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Dénes Nagys Langfilmdebüt erzählt in eindrucksvollen Bildern von einer wenig beachteten Facette des Zweiten Weltkrieges. Dabei setzt „Natural Light“ auf eine dichte, brütende Atmosphäre statt auf Gewaltdarstellungen, um von seinen Gräueln zu berichten.

Das Licht in den Birkenwäldern (2021)

Eine Filmkritik von Arabella Wintermayr

Was vom Menschen übrig bleibt

Es sind nur wenige Rahmendaten, mit denen „Natural Light“ eröffnet – und sie sind dringend notwendig, um das folgende Geschehen historisch verorten zu können. Denn obwohl der Zweite Weltkrieg bereits aus den unterschiedlichsten Perspektiven filmisch beleuchtet wurde, erzählt Regisseur und Drehbuchautor Dénes Nagy doch von einer zumindest hierzulande wenig thematisierten Facette. Zwischen 1941 und 1944 wurden 100.000 ungarische Soldaten von den deutschen Besatzern in die besetzte Sowjetunion abgeordert, um Partisanen und deren Unterstützer ausfindig zu machen.

Wesentlich mehr, etwa das genaue Jahr oder der Handlungsort, wird nicht verraten. Einiges wird erst spät im Laufe der knapp 100-minütigen Spielzeit offenbart, anderes bleibt gänzlich im Dunkeln. Es passt zur Herangehensweise des langsamen Kriegsfilmes, der vor allem auf eine dichte Atmosphäre, weniger auf eine treibende Handlung setzt. Der auf die Bebilderung von Gräueltaten verzichtet und die Schrecken des Krieges stattdessen durch eine omnipräsente, alles verzehrende Schwere vermittelt. 

Dem Trupp, von dem der Film erzählt, hat sie fast schon alles Leben aus den Knochen gesaugt. Ausdruckslose Augen blicken aus eingefallenen Gesichtern, die wiederum auf ausgelaugten Körpern ruhen, die sich einen Weg durch das widrige Gelände eines verschneiten Birkenwalds bahnen. Der sumpfige Boden vermag ganze Pferde zu verschlucken. 

Bald kristallisiert die Kamera einen Soldaten heraus, aus dessen Perspektive alles weitere erzählt wird: Sie folgt István Semetka (Ferenc Szabó), blickt ihm über die Schulter, direkt auf den behelmten Hinterkopf und bleibt, ist sie frontal auf ihn gerichtet, meist nah an seinem ausgemergelten Gesicht, das nur selten eine Regung zeigt. Löst sie sich von ihm, fängt sie in überraschend formschönen, meist von fahlen Grün- und Brauntönen geprägten Bildern die Bedrohlichkeit des umgebenen Waldes und die Enge der kargen Hütten ein. In Kombination mit der zurückhaltenden musikalischen Untermalung schafft die Kamera eine für das Genre untypisch brütende, teils gar meditative Stimmung. 

Eine Stimmung, die auch Semetka als ambivalent gezeichnete Hauptfigur umhüllt. Als sein Trupp am Zielort, in einem Dorf, in dem Partisanen vermutet werden, ankommt, wandelt er durch die Szenerie, beobachtet und wirkt dabei wie eine übrig gebliebene Hülle, mehr weggetreten als wach. Mal folgt er wortlos, aber mit erkennbarem Unbehagen, den Befehlen seines Vorgesetzten (Tamás Garbacz) und weist Untergebene dazu an, zwei Soldaten die Hände über den Kopf zusammenzubinden und daran aufzuhängen, um sie fürs Schlafen während der Wache zu bestrafen. Mal beobachtet er, wie eine junge Frau Essen aus dem Dorf schmuggelt, um es ihrem kranken Vater zu bringen, verrät sie aber nicht. Der Film erhebt ihn nie zum falschen Helden und gesteht ihm doch einen Funken mehr Humanität als dem Rest seiner Einheit zu.

Als diese weiterzieht, dann aber unter Beschuss gerät und besagter Vorgesetzter zu Tode kommt, muss Semetka die Führung übernehmen und, zurück im Dorf, entscheiden, was mit den Bewohner*innen geschehen soll. Hier wird die Schuldfrage für ihn zwar weiter ins Zentrum gerückt. Zum zentralen Thema erhoben oder gar mit einer klaren Antwort versehen wird sie aber nicht. 

Natural Light, der im Wettbewerb der 71. Berlinale gezeigt wird, scheint auf etwas anderes hinauszuwollen. In einer einnehmenden Atmosphäre zeigt er, was der Krieg vom Menschen übrig lässt. Dann, wenn er sie in einen Status versetzt, in dem jede Ideologie lächerlich erscheint, jede Überzeugung durch Überlebenswillen ersetzt wurde. Damit gelingt es dem Film, der auf einem kleinen Ausschnitt des gleichnamigen 600-Seiten starken Romans von Pál Závada basiert, ein nachhaltigeres Gefühl zu hinterlassen als es eine plakativere Rhetorik je könnte.

Das Licht in den Birkenwäldern (2021)

1943. Während des Zweiten Weltkriegs steht in der besetzten Sowjetunion ein langer Winter bevor. István Semetka gehört zu einer ungarischen Sondereinheit, die Dorf für Dorf nach Partisan*innen durchsucht. Eines Tages gerät die Einheit auf dem Marsch in eine entlegene Ortschaft unter feindlichen Beschuss. Der Kommandeur wird getötet und als Ranghöchster muss Semetka die Führung übernehmen. Durch ein Sumpfgebiet führt er die Überlebenden zu einem besetzten Dorf, wo sie wieder zu ihrer Abteilung stoßen.

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