Mikrofan

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Rappen, Kicken, Abhängen

Eigentlich besteht ihr Leben nur aus Musik, Kiffen, Träumen und ab und an einem Kick auf dem Bolzplatz. Die Clique um Sam (Philip „Ike“ Babing) hat keinen Bock darauf, sich in die Tretmühle aus Job oder Studium einzulassen, sondern chillt lieber und träumt von dem großen Durchbruch als Rapper. Dass dieser allerdings höchst ungewiss ist, daran denken die Jungs erst gar nicht und genießen das faule Leben in vollen Zügen. Maximal eine „Karriere“ als „Profiticker“ (also Drogendealer) kommt für den einen oder anderen noch in Frage – nicht gerade eine goldene Zukunft, wenn man es nüchtern (und nicht in irgendeiner Form zugedröhnt) betrachtet.
Ginge es nach den Jungs, könnte das Leben ewig so weitergehen; als nicht endende Party, bei der keiner einen Gedanken an die Zukunft verschwendet. Doch dann beginnt Marc (David Stegemann) eine Affäre mit Sams langjähriger Freundin Lisa (Julia Ehlers). Und als die Geschichte herauskommt, zeigt sich, dass der Zusammenhalt vielleicht doch nicht so groß ist wie gedacht.

Manchmal wirkt Matthias Santiago Staehles Mikrofan ein wenig unfertig und ungelenk, was mit Sicherheit auch daran liegt, dass die Darsteller fast ausnahmslos keine professionellen Schauspieler sind, sondern Laien aus der Hamburger HipHop-Szene. Andererseits erscheint der Film gerade durch seine Darsteller und durch die oftmals vernuschelten und mit deutlichem Hamburger Zungenschlag geführten Dialoge an vielen Stellen eher wie eine Dokumentation. Unterstützt wird dieser Eindruck durch die bewusst sachlich-zurückhaltende Kameragestaltung von Sven O. Hill, der bereits einen Film über Rapper in New York gedreht hatte, die die graue Tristesse der Trabantensiedlung ungeschminkt einfängt. Den Macho-Glamour vieler Rap-Videos und deren fragwürdige Inhalte sucht man hier (gottlob) vergebens. Stattdessen gibt es Songs von lokalen Größen wie SuH, Tohuwabohu, 56 Boys, Reno und Vision TNT, die das Leben zwischen Ziellosigkeit und großen Träumen treffend auf den Punkt bringen.

Genau in dieser Authentizität liegen auch die Stärken von Mikrofan. Die eigentliche Geschichte um den Traum vom großen Durchbruch, um Freundschaft und Verrat, Liebe und Eifersucht bietet an sich kaum Überraschungen und braucht am Anfang ziemlich lang, bis sie in Fahrt kommt und sich allmählich aus den sehr treffenden Daseinsbeschreibungen der Clique so etwas wie eine erkennbare Story entwickelt. Andererseits dürften sich die Jungs um Sam und viele ihre realen Vorbilder gerade in diesem ziellosen Umherirren und Herumhängen treffend dargestellt fühlen. Ihre Perspektivlosigkeit und der mühsam unterdrückte Zorn, den sie mit sich herumtragen, entlädt sich in ihren Raps und ihren harten Rhymes, mit denen sie ihr Publikum zum Tanzen bringen. Was aus ihnen wird, wenn sich die großen Träumen vom Leben als „reicher Rapper“ nicht erfüllen, daran mag man gar nicht denken.

Mikrofan

Eigentlich besteht ihr Leben nur aus Musik, Kiffen, Träumen und ab und an einem Kick auf dem Bolzplatz. Die Clique um Sam (Philip „Ike“ Babing) hat keinen Bock darauf, sich in die Tretmühle aus Job oder Studium einzulassen, sondern chillt lieber und träumt von dem großen Durchbruch als Rapper.
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