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C.B. Yi schildert in „Moneyboys“, wie ein junger Sexarbeiter in China dem finanziellen und moralischen Druck der Gesellschaft ausgesetzt ist.

Moneyboys (2021)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Wandlungsversuche

Der Regisseur C.B. YI wuchs in einem chinesischen Fischerdorf auf der Insel Yuhuan auf, ehe er mit 13 Jahren nach Österreich kam und später an der Wiener Filmakademie studierte. Sein Spielfilmdebüt „Moneyboys“ ist eine österreichisch-französisch-taiwanesisch-belgische Koproduktion und erzählt von einem jungen Mann, der sein Geld als illegaler Sexarbeiter in einer chinesischen Großstadt verdient – und damit seine Familie, die auf dem Land lebt, zu unterstützen versucht.

Der ausgedehnte Prolog des Werks beginnt als Milieubetrachtung und schlägt in ein hartes Crime-Stück um. Zunächst erfahren wir, was es bedeutet, als sogenannter Moneyboy in China tätig zu sein – in einem Land, in dem Prostitution unter Strafe steht. Der Protagonist Fei (Kai Ko) ist nicht nur mit der ständigen Gefahr konfrontiert, verhaftet zu werden – er ist seinen Freiern durch die Gesetzeslage auch völlig schutzlos ausgeliefert. Als Feis Freund Xiaolai (JC Lin) einen Racheakt an einem brutalen Freier von Fei verübt, führt dies rasch zu noch mehr Gewalt – und Fei muss fliehen. Fünf Jahre später, in einer anderen Stadt, gerät Fei erneut in Bedrängnis durch die Polizei, weshalb er sich in sein Heimatdorf begibt. Dort stößt er überwiegend auf Ablehnung. Als er wieder zurück in der Stadt ist, folgt ihm sein Jugendfreund Long (Yufan Bai).

„Für so ein Leben bin ich nicht hergekommen“, sagt Long an späterer Stelle zu Fei. Der Versuch, sich und das eigene Dasein einer Wandlung zu unterziehen, ist als wiederkehrendes Motiv in Moneyboys erkennbar. Mal versuchen die Figuren selbst, eine Veränderung herbeizuführen, mal bemühen sie sich, sich an neue Gegebenheiten anzupassen. Das Scheitern und die Enttäuschung sind dabei als Bedrohung stets spürbar. „Ich bin zurückgekommen!“, verkündet Fei, als er wieder im Dorf seiner Familie erscheint. Doch die Situation entwickelt sich nicht zu einem positiven Moment, in dem der verlorene Sohn herzlich reintegriert wird. Die spätere Hoffnung, dass Fei und Long in der Stadt als Paar miteinander glücklich werden können, erweist sich ebenfalls als Illusion. Immer wieder werden von Fei, von Long und auch vom weiteren Umfeld der beiden jungen Männer optimistische Lebensentwürfe in den Raum geworfen. Von der Gründung einer Familie, vom letzten Glas Alkohol, vom Zusammenleben in einem großen Haus, vom Leben, „von dem wir träumen“, ist die Rede.

Mal verhindern Schuldgefühle und Eifersucht die Verwirklichung der Pläne, doch C.B. YI macht deutlich, dass es größere, gesamtgesellschaftliche Gründe sind, die einer individuellen Wandlung zum Guten im Wege stehen. Neben dem wirtschaftlichen Druck, durch den sich Fei gezwungen sieht, als illegaler Sexarbeiter Geld zu verdienen, gibt es die moralische Verurteilung: So hat Feis Familie das von ihm zugeschickte Geld zwar stets angenommen; sie verachtet ihn aber dafür, Sex mit Männern zu haben. Das Mittel, mit dem Fei seine Familie ernährt, führt in deren Augen zugleich zur Beschmutzung der Familienehre. Und die Verachtung seiner Familie hat wiederum zur Folge, dass Fei sich selbst verachtet – was auch sämtliche Beziehungen vergiftet, die Fei einzugehen versucht.

Zu den inhaltlichen Stärken des Films kommt eine visuell eindrückliche Umsetzung: C.B. YI und sein Kameramann Jean-Louis Vialard arbeiten überwiegend mit Plansequenzen. Die Aufnahmen sind oft komponiert wie Gemälde. Wenn etwa Fei und Xiaolai zu Beginn melancholische Songs in einer Karaokebar singen, wird die Diskrepanz zwischen ihrer prekären Lage und ihrer romantischen Wunschwelt erfahrbar. Später mutet die Gewalt viel unmittelbarer und roher an, als es in einer durch Schnitte erzeugten Szene möglich wäre. Und die komplizierten Verhältnisse zwischen den Figuren – all die Emotionen zwischen ihnen, die Liebe, das Begehren, die Angst – werden durch die durchdachte Anordnung der Personen im Raum nachvollziehbar, ohne dass hierfür allzu viele Worte nötig sind.

Moneyboys (2021)

Fei arbeitet als Stricher in der Großstadt, um seine Familie zu ernähren. Diese akzeptiert zwar sein Geld, nicht jedoch seine Homosexualität. In der Folge kommt es zum Zerwürfnis. Mithilfe seiner Beziehung zu Long versucht er einen Neuanfang

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