Norman: The Moderate Rise and Tragic Fall of a New York Fixer

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

In den (Einkaufs-)Straßen von New York

Kompliziertes nachvollziehbar darzustellen und dadurch begreiflich zu machen, ist eine hohe Kunst. Mit seiner neuen, erstmals englischsprachigen Arbeit Norman erweist sich der in den USA geborene und in Israel aufgewachsene Joseph Cedar (Beaufort, Footnote) darin wieder einmal als echter Könner: Der Drehbuchautor und Regisseur widmet sich einem eigentümlich-komplexen Mikrokosmos sowie dessen (ungeschriebenen) Gesetzen – und liefert dabei weit mehr als ein aufschlussreiches Erklärstück über Business und Politik. Sein Film ist auch ein überaus empathisches Charakterdrama, welches zu keinem Zeitpunkt zur altmodisch-rührseligen Moralparabel wird, wie der recht pathetisch klingende Original-Untertitel The Moderate Rise and Tragic Fall of a New York Fixer vermuten lassen könnte.
Norman Oppenheimer (Richard Gere) geht in Manhattan einer Tätigkeit nach, die sich mit Bezeichnungen wie „Makler“ oder „Berater“ oder mit wort(hülsen)reichen Erläuterungen niemals gänzlich fassen lässt. Mit Eifer verteilt er bei jeder sich bietenden Gelegenheit Visitenkarten seines bürolosen Ein-Mann-Unternehmens Oppenheimer Strategies und versucht, mit einflussreichen Leuten in Kontakt zu kommen, um diesen als Mittelsperson zu dienen. Dass er – entgegen seiner vollmundigen Behauptungen – kaum jemanden von Rang und Namen persönlich kennt, erschwert die Sache allerdings außerordentlich. Als er Micha Eshel (Lior Ashkenazi), dem stellvertretenden israelischen Minister für Industrie, Handel und Arbeit, begegnet, möchte Norman diesen zur Teilnahme an einem wichtigen Dinner überreden und spendiert dem Politiker kurzerhand ein Paar äußerst teure Schuhe. Normans Plan misslingt – doch als Eshel drei Jahre später, als er zum Premierminister Israels aufgestiegen ist, erneut auf Norman trifft, erinnert er sich an den großzügigen Fremden von einst und stellt ihn seinem Umfeld als Vertrauten und als bedeutenden Mann aus der jüdischen New Yorker Geschäftswelt vor. Plötzlich kann sich Norman das langersehnte Netzwerk aufbauen. Aber schon bald ergeben sich Konflikte, die auch seinen Neffen Phillip (Michael Sheen) und den befreundeten Rabbi Blumenthal (Steve Buscemi) tangieren.

Mit der Titelfigur präsentiert Cedar die moderne Interpretation eines Hoffaktors. Dieser war als Kaufmann für die Geld- und Finanzgeschäfte an einem Hof zuständig. Da die Position häufig von einem Juden besetzt war, wurde auch vom sogenannten „Hofjuden“ gesprochen, welcher zu einer bekannten literarischen (Klischee-)Figur wurde. Richard Gere verkörpert die Rolle des Vermittlers, der im Business-Sektor Fuß fassen will, facettenreich, sodass der Film sowohl in seinen humorvoll-satirischen als auch in seinen ernsthaft-tragischen Momenten zu überzeugen vermag. Dabei entfernt sich der Schauspieler weit von seinem etablierten Leinwand-Image: Norman ist weder ein romantic lead noch ein souverän auftretender Karrieremensch, sondern wirkt oftmals nervös, allzu bemüht, beinahe verzweifelt. Hinzu kommt etwas Schelmisches, wenn er etwa seine Pläne auf einer Serviette darlegt oder sich dem Namedropping hingibt, sowie eine charmante Aufdringlichkeit beziehungsweise ein aufdringlicher Charme. Am interessantesten ist jedoch die Wärme, die Gere dabei ausstrahlt. Es mag hier um Geschäfte gehen – vor allem aber baut der Protagonist in den Gesprächen, die er initiiert, eine Nähe zu seinem jeweiligen Gegenüber auf, von der er nicht selten sogar selbst überrascht ist. Die Passage, in der Norman die Konsulatsbeamtin Alex (wie immer einnehmend: Charlotte Gainsbourg) in eine Unterhaltung verwickelt, würde auch als Einakter über eine unvorhergesehene zwischenmenschliche Annäherung funktionieren. Ebenso leben sämtliche Szenen zwischen Gere und Lior Ashkenazi von der Sympathie und der Chemie, die sich zwischen den beiden Figuren entwickelt.

Das in Akte unterteilte Werk ist nicht nur auf narrativer Ebene sowie aufgrund des Zusammenspiels von Gere und dessen Co-Stars reizvoll, sondern auch visuell einfallsreich. Nachdem Norman dank Eshel einen Bekanntheitsschub erhält, wird das sich anschließende Networking als wilder Erinnerungsrausch während Normans Heimreise gezeigt. Die Telefonate, die Norman an allen (un-)denkbaren Orten in New York City führt, werden originell montiert und führen uns Normans stets rastlose Arbeits- und Lebensweise vor Augen. So gelingt es Cedar, aus einer klischeebesetzten Figur und deren Milieu etwas Glaubhaftes und Gegenwärtiges zu machen.

Norman: The Moderate Rise and Tragic Fall of a New York Fixer

Kompliziertes nachvollziehbar darzustellen und dadurch begreiflich zu machen, ist eine hohe Kunst. Mit seiner neuen, erstmals englischsprachigen Arbeit Norman erweist sich der in den USA geborene und in Israel aufgewachsene Joseph Cedar („Beaufort“, „Footnote“) darin wieder einmal als echter Könner:
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CHICA H · 21.09.2017

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