Mensch 2.0

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Futter fürs Kopfkino

„Träumen Androiden von elektrischen Schafen?“, fragte sich einst Philip K. Dick und legte mit dieser Geschichte den Grundstein für den seitdem (man kann es nicht anders sagen) kultisch verehrten Film Blade Runner von Ridley Scott. Überhaupt sind spätestens seit diesem Wendepunkt der Filmgeschichte Roboter, Cyborgs und andere Maschinenwesen aus dem Kino nicht mehr wegzudenken. Wie aber sieht dies in der Realität aus? Der Spielfilm Robot & Frank, der ebenfalls bald in die Kinos kommt, versucht darauf eine realistische Antwort zu finden. Zuvor aber nehmen sich Alexander Kluge und Basil Gelpke in Mensch 2.0 der Frage an, wie denn der Stand der Dinge ist in der Robotik und künstlichen Intelligenz.
Ihr Kinofilm ist die 104-minütige Fassung eines eigentlich sehr viel längeren Werkes, das vor rund eineinhalb Jahren auf DVD erschien und die stolze Lauflänge von 720 Minuten (also 12 Stunden) umfasste – eine ungeheure Materialsammlung, die jeder nur halbwegs Interessierte an dem Thema unbedingt in seinem Besitz haben sollte. Gerade weil das Thema aber einen Blick wirft auf unsere mögliche Zukunft, ist es sehr erfreulich, dass der Film nun im Rahmen des Unterwegs-Filmfestivals „überall dabei“ der Aktion Mensch einen Kinostart erhält.

Anhand der Feldforschung auf dem Gebiet der Robotik und KI entwerfen Kluge und Gelpke einen ganzen Fragenkatalog, der sich letztendlich vor allem mit der Frage auseinandersetzt, was es ist, dass den Menschen ausmacht, was ihn von Maschinenwesen unterscheidet und ob die Spezies Mensch sich nicht in eine gefährliche Situation begibt, wenn sie künstliche Wesen schafft, die ihr selbst nahe kommen. Sind diese Geschöpfe vielleicht Konkurrenzsysteme, die uns nicht nur dabei helfen können, den Alltag zu bewältigen, sondern denen wir auch Teile unserer intellektuellen Autonomie überantworten? Setzen wir die Evolution aufs Spiel und versuchen selbst Gott zu spielen, indem wir versuchen, die Konstruktionsfehler beim Menschen bei unseren eigenen Geschöpfen zu optimieren?

Wer Kluges außerordentliche Arbeiten für das Fernsehen kennt, die stets ein Stachel im Fleisch des privaten Fernsehens waren, weiß, was ihn auch in diesem Film erwartet: Mensch 2.0 entwirft ein dichtes Netz aus Information und Assoziation und liefert jede Menge Futter fürs eigene Kopfkino, ohne die Informationen bereits mundgerecht oder vorverdaut zu servieren. Typographisch gestaltete Passagen mit Zitaten, die von Techno-Musik begleitet werden, Interviews mit Forschern, für die Gelpke verantwortlich zeichnet sowie Diskussionen mit Intellektuellen und Künstlern wie Frank Schirrmacher, Michel Serres, Hans Magnus Enzensberger und Anselm Kiefer, kleine Reportagen und Fallstudien von Robotern sowie unzählige kulturwissenschaftliche Exkurse formen das Skelett dieses Films, der kein vollständiges Bild des Themas zeichnet, aber jede Menge Startpunkte für eigene Reflektionen zu den verschiedenen Topoi bietet, die Kluge und Gelpke streifen und ausbreiten. Wobei die Rollenverteilung der gemeinsamen Arbeit deutlich zu Tage tritt: Gelpkes Passagen dienen vor allem der (vergleichsweise nüchternen) Informationsvermittlung, während Kluges Sequenzen sich mehr Freiheiten herausnehmen, auch einmal abzuschweifen und so eine ganze Reihe von Sub- und Metaplots beizufügen.

Man mag diesen deutlichen Kontrast der beiden Filmemacher als Schwäche oder zumindest Auffälligkeit des dokumentarischen Essays auffassen, andererseits ist es gerade diese Gegensätzlichkeit, die einen nicht geringen Teil des Reizes von Mensch 2.0 ausmacht. Eine nur informative oder rein essayistische Herangehensweise an das Thema wäre mit Sicherheit weniger anregend gewesen als dieses zwar sperrige, aber dennoch enorm lohnenswerte Kunststück.

Mensch 2.0

„Träumen Androiden von elektrischen Schafen?“, fragte sich einst Philip K. Dick und legte mit dieser Geschichte den Grundstein für den seitdem (man kann es nicht anders sagen) kultisch verehrten Film „Blade Runner“ von Ridley Scott. Überhaupt sind spätestens seit diesem Wendepunkt der Filmgeschichte Roboter, Cyborgs und andere Maschinenwesen aus dem Kino nicht mehr wegzudenken. Wie aber sieht dies in der Realität aus?
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Meinungen

Jana Berlin · 22.09.2012

Eine sehr interessante Fragestellung:

".../... ob die Spezies Mensch sich nicht in eine gefährliche Situation begibt, wenn sie künstliche Wesen schafft, die ihr selbst nahe kommen."