Nur wir drei gemeinsam

Eine Filmkritik von Falk Straub

Kein Kuchen vom Schah

Wie dem Schrecken politischer Verfolgung begegnen? Nouchi Tabib, der unter seinem Künstlernamen Kheiron als Komiker, Rapper und Schauspieler auftritt, versucht es mit Humor. In seinem Regiedebüt Nur wir drei gemeinsam erzählt er seine Familiengeschichte vor, während und nach der Islamischen Revolution in Teheran und erinnert damit an das Werk einer anderen berühmten Exil-Iranerin: Marjane Satrapis Persepolis.
Der kleine Hibat (Walid Belkbire) ist ein cleveres Kerlchen. Im tiefsten Süden des Iran schlägt er sich Mitte der 1950er Jahre mit elf Geschwistern herum. Statt seine Ellbogen auszufahren, benutzt Hibat sein Köpfchen, das ihm erst den Weg durch die Schule, später zur Universität nach Teheran ebnet, wo er Jura studiert. Doch Hibats wacher Geist steckt in einem ganz schön dicken Schädel. Der bringt ihm nicht nur Gefängnis, sondern auch eine lange Isolationshaft ein. Denn im Knast weigert sich Hibat (jetzt: Kheiron) beharrlich, zur Geburtstagsfeier des Schahs (Alexandre Astier) ein Stück Gebäck zu verspeisen, und befeuert damit die Revolution. Ein Despot, der über ein Stück Kuchen stolpert – das ist einer der vielen köstlichen Einfälle dieses Films, der als wahres Schelmenstück beginnt und als warmherzige Sozialkomödie endet.

Regisseur Kheiron, der das Drehbuch nach seiner eigenen Familiengeschichte verfasste und als Hauptdarsteller in die Rolle seines Vaters schlüpft, setzt auf eine Mischung aus Politsatire und Gesellschaftsparodie mit karikaturesken Zügen. Hier adressieren die aufgebrachten Bauern schon einmal direkt den Schah, der ihnen locker am Schreibtisch lehnend antwortet. Dort wird ein Familienessen schon einmal wie ein Sportmatch im Fernsehen mit Kringeln und Pfeilen, die den kürzesten Weg zur Reisschüssel aufzeigen, analysiert. Als Verbindungsglied dient Hibat, der sich als Ich-Erzähler aus dem Off immer wieder amüsant und wohl nicht ganz zuverlässig ins Geschehen mischt.

Sieben Jahre nach seiner Inhaftierung ist Hibat frei. Die Hoffnung auf eine Demokratisierung unter Ajatollah Ruhollah Khomeini lebt nur kurz. Für Hibat, seinen Bruder Aziz (Khereddine Ennasri) und deren Freunde geht der Kampf im Untergrund weiter. Dort lernt Hibat die ebenso schöne wie couragierte Krankenschwester Fereshteh (Leïla Bekhti) kennen und lieben. „Es ist viel besser, wir sind gemeinsam in der Hölle als allein im Paradies“, lautet Fereshtehs Credo. Die Hölle, das ist innerhalb des nächsten Jahres ein Leben auf gepackten Koffern. Mehr als zwanzigmal wechselt das Paar die Wohnung, trägt für den Fall ihrer Verhaftung stets eine Zyankalikapsel griffbereit. Als ihr Sohn Nouchi auf die Welt kommt, kehren sie ihrer Heimat schließlich den Rücken. Über die schneebedeckten Berge geht es in die Türkei, von dort weiter nach Frankreich ins Land der Menschenrechte und der Revolution. Hier heißt die Hölle Stains, ein sozialer Brennpunkt am Rande von Paris. Und auch hier geht der Kampf weiter.

Kheiron ist das kleine Kunststück geglückt, der tragischen Geschichte seiner Figuren mit Humor zu begegnen, ohne sie der Lächerlichkeit preiszugeben. Das mag einigen angesichts der Gräueltaten zweier Regime unangebracht erscheinen. Für die Davongekommenen hat dieses Lachen aber auch etwas Befreiendes. Nur wir drei gemeinsam unterläuft dabei ein ums andere Mal geschickt die Erwartungen der Zuschauer, um sie mit manch ausgefallenem Gag zu überraschen. Wie etwa Hibats Schwiegereltern (Gérard Darmon, Zabou Breitman) auf dessen Fahndungsfoto reagieren, ist eine ebenso charmante wie amüsante Pointe, wie man sie schon lange nicht mehr im Kino gesehen hat. Und wenn der kleine Nouchi im Kindergarten sein Lieblingslied vortragen soll, steckt in diesem Lacher mehr subversive Kraft als in manch politischer Aktion. Es ist ein Lachen mit, nicht über die Figuren; ein Lachen über Despoten und Fanatismus und bei allem Hang zur Parodie stets ein mildes, warmherziges Lachen, wie Kheiron insgesamt eine warmherzige Komödie gelungen ist.

Nur wir drei gemeinsam

Wie dem Schrecken politischer Verfolgung begegnen? Nouchi Tabib, der unter seinem Künstlernamen Kheiron als Komiker, Rapper und Schauspieler auftritt, versucht es mit Humor. In seinem Regiedebüt „Nur wir drei gemeinsam“ erzählt er seine Familiengeschichte vor, während und nach der Islamischen Revolution in Teheran und erinnert damit an das Werk einer anderen berühmten Exil-Iranerin: Marjane Satrapis „Persepolis“.
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