Natural Resistance

Eine Filmkritik von Patrick Holzapfel

Eine önologisch-cinephile Widerstandsbewegung

Ob er will oder nicht, Jonathan Nossiter wird spätestens mit Natural Resistance als Regisseur des Weines gelten, denn nach seinem erfolgreichen Mondovino widmet sich der gelernte Sommelier wieder dem Thema des Weinanbaus. Es gibt allerdings schlimmeres für einen Filmemacher, schließlich wird Wein seit jeher mit Genuss in Verbindung gebracht und kann auch, wie der Film zeigt, mit der Kunst selbst in Verbindung stehen.
Anhand von vier radikalen, alternativen Weinbauern in Italien konfrontiert Nossiter den Zuschauer in Natural Resistance mit den zeitgenössischen Problemen der historischen Tätigkeit des Weinanbaus. Dabei knüpft der Film unter der Prämisse eines historischen Werts von Kultur, Verbindungen zu Kunst und Film. Immer wieder werden manchmal passende, manchmal etwas fragwürdige Filmausschnitte aus Filmen von Chaplin, Bresson, Rossellini oder Pasolini gezeigt und Gian Luca Farinelli, Direktor der Cineteca di Bologna argumentiert leidenschaftlich für eine Erhaltung von Kultur, die eine große Relevanz für die Gegenwart habe. Dieser Kampf für die Bewusstmachung der Geschichtlichkeit einer Kultur wird von den Bauern und Filmvermittlern Seite an Seite geführt.

Schade, dass diese eigentlich schöne Idee etwas holprig argumentiert wird. So geht Nossiter nicht wirklich auf Filmrestaurierung oder die unterschiedlichen Aspekte einer Gegenwärtigkeit des Mediums ein, wodurch die Szenen mit Farinelli oft wie ein Promo-Video für die Cineteca di Bologna wirken. Nossiter ist eben viel mehr am Wein interessiert. Die dominante Figur unter seinen Weinbauern ist Stefano Bellotti, der eine Art Weinphilosophie betreibt und es mit einer wilden Mixtur aus Wahrheiten, Angriffen, Reflektionen und Assoziationen schafft, einem die Probleme dieser Kultur näherzubringen. Alle Bauern im Film sind äußerst modern. Sie sehen sich gleichermaßen als Opfer von Politik und Ökonomie sowie als Sinnbild und Grundstein der Gesellschaft.

EU-Auflagen und der von Chemiekonzernen dominierte Markt machen es den „freien“ Bauern äußerst schwer. Dabei gerät insbesondere die sogenannte DOC-Vereinigung in die Kritik. Dabei geht es um eine regionale Qualitätskennzeichnung, die Produkte, die bestimmten Auflagen entsprechen mit einem Siegel auszeichnet. Allerdings haben diese Auflagen oft nichts mit der Realität der Bauern zu tun und im Endeffekt leidet die Weinkultur, da nicht der regionale, sondern der einheitliche Geschmack gefördert wird. Hinter den ganzen Leidens- und Lebensgeständnissen erfährt man erschreckend wenig über den Alltag dieser Menschen. Zwar schimmern durch die beiläufig gedrehten Digitalbilder immer wieder Aromen eines Lebensstils hindurch, aber letztlich geht es dem Film sehr um seine eigene Argumentation.

Gegen Ende fällt Nossiter dann nachvollziehbar in den Ton eines agitatorischen Films, die Unzufriedenheit und das Leiden könnten sich in eine Wut verkehren. Dabei spielt vor allem das Chemie-Argument eine tragende Rolle. Bellotti gräbt ein bisschen Erde von seinem Nachbarn, der mit künstlichen Düngemitteln arbeitet, aus und vergleicht es mit seiner eigenen Erde. Natural Resistance gewinnt aus diesen Szenen keine neuen Erkenntnisse, aber man merkt dem Film eine große Liebe und Nähe zu seinem Thema an. Doch bei aller Politisierung und bei allem Leiden, gibt es immer das Augenzwinkern eines Friedens. So kommt einem die Frontalität mancher neorealistischer Filmausschnitte, die im Film gezeigt werden, erschreckend entrückt vor. Man fragt sich: Haben Menschen wirklich mal so offen und nach vorne gerichtet Filme gemacht?

Zu Beginn des Films sieht man das Gemälde Landschaft mit dem Sturz des Ikarus von Pieter Bruegel und Nossiter setzt den Tod gegen den Alltag, die Schönheit gegen das Leiden. Dieses Motiv verfolgt er im Lauf des Films ziemlich konsequent mit im Hintergrund spielenden Kindern, dem Disneyland Toskana und der Schönheit dieser Regionen, die nach Betrachten des Films durchaus in einem anderen Licht erstrahlt. Dasselbe gilt für den Wein, der nach dem Film womöglich auch einen anderen Geschmack bekommt.

Natural Resistance

Ob er will oder nicht, Jonathan Nossiter wird spätestens mit „Natural Resistance“ als Regisseur des Weines gelten, denn nach seinem erfolgreichen Mondovino widmet sich der gelernte Sommelier wieder dem Thema des Weinanbaus. Es gibt allerdings schlimmeres für einen Filmemacher, schließlich wird Wein seit jeher mit Genuss in Verbindung gebracht und kann auch, wie der Film zeigt, mit der Kunst selbst in Verbindung stehen.
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Meinungen

Iris Wertgarner · 19.06.2015

So muss Wein schmecken! tolle Aufnahmen Genialer Film!!!
Freue mich schon auf die Premiere in Wien