die in jedem noch so menschlichen Aufbegehren gegen das rigide Regelwerk einen staatsfeindlichen Akt sehen, selbst wenn sie wie die jungen Rekruten, die die Frauen bewachen, überhaupt nicht sagen können, wozu die Verordnung eigentlich gut sein soll. Wer allerdings beginnt, allzu viel zu hinterfragen, für den ist der Weg zur offenen Opposition nicht mehr weit.

Trotz seiner Behutsamkeit waren die Drehbedingungen für Offside äußerst schwierig, zumal der Regisseur Jafar Panahi als unbequemer Geist gilt, der in seinem Filmen immer wieder die gesellschaftlichen und sozialen Missstände im Iran anprangert. Kein Wunder also, dass Panahi und sein Team bemüht waren, die Dreharbeiten zu Offside möglichst geheim zu halten, um allen Repressalien aus dem Weg zu gehen – ein schwieriges Unterfangen, das aber weitgehend glückte. Und mehr noch: Das unselige Stadionverbot für Frauen wurde auf Erlass des Staatspräsidenten und gegen die Proteste religiöser Würdenträger vor kurzem aufgehoben. Ein Tropfen auf den heißen Stein der Frauenrechte im Iran, doch vielleicht sollte jeder noch so bescheidene Anfang optimistisch stimmen.

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Während hierzulande die Fußball-WM in vollem Gang ist und die Stadien bersten vor gut gelaunten Fans beiderlei Geschlechts, haben wahre Fußball-Fans in anderen Ländern ungleich mehr Geduld mitzubringen.
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